Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit ersatzlos aufgehoben, als sie dem Antrag des Stiftungsvorstands vom 6. 10. 2010 auf Eintragung der Änderung vom 15. 4. 2008 der Stiftungszusatzurkunde vom 5. 12. 1995 stattgeben.
Das Erstgericht hat die erforderlichen Veranlassungen im Firmenbuch vorzunehmen.
Text
Begründung
Gegenstand des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens ist der Antrag des Stiftungsvorstands der R***** W***** Privatstiftung vom 6. 10. 2010 auf Eintragung einer am 15. 4. 2008 vom Stifter vorgenommenen Änderung der Stiftungszusatzurkunde. Streitpunkt ist die Frage, ob der Stifter am 15. 4. 2008 (noch) geschäftsfähig war. Seit 3. 5. 2010 ist für den Stifter ein (einstweiliger) Sachwalter bestellt.
Beim Landesgericht Wels behängt zu 2 Cg 239/10i seit 29. 11. 2010 ein Streitverfahren, in welchem der Stifter, vertreten durch den (einstweiligen) Sachwalter, die Feststellung der Unwirksamkeit unter anderem der Änderung der Stiftungszusatzurkunde am 15. 4. 2008 anstrebt; der Stifter sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Dieses Verfahren ist insoweit noch nicht beendet.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 8. 7. 2011 sprach das Erstgericht zu 27 Fr 2649/11v unter anderem aus, dass „eine Entscheidung über den im Verfahren 27 Fr 3168/10y gestellten Antrag auf Eintragung der Änderungen der Stiftungszusatzurkunde vom 15. 4. 2008 erst nach rechtskräftiger Beendigung des zu 2 Cg 239/10i des Landesgerichts Wels anhängigen Streitverfahrens“ erfolgt.
Die Vorinstanzen nahmen die beantragten Eintragungen vor, das Rekursgericht erklärte darüber hinaus den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Sie bejahten im Rahmen einer „Plausibilitätsprüfung“ die Geschäftsfähigkeit des Stifters im April 2008.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Stifters ist zulässig (6 Ob 194/10p); er ist auch berechtigt.
1. Nach § 19 Abs 1 FBG kann das Firmenbuchgericht ein Eintragungsverfahren so lange unterbrechen, bis in Ansehung eines Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, wenn dieses Rechtsverhältnis Gegenstand eines anderen anhängigen Gerichtsverfahrens ist und die Entscheidung im Eintragungsbegehren vom Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses abhängt. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen jener des § 190 ZPO und jener des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG und erlaubt eine Verfahrensunterbrechung wegen eines präjudiziellen Vorverfahrens (vgl G. Kodek/G. Nowotny, Das neue AußStrG und das Verfahren vor dem Firmenbuchgericht, NZ 2004, 257; Schenk/Ratka in Straube, UGB4 [2009] § 7 Anh [§ 19 FBG Rz 1]; Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann, UGB² [2010] § 19 FBG Rz 1). Der Beschluss des Erstgerichts vom 8. 7. 2011 ist als ein derartiger Unterbrechungsbeschluss zu verstehen.
2. Das Gericht kann das unterbrochene Verfahren zwar nach § 19 Abs 2 FBG unter bestimmten Voraussetzungen fortsetzen. Dies hat im Hinblick auf § 26 Abs 3 Satz 1 AußStrG, der auch in Eintragungsverfahren anzuwenden ist (G. Kodek/G. Nowotny aaO; Schenk/Ratka aaO Rz 2), „mit Beschluss“ zu geschehen; ein derartiger Fortsetzungsbeschluss wurde jedoch nicht gefasst. Ob im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für eine Verfahrensfortsetzung nach § 26 Abs 3 Satz 2 AußStrG, der grundsätzlich auch im firmenbuchrechtlichen Verfahren anwendbar wäre (vgl Rechberger in Rechberger, AußStrG [2006] § 26 AußStrG Rz 6), vorliegen würden, kann somit im Revisionsrekursverfahren ungeprüft bleiben.
3. Nach § 26 AußStrG darf das Gericht im unterbrochenen Verfahren nur dringend gebotene Verfahrenshandlungen vornehmen (§ 26 Abs 1 Satz 1 AußStrG; vgl auch Schenk/Ratka aaO Rz 2). Das Gesetz sagt zwar nicht, was darunter konkret zu verstehen ist. Die ErläutRV zu § 26 AußStrG (S 39) erwähnen jedoch „grundsätzlich solche [Verfahrenshandlungen], die im Zivilprozess Gegenstand eines selbstständigen Beweissicherungsverfahrens sein könnten“ (ebenso Feil, AußStrG [2005] § 26 Rz 2; Maurer/Schrott/Schütz, AußStrG [2006] § 26 Rz 1; Rechberger aaO Rz 2; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen³ [2006] Rz 154; Feil/Marent, AußStrG [2010] § 26 Rz 2); darüber hinaus darf das Gericht im unterbrochenen Verfahren wohl etwa auch einstweilige Verfügungen erlassen. Die Entscheidung über die Sache (hier also die beantragte Eintragung) kann jedoch im unterbrochenen Verfahren nicht gefällt werden.
4. Wird ein wegen eines präjudiziellen Vorverfahrens unterbrochenes Verfahren außer Streitsachen unzulässigerweise weitergeführt und machen die Parteien des Verfahrens diesen Umstand geltend, so führt dies zur Aufhebung der getroffenen Entscheidungen (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 26 Rz 6). Der Stifter hat sich im Revisionsrekursverfahren ausdrücklich auf die Verfahrensunterbrechung berufen.
5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 AußStrG iVm § 15 FBG (vgl 6 Ob 195/10k).
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