Spruch:
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Graz mit dem Auftrag zurückgeleitet, vorerst im Sinne des § 214 Abs 3 StPO über die Haft zu entscheiden.
Text
Gründe:
Mit Anklageschrift vom 12. Juli 2012 (ON 16 der Hv-Akten) legt die Staatsanwaltschaft Graz dem in Untersuchungshaft befindlichen Fevzi C***** ein als die Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1 und 2), das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (3) sowie das Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (4) beurteiltes Verhalten zur Last.
Danach ist er verdächtig,
(1) am 4. Juli 2012 in Graz Ilknur D***** dadurch, dass er sie an der Hand erfasste und sie aufforderte, „ruhig“ zu sein, sonst werde er sie „schlagen und umbringen“, sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper dazu genötigt zu haben, in einen Zug nach St. Pölten zu steigen;
(2) am 4. Juli 2012 während der Fahrt im Zug nach St. Pölten Ilknur D***** durch die Äußerung: „Ich töte dich, sei leise, sag keinem was, bleib still und ruhig“, sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich zum Schweigen gegenüber zwei kontrollierenden Polizeibeamten genötigt zu haben;
(3) am 5. Juli 2012 in St. Pölten Ilknur D***** durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Gewalt zur Duldung des vaginalen Beischlafs genötigt zu haben, indem er sie in einem Zimmer einer Pension einsperrte und den Schlüssel an sich nahm, ihr Schläge ins Gesicht versetzte, sie mehrmals zu Boden stieß, an den Haaren riss, an den Armen erfasste, auf ein Bett warf und entkleidete sowie den vaginalen Beischlaf bis zum Samenerguss an ihr vollzog;
(4) am 5. Juli 2012 in St. Pölten und in Wien Ilknur D***** dadurch die persönliche Freiheit entzogen zu haben, dass er ihr nach der in Anklagepunkt (3) beschriebenen Tat von etwa 01:30 Uhr bis 11:30 Uhr das Verlassen der Pension verbot und ihr erst (zu ergänzen [ON 16 S 6]: gegen 14:00 Uhr nach einer gemeinsamen Zugfahrt nach Wien) am Bahnhof Wien-Meidling die Rückfahrt nach Graz erlaubte.
Die Anklagebehörde beantragte - trotz des Tatorts zu (3) - die Anordnung der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz als Schöffengericht.
Nach Ablauf der Frist zur Erhebung eines Einspruchs gegen die Anklageschrift - ein solcher wurde nicht eingebracht - teilte der Vorsitzende des angerufenen Gerichts Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit den Oberlandesgericht Graz gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO mit. Mit Beschluss vom 9. August 2012, AZ 10 Ns 23/12f, sprach dieses aus, dass die Anklageschrift keinen Mangel im Sinne des § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO aufweise, und legte - da es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei - die Akten seinerseits gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz (iVm § 213 Abs 6 dritter Satz) StPO dem Obersten Gerichtshof vor (RIS-Justiz RS0124585), ohne jedoch über die (als entscheidungsbedürftig durchaus erkannte) Haftfrage entschieden zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Nach § 213 Abs 6 dritter Satz StPO gelten für eine gerichtliche Mitteilung nach § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO die Vorschriften über den Einspruch sinngemäß. Zu diesen zählt auch § 214 Abs 3 StPO, sodass das angerufene Oberlandesgericht (auch) aufgrund einer solchen Mitteilung von Amts wegen über die Haft zu entscheiden hat, wenn sich der Angeklagte - wie hier - in Untersuchungshaft befindet (Birklbauer/Mayrhofer, WK-StPO § 213 Rz 48 und § 214 Rz 7).
Diese (bislang unterbliebene) Prüfung wird daher - schon angesichts des gesetzlichen Auftrags, auf eine möglichst kurze Haftdauer hinzuwirken (§ 177 Abs 1 StPO) - von dem gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO angerufenen Oberlandesgericht Graz nachzuholen sein.
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