Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. April 2012, GZ 114 Hv 15/12d-36, verletzt §§ 494a, 495 Abs 2 StPO und § 55 Abs 3 StGB.
Der Ausspruch über die Verlängerung der Probezeit wird ersatzlos aufgehoben.
Text
Gründe:
Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. März 2012, GZ 71 Hv 43/12f-13, wurde Dominik K***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nach § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wurde.
Mit ebenso rechtskräftigem Urteil der Einzelrichterin desselben Gerichts vom 30. April 2012, GZ 114 Hv 15/12d-36, wurde der Genannte wegen - in der Zeit von 15. September bis 15. Oktober 2011 begangener Taten - des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und „unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB“ auf das erstgenannte Urteil zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe verurteilt, die ebenso unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit nach § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wurde. Unter einem sah die Einzelrichterin „gemäß § 53 Abs 2 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO“ vom „Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe zu der Verurteilung 071 E Hv 43/12f des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. März 2012“ ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) richtet sich nach § 495 Abs 2 StPO und nicht nach § 494a StPO (vgl RIS-Justiz RS0111521, Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 7), kommt also unter Gerichten - wie hier - gleicher Ordnung jenem zu, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und zuletzt rechtskräftig wurde. Das Landesgericht für Strafsachen Wien hätte demzufolge im Verfahren AZ 114 Hv 15/12d erst nach Rechtskraft des Urteils nichtöffentlich mit Beschluss über den Widerruf der zu AZ 71 Hv 43/12f desselben Gerichts gewährten bedingten Strafnachsicht zu entscheiden gehabt.
Wird bei nachträglicher Verurteilung nach § 31 StGB die im Vorurteil gewährte bedingte Nachsicht nicht widerrufen, so dauert jede der zusammentreffenden Probezeiten von Gesetzes wegen bis zum Ablauf der Probezeit, die zuletzt endet, jedoch nicht länger als fünf Jahre (§ 55 Abs 3 StGB; RIS-Justiz RS0091706); eine Probezeitverlängerung durch gerichtlichen Beschluss ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Diese Gesetzesverletzungen waren festzustellen (§ 290 fünfter Satz StPO). Der Ausspruch über die Verlängerung der Probezeit war zur Klarstellung zu beseitigen.
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