OGH 13Os64/12d

OGH13Os64/12d30.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert F***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Robert F***** und Stephan R***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Geschworenengericht vom 2. März 2012, GZ 37 Hv 111/11s-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Robert F***** und Stephan R***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen jeweils mehrerer Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach haben sie sich auf andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem

(1) Robert F***** und Stephan R***** im einverständlichen Zusammenwirken am 10. August 2009 in L***** beim Amt der ***** den Wahlvorschlag der wahlwerbenden Partei „N***** (N*****)“ zur oberösterreichischen Landtagswahl 2009 vorlegten und das Parteiprogramm der N***** bewarben,

(2) Stephan R***** überdies am 10. August 2009 in E***** einen Wahlvorschlag der wahlwerbenden Partei „N***** (N*****)“ zur Gemeinderatswahl der Stadtgemeinde E***** vorlegte und das Parteiprogramm der N***** bewarb,

wobei der inkriminierte Inhalt des Parteiprogramms sowie mehrerer Werbetexte und Werbeplakate im Urteilstenor wiedergegeben wurden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Robert F***** aus Z 4, 11 lit a und 13, von Stephan R***** aus Z 1 und 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert F*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wird das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 342 StPO) seiner Individualisierungsfunktion (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 9 f) sehr wohl gerecht, indem es die inkriminierten Inhalte des Parteiprogramms der N***** und der korrespondierenden Wahlwerbung wiedergibt (US 32 bis 41).

Weshalb der Umstand, dass zwar hinsichtlich der Einbringung des Wahlvorschlags, nicht jedoch bezüglich der einzelnen Werbeaktivitäten ein exaktes Datum und ein bestimmter Tatort genannt werden, hier - ausnahmsweise (RIS-Justiz RS0117498; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 14; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290) - die Individualisierung hindern soll, lässt die Beschwerde nicht erkennen.

Indem die Rechtsrüge (Z 11 lit a) einen Rechtsfehler mangels Feststellungen einwendet, ohne von der Gesamtheit des Wahrspruchs der Geschworenen auszugehen, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 613, 616).

Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO (iVm § 344 StPO) sei festgehalten, dass der Wahrspruch die inkriminierten Inhalte des Parteiprogramms und der Werbematerialien ausführlich wiedergibt (US 2 bis 11).

Die Bejahung des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ (dazu Lässig in WK² VG § 3g Rz 9 f) ist auf der Feststellungsebene angesiedelt und solcherart allein den Geschworenen zur Beantwortung vorbehalten, womit diesbezüglich eine Anfechtung mit Rechtsrüge ausscheidet (13 Os 28/04, SSt 2004/55; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 618).

Durch das Anführen einerseits der Vorlage des Parteiprogramms und andererseits der Durchführung von Wahlwerbung (US 2) bringt der Wahrspruch der Geschworenen zweifelsfrei eine Tatmehrheit zum Ausdruck. Hinzu kommt, dass durch die Formulierung „begleitend ... bewarb“ (US 2) darüber hinaus eine laufend wiederholte Wahlwerbetätigkeit hinreichend deutlich ausgedrückt wird.

Indem die Sanktionsrüge (Z 13, der Sache nach Z 11 lit a) die Verwirklichung einer Mehrheit von Verbrechen nach § 3g VG bestreitet, ohne von den bezeichneten (Tatwiederholung feststellenden) Passagen des Wahrspruchs auszugehen, verfehlt sie einmal mehr den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stephan R*****:

Der Einwand der Besetzungsrüge (Z 1), es sei „der Verteidigung nicht mitgeteilt“ worden, welche Laienrichter als Geschworene und welche (bloß) als Ersatzgeschworene am Verfahren teilnehmen, geht ins Leere, weil der Beschwerdeführer den angeblichen Besetzungsmangel nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 51) nicht bei deren Beginn geltend gemacht hat. Was sich während der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verteidigers (siehe hier ON 51 S 2) ereignet, ist nämlich jedenfalls in dessen Kenntnis gelangt und löst solcherart die in § 345 Abs 2 StPO normierte - sofortige - Rügeobliegenheit aus (13 Os 46/06y, SSt 2006/50; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 139).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass sich das angesprochene Vorbringen von der Aktenlage, wonach (bereits) am Beginn der Hauptverhandlung die Einteilung der Laienrichter in Geschworene und Ersatzgeschworene offengelegt worden ist (ON 51 S 3, vgl auch ON 51 S 2 sowie ON 52 S 2 und 3), entfernt.

Die Behauptung der Fragenrüge (Z 6), die Formulierung der Hauptfragen lasse eine Beantwortung mit „Nein“ nicht zu, ist nicht nachvollziehbar und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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