Spruch:
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin fuhr mit ihrer zum Unfallszeitpunkt 6‑jährigen Tochter am äußerst rechten Pistenrand wenig schneller als Schritttempo in Pflugbögen. Die 12‑jährige Beklagte näherte sich auf dem mittelsteilen Hang, der allmählich flacher wurde, mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 30 km/h von hinten, entweder mit ganz kleinen Schwüngen oder überhaupt schon aufrecht fast geradeaus fahrend, an. Die Beklagte kam etwa 30 m leicht schräg hinter der Klägerin plötzlich zum Sturz. Der Grund für diesen plötzlichen Sturz konnte nicht festgestellt werden. Die Beklagte überschlug sich kopfüber und rutschte fast ungebremst von hinten in die langsam mit ihrer Tochter fahrende Klägerin hinein, wodurch diese stürzte und erhebliche Verletzungen erlitt. Nach dem Sturz konnte die Beklagte die Kollision ebenso wenig verhindern, wie die Klägerin, die die Beklagte vor der Kollision nicht wahrgenommen hatte.
Der Unfall ereignete sich auf einer sehr harten Kunstschneepiste mit eisigen Stellen, guter Sicht, äußerer Dunkelheit, aber eingeschalteter Flutlichtanlage. Sämtliche durch die Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind der Höhe nach durch eine Haftpflichtversicherung (auch) zugunsten der Beklagten gedeckt.
Das Berufungsgericht erkannte das Schadenersatzbegehren der Klägerin als dem Grunde nach berechtigt. Selbst auf fahrtechnische Fehler zurückzuführende Stürze von Schiläufern seien noch nicht rechtlich vorwerfbar, wenn dem Schifahrer nicht ein dem Sturz vorausgegangenes vermeidbares Fehlverhalten zur Last falle, das den Sturz herbeigeführt habe. Der Klägerin sei es aber gelungen, der Beklagten eine in Bezug auf die Fahrgeschwindigkeit der am Unfall beteiligten Schifahrerinnen und in Bezug auf den Abstand zwischen den beiden Schifahrerinnen überhöhte Geschwindigkeit nachzuweisen. Es wäre daher an der Beklagten gelegen gewesen, Umstände darzutun, die den Sturz als unvermeidbar oder unvorhersehbar erkennen und damit das indizierte Verschulden ausschließen ließen. Derartige Umstände seien aber nicht hervorgekommen. Ob das Fehlverhalten der zum Unfallszeitpunkt 12‑jährigen Beklagten als Verschulden anzulasten sei, könne dahingestellt bleiben, weil sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Schäden von einer Haftpflichtversicherung gedeckt seien. Dies mache den Ersatz jedenfalls bis zur Versicherungsdeckung tragbar. Soweit die Versicherungsdeckung reiche, finde auch keine Billigkeitsabwägung statt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte, die mit ihrer außerordentlichen Revision die gänzliche Klageabweisung anstrebt, vermag keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen über die örtlichen Verhältnissen und den Unfallshergang lassen auf ein unfallauslösendes Fehlverhalten (Sorgfaltswidrigkeit) der Beklagten schließen, welches ihr gemäß § 1310 erster Fall ABGB als Verschulden zur Last zu legen ist. Die Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h auf einer harten Kunstschneepiste mit eisigen Stellen begründet im Hinblick auf die auch für gute Schifahrer stets vorhandene Gefahr des Sturzes und die sich daraus ergebenden Folgen für andere Schifahrer, die sich im Sturzbereich befinden, eine Sorgfaltswidrigkeit (relativ überhöhte Geschwindigkeit). Diese Gefahr ist auch für eine 12‑jährige gute Schifahrerin erkennbar und die Gefahrenvermeidung (Einhaltung einer geringeren Fahrgeschwindigkeit oder eines wesentlich größeren Abstands zu anderen, insbesondere viel langsameren Pistenbenützern) zumutbar. Die überhöhte Fahrgeschwindigkeit ist ungeachtet der hier nicht zu klärenden unmittelbaren Sturzursache für die Verletzung der Klägerin kausal, weil die höhere Geschwindigkeit sowohl einen längeren Rutschweg nach dem Sturz als auch eine höhere Aufprallgeschwindigkeit auf einen im Sturzbereich befindlichen Schifahrer und damit eine Erhöhung der Gefahr dessen Verletzung bewirkt. Auf die von der Revisionswerberin angesprochenen Fragen allfälliger Kausaltiätsvermutungen kommt es daher hier nicht an.
Schließlich rügt die Beklagte, dass das Berufungsgericht entgegen ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die bestehende Haftpflichtversicherungsdeckung keine Billigkeitsabwägung vorgenommen habe. Sie unterlässt es aber darzulegen, aufgrund welcher Überlegungen diese Billigkeitsabwägung zu einer anderen Entscheidung als der Verurteilung zur gänzlichen Schadenshaftung führen hätte müssen.
In jedem der in § 1310 ABGB erwähnten Fälle einer ausnahmsweisen Haftung des unmündigen Schädigers ist es dem billigen Ermessen des Richters überlassen, das Maß des zu leistenden Schadenersatzes festzusetzen, das unter Umständen den ganzen Betrag erreichen kann, aber nicht erreichen muss (9 Ob 181/00h mwN). Das Verschulden des Schädigers ist stärker zu gewichten, wobei freilich zu beachten ist, dass das Verschulden Unmündiger milder zu beurteilen ist (9 Ob 181/00h; Karner in KBB3 § 1310 ABGB Rz 9). Auch die von der Beklagten vermisste Billigkeitsabwägung führt in diesem Fall unter Berücksichtigung des keineswegs zu vernachlässigenden Verschuldens der wesentlich zu schnell fahrenden Beklagten unter Berücksichtigung vorhandener Haftpflichtdeckung zu keinem anderen Ergebnis als der vollen Haftung der Beklagten für die der unbestritten gänzlich schuldlosen Klägerin entstandenen Schäden.
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