Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Mieterin der Wohnung Top 301 im Haus *****, EZ 1964 Grundbuch *****. Die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige Bauvereinigung, ist Wohnungseigentümerin dieser und anderer Wohnungen der Liegenschaft. Der Mietvertrag mit der Antragstellerin wurde nach Begründung von Wohnungseigentum abgeschlossen.
An der Liegenschaft waren zunächst die Antragsgegnerin mit ¾ Anteilen und die „a***** GmbH“ mit ¼ als Miteigentümer beteiligt. Aufgrund einer nach dem 8. 5. 1945 erteilten Baubewilligung wurden von beiden Miteigentümern gemeinsam Wohnungen errichtet. Durch Wohnungseigentumsvertrag vom 12. 9. 2007 wurde an der gesamten Liegenschaft Wohnungseigentum begründet, wobei die Einverleibung am 1. 10. 2007 erfolgte. Die Antragsgegnerin ist Wohnungseigentümerin der unter BLNr 6, 7 bis 24 und 25 bis 50 angeführten Objekte, somit der Mehrheit der Liegenschaftsanteile. Sie ist auch Verwalterin der gesamten Liegenschaft. Die Wohnungen der ursprünglichen Miteigentümerin wurden an weitere Wohnungseigentümer verkauft.
Die Antragstellerin plant auf ihre Kosten die Errichtung einer Antenne am Dach der genannten Liegenschaft, die den Internetzugang über Funk ermöglicht und somit ohne weitere Verkabelungen auch allen anderen Mietern des Hauses zur Verfügung stehen würde (sogenannte WLAN‑Antenne). Die Antragstellerin will nämlich eine eigene Homepage betreiben und benötigt dazu einen eigenen Server. Sie ersuchte die Antragsgegnerin um die notwendige Genehmigung.
Die Antragsgegnerin verweigerte diese Genehmigung mit der Begründung, dass sich ein anderer Wohnungseigentümer gegen die Errichtung der Antenne ausgesprochen habe und es laut Auskunft eines Fachunternehmens durch die Funkantenne zu Störungen der vorhandenen SAT‑Anlage kommen könne.
Unter der Voraussetzung, dass die Arbeiten von einem konzessionierten Unternehmen durchgeführt werden und die gängigen Richtlinien für den erforderlichen Blitzschutz eingehalten werden, stellt eine einwandfreie Ausführung der beabsichtigten Omnidirektional‑Antenne Modell GP 24.000‑8 keine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen dar. Eine Schädigung des Hauses kann dadurch ausgeschlossen werden. Eine negative Auswirkung auf die bestehende SAT‑Anlage kann durch sachgemäße Montage ebenfalls ausgeschlossen werden. Im schlechtest möglichen Fall bleibt die durch die WLAN‑Antenne verursachte Störstrahlung unter dem zulässigen Grenzwert. Im Haus besteht die Möglichkeit einer Anbindung an das Internet über kommerzielle Anbieter. Dabei ist aber die Verwendung eines eigenen Servers untersagt, die bei dem von der Antragstellerin in Aussicht genommenen Anbieter ausdrücklich erwünscht ist.
Bei Anbringung der Antenne wie geplant an der Rückseite des Liftschachts, sohin hofseitig, würde diese die Oberkante des Liftschachts um ca 60 cm überragen. Sie wäre von der Straße unmittelbar vor dem Haus nicht, aus größerer Entfernung fast nicht wahrnehmbar und neben einem Alu‑Aufbau des Rauchfangs überdies nicht weiter auffällig. Im Sinn des örtlichen Stadtbildes wurde von der MA 9 aus architektonischer Sicht kein Einwand erhoben.
In Punkt 10 des Mietvertrags zwischen den Parteien vom 19. 11. 2007 ist vereinbart, dass der Mieter gemäß § 9 MRG verpflichtet ist, wesentliche Veränderungen des Mietgegenstands der Vermieterin in Schriftform anzuzeigen. Der Mieter darf die Verbesserungen nur durchführen, wenn die Vermieterin die angezeigten Maßnahmen nicht binnen zwei Monaten ablehnt.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt die Antragstellerin, soweit noch verfahrensgegenständlich, die von der Antragsgegnerin verweigerte Zustimmung zur Anbringung der WLAN‑Antenne durch Gerichtsentscheidung zu ersetzen.
Ihr Begehren, soweit es auch gegen die Eigentümergemeinschaft als Zweitantragsgegnerin gerichtet war, wurde von der Antragstellerin zurückgezogen.
Das Begehren, festzustellen, dass es Aufgabe der Vermieterin sei, die übrigen Miteigentümer über die Rechtslage aufzuklären und gegebenenfalls Einvernehmen mit ihnen über die beabsichtigte Änderung herzustellen, wurde vom Erstgericht ‑ unbekämpft ‑ ins streitige Verfahren überwiesen.
Die Antragstellerin vertrat den Standpunkt, die von ihr geplante Antenne entspreche dem Stand der Technik, sei verkehrsüblich und durch die Untersagung komme es zu einer Beschneidung des europarechtlichen Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit, denn die Verweigerung bedeute für die Antragstellerin einen Wettbewerbsnachteil bzw Wettbewerbsausschluss als Internetanbieterin, die ihre Dienste über Funk anbieten wolle. Außerdem komme es zu einer unzulässigen Einschränkung der Rezipientenfreiheit, weil der Zugang zu einem offenen und nicht regulierten ‑ und zudem kostenlosen ‑ Bürgernetz beschränkt werde. Das Internet des Anbieters „F*****“ habe eine bessere Bandbreite und eine höhere Upload‑Geschwindigkeit. Die Antragstellerin betreibe ‑ unter anderem aus politischen Zwecken ‑ einen eigenen Server. Dazu sei die Errichtung der beabsichtigten Antenne notwendig. Weder führe die Errichtung zu einer Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses noch zu einer Störung der Interessen der übrigen Wohnungseigentümer. Auch sei die Anwendbarkeit des § 9 MRG im Mietvertrag vereinbart worden.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Begehrens. Durch das hochfrequente Antennenkabel werde die Funktion der SAT‑Anlage gestört, weshalb schutzwürdige Interessen des Vermieters und anderer Mieter, nämlich das Recht auf einen ungestörten Fernsehempfang und Internetzugang, beeinträchtigt wurden. Überdies komme es zu einer Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses. Es bestehe auch keine Notwendigkeit der Errichtung einer solchen Anlage, weil in der gegenständlichen Wohnung ein Internetzugang via Telekabel bzw Telefonleitung möglich sei. Zu einer Beeinträchtigung des Rechts der Meinungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit komme es durch die Untersagung nicht.
Im Weiteren wendete die Antragsgegnerin die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ein. Selbst wenn nämlich die Voraussetzungen des § 9 MRG vorlägen, bedürfe die Installation der ausdrücklichen Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, die derzeit nicht vorliege. Aufträge an den Vermieter, andere Miteigentümer zur Zustimmung zu verhalten, seien nur im Klagsweg durchsetzbar.
Überdies seien §§ 9 und 37 MRG nicht anwendbar. Das Mietverhältnis liege im Teilanwendungsbereich des MRG. Daher seien §§ 1 Abs 4 Z 3; 1 Abs 3 MRG iVm § 20 WGG nicht anzuwenden, weil die Baulichkeit nicht ausschließlich von der Antragsgegnerin als Gemeinnützige Bauvereinigung (GBV) errichtet worden sei, sondern gemeinsam mit einer privaten Bauträgergesellschaft. Damit sei auch eine Anspruchsdurchsetzung im Verfahren nach § 22 WGG nicht zulässig.
Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen verpflichtete das Erstgericht die Antragsgegnerin, die begehrte Zustimmung zur Errichtung einer Omnidirektionalantenne zu erteilen und bejahte insoweit die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs.
Es sei auch die Passivlegitimation der Antragsgegnerin gegeben, weil diese allein Mietvertragspartnerin der Antragstellerin sei. Die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer könne nur im Rechtsweg erwirkt werden. Eine Zuziehung der übrigen Wohnungseigentümer im gegenständlichen Verfahren komme deshalb nicht in Betracht, weil diese nicht Mietvertragspartner der Antragstellerin seien. Auch § 4 Abs 3 WEG komme nicht zur Anwendung, weil es sich bei der Antragstellerin um keine „Altmieterin“ handle.
Dem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss in den Punkten 1 (Verpflichtung zur Zustimmung) und 3 (Kostenentscheidung) samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und wies den verfahrenseinleitenden Antrag der Antragstellerin zurück.
Mangels alleiniger Errichtung der Baulichkeit durch eine GBV sei § 1 Abs 3 MRG iVm § 20 WGG unanwendbar. Es liege daher der Teilausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 3 MRG vor, sodass weder § 9 MRG noch § 37 MRG anwendbar seien.
Bis zur WRN 2006 seien von der damaligen Fassung des § 20 Abs 1 Z 2 erster Fall WGG auch Mischprojekte umfasst gewesen, also solche, bei denen eine GBV eine Baulichkeit gemeinsam mit einem nicht gemeinnützigen Bauträger errichtet habe. Das sei aus der Formulierung „wenn aus Anlass der Errichtung … Wohnungseigentum eingeräumt“ worden sei, abgeleitet worden. In diesen Fällen sei das Mietverhältnis der Bauvereinigung mit ihren Mietern den zivilrechtlichen Bestimmungen des WGG unterlegen.
Nach der durch die WRN 2006 geänderten Fassung des § 20 WGG lasse sich im Gesetzeswortlaut kein Hinweis mehr darauf finden, dass der Grundtatbestand des § 20 Abs 1 WGG, also die Errichtung einer Baulichkeit im eigenen Namen, nicht als Alleinerrichtung zu verstehen sei. Die Verwirklichung dieses Grundtatbestands sei auch für Mietverhältnisse zwischen einer Bauvereinigung als Wohnungseigentümerin und ihren Mietern (§ 20 Abs 1 Z 2 WGG) zu fordern. Eine isolierte Betrachtung der Bestimmung des § 20 Abs 1 Z 2 WGG dahin, dass die zivilrechtlichen Bestimmungen des WGG bereits dann anzuwenden seien, wenn eine GBV ein in ihrem Wohnungseigentum stehendes Objekt vermiete, sei abzulehnen, weil damit auch der Fall erfasst werde, dass eine Baulichkeit gar nicht von der GBV errichtet worden sei, sondern diese ein Wohnungseigentumsobjekt später erworben habe.
Die Gesetzesmaterialien der WRN 2006 (Erläuterungen) begnügten sich mit dem Hinweis, dass das WGG für die im Wohnungseigentum einer GBV stehenden und von dieser vermieteten Objekte „in derartigen Baulichkeiten“ gelten solle, womit offensichtlich auf Baulichkeiten iSd § 20 Abs 1 WGG verwiesen werde.
Das Rekursgericht folgte dabei der Ansicht von W. Rosifka (Der wohnungsgemeinnützigkeitsrechtliche Teil der Wohnrechtsnovelle 2006, wobl 2006, 313 ff), wonach beim Grundtatbestand des § 20 Abs 1 WGG wie früher der Begriff „Eigentum“ als „Alleineigentum“ verstanden worden sei, nunmehr „Errichtung“ als „Alleinerrichtung“ verstanden werden müsse. Der gegenteiligen Ansicht von Würth/Zingher/Kovanyi in Miet‑ und Wohnrecht22 § 20 WGG Rz 5 vermochte das Rekursgericht hingegen keine ausreichende Begründung zu entnehmen.
Mangels Errichtung der Baulichkeit allein durch die Antragsgegnerin sei § 1 Abs 3 MRG iVm § 20 WGG unanwendbar. Der Teilausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 3 MRG liege hier vor, was zur Folge habe, dass weder § 9 noch § 37 MRG anwendbar seien, was zur Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung und des vorangegangenen Verfahrens samt Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags führe.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt, der Revisionsrekurs jedoch zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Voraussetzung für die Anwendung mietrechtlicher Bestimmungen über § 20 WGG die Alleinerrichtung einer Baulichkeit durch eine Bauvereinigung im eigenen Namen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Stattgebung ihres verfahrenseinleitenden Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig und im Sinn des in ihm gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Während für die Anwendung des MRG die Frage, wer unter welchen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ein Gebäude errichtet hat, unerheblich ist, knüpft das WGG sein Konzept der kostendeckenden Mietzinsbildung an das Faktum der Errichtung der Baulichkeit durch eine GBV und an das für gemeinnützige Bauvereinigungen prägende Kostendeckungsprinzip im eigenen Namen an.
In der Stammfassung des § 1 Abs 3 MRG war ein Teilausnahmetatbestand für „Mietgegenstände in Gebäuden, die von einer GBV errichtet worden sind und im Eigentum einer GBV stehen“ geregelt. Die Anknüpfung dieser „Kollisionsnorm“ zwischen MRG und WGG an die sehr engen Begriffe der Errichtung und des Eigentums hat zu zahlreichen Problemen in der Praxis geführt, denen mit der Änderung durch das 2. WÄG BGBl 1991/68 begegnet werden sollte (Schuster in Schwimann 2 § 20 WGG Rz 9).
Vor allem sollte der Entfall der Voraussetzung des Eigentums an der von der GBV errichteten Baulichkeit bewirkt werden, weil dieser Begriff von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs als „Alleineigentum“ definiert worden war (zur Rechtslage vor dem 2. WÄG: 5 Ob 117/92 MietSlg 44/53; 5 Ob 128/94 WoBl 1995/56).
§ 20 Abs 1 WGG idF des 2. WÄG lautete wie folgt:
Für die Überlassung des Gebrauches einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes aus dem Titel eines Miet‑ oder sonstigen Nutzungsvertrages in einer Baulichkeit, die von einer Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet und nicht bloß saniert (...) worden ist, wird folgendes bestimmt …
Im Bericht des Bautenausschusses (52 BlgNR XVIII. GP, 3) wird der Entfall der Voraussetzung des Eigentums im Grundtatbestand des § 20 Abs 1 WGG damit begründet, dass das nun auch in § 1 Abs 3 MRG allein verwendete Anknüpfungselement der Errichtung maßgeblich sei. Werde eine Baulichkeit nach dem für gemeinnützige Bauvereinigungen prägenden Kostendeckungsprinzip im eigenen Namen errichtet, richte sich die weitere Bewirtschaftung und Nutzung dieser Baulichkeit grundsätzlich für den Rest ihres Bestands nach den §§ 13 bis 22 WGG. Weiters werden im zitierten AB einige Fallkonstellationen genannt, in denen § 20 WGG anwendbar sein soll. Darunter ist unter anderem der Fall ausgeführt, dass eine Bauvereinigung nur Miteigentum an der zu verbauenden Liegenschaft erwirbt und nach Errichtung der Baulichkeit dem früheren Eigentümer Wohnungseigentum im Umfang des ihm verbliebenen Miteigentums einräumt (Einräumung von Wohnungseigentum „aus Anlass der Errichtung“ des § 20 Abs 1 Z 2 erster Fall WGG [idF des 2. WÄG]). In diesen und anderen Fällen sollten für die aufrechten Miet‑ und sonstigen Nutzungsverhältnisse die §§ 14 bis 22 WGG aufrecht bestehen bleiben. Im Weiteren wird ausgeführt, dass Bauvorhaben, bei denen der frühere Grundeigentümer von der die Liegenschaft als Miteigentümer erwerbenden Bauvereinigung Wohnungseigentum „eingeräumt“ erhält, durchaus üblich seien.
Der durch das 2. WÄG neu geschaffene § 20 Abs 1 Z 2 erster Fall WGG lautete:
„Z 1 gilt auch dann, wenn aus Anlaß der Errichtung … Wohnungseigentum eingeräumt“ wird.
Dieser Fall stellte eine bedeutende Rechtsänderung dar, durch die in der Praxis vorkommende Mischverhältnisse saniert und in Zukunft wirtschaftlich vernünftige Möglichkeiten zur Finanzierung von Neubauten geschaffen wurden. Den wirtschaftlichen Hintergrund bildete der Umstand, dass in städtischen Ballungsgebieten Erdgeschoss und häufig auch noch der erste Stock zu Wohnzwecken weniger geeignet, dafür aber für Geschäftszwecke wertvoll sind, was eine sinnvolle Kooperation zwischen gewerblichen Unternehmen für die Geschäftsflächen und einer GBV für Wohnungen ergibt. Bisher unterlagen auch die von der GBV vermieteten Wohnungen in einem solchen Gebäude wegen § 1 Abs 3 MRG vorrangig den Vorschriften des MRG. Aus dem zitierten AB ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung ein unerwünschtes Ergebnis des § 1 Abs 3 MRG aF beseitigen wollte (Würth/Zingher Wohnrecht 91 § 20 WGG Anm 7).
Was nun die Frage der „Errichtung im eigenen Namen“ betrifft, ist maßgeblich, dass eine Baulichkeit nach dem für gemeinnützige Bauvereinigungen prägenden Kostendeckungsprinzip im eigenen Namen errichtet wurde, wobei es nicht schadete, wenn aus Anlass der Errichtung (einem Dritten) Wohnungseigentum eingeräumt wurde (5 Ob 40/99i; wiederum AB zum 2. WÄG).
Mit Ausnahme der hier nicht interessierenden Regelungen des § 20a WGG (Erwerb und Sanierung durch eine GBV), eingeführt durch die WRN 1999 BGBl I 1999/147, blieb der Grundtatbestand des § 20 Abs 1 WGG unverändert.
Durch die WRN 2006 BGBl I 2006/124 wurde neben dem Fall des Alleineigentums einer GBV (§ 20 Abs 1 Z 1 WGG) in § 20 Abs 1 Z 2 WGG ausdrücklich geregelt, dass „wenn ein Miet‑ oder sonstiger Nutzungsgegenstand der Baulichkeit im Wohnungseigentum der Bauvereinigung steht, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie die in Z 1 lit a und b genannten Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes gelten“. Dazu heißt es in der RV zur WRN 2006, 1183 BlgNR XXII. GP, 47 wie folgt:
„Der Regelungskomplex des § 20 Abs 1 Z 2 bis 2b WGG wurde hingegen vor allem im Hinblick auf das Wohnungseigentumsgesetz 2002 neu gefasst, wobei in § 20 Abs 1 Z 2 WGG ausdrücklich geregelt ist, dass alle Mieter einer Wohnungseigentum vermietenden gemeinnützigen Bauvereinigung in derartigen Baulichkeiten, unabhängig davon, ob das Mietverhältnis vor oder nach nachträglicher Wohnungseigentumsbegründung eingegangen worden ist, jedenfalls im Verhältnis zur gemeinnützigen Bauvereinigung (als Vermieterin) den gleichen mietrechtlichen Standard genießen sollen.“
Dass mit „derartigen Baulichkeiten“ solche im Sinne des Grundtatbestands des § 20 Abs 1 WGG gemeint sind, versteht sich von selbst. Die Neuformulierung der Z 2 des § 20 Abs 1 idF der WRN 2006 ist daher als Generaltatbestand anzusehen, der den früheren ersten Fall des § 20 Abs 1 Z 2 ebenso erfasst wie die Vermietung nicht verkaufter und daher vermieteter Wohnungseigentumsobjekte bei (unmittelbarer) Wohnungseigentumsbegründung nach §§ 15, 15a WGG und auch die der GBV „verbleibenden“ Objekte im Fall nachträglicher Wohnungseigentumsbegründung (vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht22 § 20 WGG Rz 8).
Die Neuformulierung des § 20 Abs 1 Z 2 WGG erfolgte nicht zuletzt auch deshalb, weil seit Inkrafttreten des WEG 2002 dessen § 3 Abs 2 WEG eine zwingende Wohnungseigentumsbegründung an allen hiefür tauglichen Objekten einer Liegenschaft vorsieht. In der Fassung vor der WRN 2006 sah § 20 Abs 1 Z 2 WGG gemischtes Wohnungseigentum vor (vgl Würth, Zur Wohnrechtsnovelle 2006 [WGG] ‑ ein Nekrolog, wobl 2006, 105 [111]).
Die dargestellte historische Entwicklung der Norm des § 20 WGG lässt im Zusammenhang mit den aus Anlass ihrer verschiedenen Novellierungen in den zitierten Gesetzesmaterialien geäußerten Zielsetzungen den Schluss nicht zu, der Gesetzgeber der WRN 2006 habe bei Mietobjekten in von einer GBV nach Grundsätzen des WGG errichteten Baulichkeiten eine Einschränkung mit dem vom Rekursgericht getroffenen Ergebnis herbeiführen wollen. Auch ein grundsätzliches Verständnis des Regelungszwecks des § 20 WGG, nämlich der Klarstellung, welche Normen des WGG welche Bestimmungen des MRG verdrängen, legt eine solche Auslegung nicht nahe. Aus den § 20 Abs 1 Z 1 lit a und b WGG zu entnehmenden, negativen und positiven Auflistungen ist zu erkennen, um welche Regelungsbereiche es sich dabei handelt und worin die „Unverträglichkeit“ von WGG und MRG liegt: Es sind dies im Wesentlichen die Bestimmungen der (kostendeckenden) Mietzinsbildung und die damit untrennbar verknüpften Fragen der Erhaltung und Verbesserung, die im WGG gesondert geregelt sind (5 Ob 40/99i immolex 1997, 185, RIS‑Justiz RS0111649). Auch diese Bestimmungen wären - worauf das Rechtsmittel der Antragstellerin hinweist - bei anderer Sicht nicht anwendbar.
Es kommt also entscheidend darauf an, ob eine Baulichkeit durch eine GBV im eigenen Namen und auf eigene Rechnung nach gemeinnützigkeitsrechtlichen Prinzipien errichtet wurde. Ist das der Fall, dann kann auch der Umstand, dass ein weiterer, nicht den Regeln des Gemeinnützigkeitsrechts unterworfener Bauträger an der Errichtung mitgewirkt hat, im Sinn eines richtigen Verständnisses dieser Bestimmung nicht schaden (vgl auch T. Österreicher/A. Sommer, Zum Verhältnis von Mietrechtsgesetz und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, wobl 2012, 304 [307] unter Hinweis auf Würth, Die Entwicklung des [wohnzivilrechtlichen] Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts, FS 200 Jahre ABGB [2011] 741 [746 FN 27]).
Das führt im Ergebnis im vorliegenden Fall dazu, dass für das Mietverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zufolge § 1 Abs 3 MRG iVm § 20 Abs 1 Z 2 und Z 1 lit b WGG § 9 MRG anwendbar und ein solcher Anspruch im Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 4 WGG durchzusetzen ist. Die Nichtigerklärung des Verfahrens und die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung samt Zurückweisung des Antrags wegen Nichtigkeit durch das Rekursgericht war daher verfehlt.
Das Rekursgericht wird im fortzusetzenden Verfahren somit eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Begehren der Antragstellerin vorzunehmen haben.
Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang auf jene Rechtsprechung hinzuweisen, die bei Nichtanwendbarkeit des § 4 Abs 3 WEG die Durchsetzbarkeit von Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft für den Mieter eines Wohnungseigentümers von dessen wohnungseigentumsrechtlicher Position abhängig macht (5 Ob 243/05d MietSlg 58.216).
Spruchgemäß war daher mit einer Aufhebung vorzugehen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 2 WGG.
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