Spruch:
In der Medienrechtssache des Antragstellers Ernst P***** gegen die Antragsgegnerin M***** GmbH, AZ 93 Hv 38/11f, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2011, AZ 18 Bs 269/11g (ON 20), insoweit, als damit der Berufung des Antragstellers Ernst P***** nicht Folge gegeben wurde, § 15 Abs 5 MedienG.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache des Antragstellers Ernst P***** gegen die Antragsgegnerin M***** GmbH stellte der Antragsteller ‑ nachdem seinem außergerichtlichen Begehren auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung (§ 12 MedienG) nicht nachgekommen worden war ‑ beim Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 14 Abs 1 MedienG den Antrag auf Veröffentlichung nachstehender Gegendarstellung:
„Gegendarstellung:
Sie haben in ihrem periodischen Druckwerk 'M*****' vom 9. März 2011 auf Seite 28 in einem Artikel mit den Überschriften 'K***** P***** war Puff-Besitzer' und 'P***** an Gürtel‑Bar beteiligt' die Behauptungen ‑ zum Teil eines anderen Mediums ‑ wiedergegeben, dass Ernst Karl P***** in den 1990er Jahren mit einer Einlage von insgesamt 362.500 S (26.344 €) Mitgesellschafter der PE*****gesellschaft mit Sitz am L***** gewesen sei, die damals das Animierlokal 'A*****' betrieben habe, das 'von leichten Mädchen' frequentiert werde. 'Mit von der Gürtel‑Partie: Die illustren Könige der Unterwelt.'
Diese Behauptungen sind insoweit unwahr bzw in irreführender Weise unvollständig, als Ernst Karl P***** zwar Gesellschafter der PE*****gesellschaft mbH war, diese Anteile jedoch lediglich treuhändig für eine andere Person hielt. Er war weder mit der Führung dieser Gesellschaft betraut, noch kannte er seine Mitgesellschafter persönlich, noch war ihm bekannt, dass diese Gesellschaft angeblich ein 'Animierlokal' bzw ein Bordell betrieben haben soll.
Desweiteren haben Sie in diesem Artikel unter der Überschrift 'P*****s Vergangenheit im harten Faustkampf' die Behauptung eines anderen Mediums wiedergegeben, wonach Ernst Karl P***** eine 'Vergangenheit als Boxer' hätte.
Diese Behauptung ist unwahr: Ernst Karl P***** hat noch niemals geboxt oder irgendeine Art von Kampfsport betrieben.“
Unter einem begehrte der Antragsteller, der Antragsgegnerin gemäß § 18 Abs 1 MedienG die Zahlung einer Geldbuße aufzuerlegen (ON 1).
Die Antragsgegnerin M***** GmbH wendete dagegen im Wesentlichen ein, dass die „erste Antithese“ nicht kontradiktorisch und „das zweite Thesenpaar“ unerheblich (§ 11 Abs 1 Z 5 MedienG) sei, weil es für den Antragsteller belanglos sei, ob er den das Ansehen nicht mindernden Boxsport ausgeübt hat oder nicht. Zudem sei die begehrte Gegendarstellung im Umfang ihrer Antithesen unwahr (§ 11 Abs 1 Z 4 MedienG).
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. April 2011, GZ 93 Hv 38/11f‑10, wurden die Anträge des Antragstellers Ernst P***** gemäß § 17 Abs 1 letzter Satz MedienG unter Ausspruch seiner Kostenersatzpflicht abgewiesen.
Vom Erstgericht wurde ‑ zusammengefasst ‑ festgestellt, der durchschnittliche Leser verstehe den Artikel dahin, dass der Antragsteller in den 90er Jahren für kurze Zeit finanziell an der PE***** GmbH beteiligt war und eben dieses Unternehmen ein Bordell betrieb. Der Artikel hinterlasse beim Leser aber nicht den Eindruck, dass der Antragsteller Geschäftsführer der genannten Gesellschaft war oder dass er seine zwielichtigen Mitgesellschafter persönlich kannte; auch werde im Artikel nicht behauptet, dass der Antragsteller wusste, dass die PE***** GmbH ein Bordell betrieb. Zum Schluss des Artikels werde gemutmaßt, wie der Antragsteller als Immobilienunternehmer zu diesem doch „reizvollen“ unternehmerischen Engagement kam; dabei werde das Gerücht der Zeitschrift „b*****“ erwähnt, dass der Antragsteller vor längerer Zeit die Sportart Boxen ausgeübt haben soll und dadurch ‑ aufgrund der Nähe mancher Boxer zum Rotlichtmilieu ‑ zu dieser Unternehmensbeteiligung gekommen sei.
Die Erstrichterin begründete ihre abweisliche Entscheidung in Bezug auf den ersten Teil der begehrten Gegendarstellung damit, dass es dem Antragsteller nicht gelungen sei, dem festgestellten Sinngehalt des Artikels „informativ und kontradiktorisch entgegenzutreten“. Denn der wesentliche Punkt der Tatsachenmitteilung sei die indirekte finanzielle Beteiligung des Antragstellers in eigenem Namen an einem Bordell; dies werde in der ersten Antithese nicht bestritten. Ob die Investition treuhändig oder nicht erfolgte, betreffe bei einem Immobilienunternehmer eine Nebensächlichkeit. Die weiteren Teile der ersten Antithese, wonach der Antragsteller weder die Gesellschaft geführt noch seine Mitgesellschafter persönlich gekannt noch davon gewusst habe, dass die Gesellschaft angeblich ein „Animierlokal“ bzw ein Bordell betrieben haben soll, seien nicht kontradiktorisch zum Artikelinhalt.
In der zweiten These sei der relevante Sinngehalt des inkriminierten Artikels „nicht richtig bzw dem Leser verwirrend, weil nur in einzelnen Worten isoliert betrachtet, wiedergegeben“ worden, weshalb „konsequenterweise“ auch die zweite Antithese (wonach der Antragsteller nie eine Kampfsportart betrieben habe) „in sich sinnentleert, nicht aussagekräftig und für den Leser ohne Informationsgehalt“ sei.
Angemerkt wird, dass ‑ ersichtlich mit Blick auf die ohnehin abweisliche Entscheidung ‑ über den von der Antragsgegnerin erhobenen Einwand der Unwahrheit der Gegendarstellung (§ 11 Abs 1 Z 4 MedienG) nicht abgesprochen wurde.
Gegen dieses Urteil richtete sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 9 S 7 sowie ON 12), letztlich aber nur wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Kosten zur schriftlichen Ausführung gebrachte (ON 15) Berufung des Antragstellers.
Nach Ergänzung des Beweisverfahrens durch Verlesung des inkriminierten Artikels im periodischen Druckwerk „M*****“ vom 9. März 2011 sowie durch einverständliche Verlesung des im Verfahren AZ 113 Hv 40/11x des Landesgerichts für Strafsachen Wien aufgenommenen Hauptverhandlungsprotokolls (Protokoll über die Berufungsverhandlung ON 19 S 2) erkannte das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 5. Dezember 2011, AZ 18 Bs 269/11g (ON 20), dahin zu Recht, dass es in teilweiser Stattgebung der Berufung des Antragstellers wegen Schuld und Nichtigkeit das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in Bezug auf die Abweisung des zweiten Thesenpaars und des Kostenausspruchs aufhob und die insoweit beantragte Gegendarstellung anordnete. Im Übrigen wurde der Berufung ‑ implizit ‑ nicht Folge gegeben. Gemäß §§ 389 Abs 1, 390 Abs 1, 390a Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG wurden dem Antragsteller 80 % und der Antragsgegnerin 20 % der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz auferlegt.
Das Oberlandesgericht Wien stellte den Bedeutungsinhalt der inkriminierten Berichterstattung dahin fest, dass der Leser dem Artikel entnehme, dass der Antragsteller Mitte der 90er Jahre für zwei Jahre gemeinsam mit anderen Rotlicht-Größen Mitgesellschafter der PE***** GmbH war, die das Animierlokal „A*****“ betrieb. Dem Leser werde suggeriert, dass die genannte Bar von „leichten Mädchen und schweren Jungs“, sohin von Prostituierten sowie deren Freiern und Zuhältern frequentiert wurde und ein Bordell war. Der Leser erfahre, dass der Antragsteller über das genannte Unternehmen an dieser Bar mit einer Einlage von 26.344 Euro beteiligt war. Dem Rezipienten werde weiters mitgeteilt, dass der Verfasser des Artikels nicht wisse, wie P***** zu seinem schlüpfrigen Engagement als „Puff‑Besitzer“ gelangte, die „b*****“ jedoch dessen Vergangenheit als Boxer ins Spiel brachte. Solcherart werde suggeriert, dass P***** in früheren Jahren den Boxsport ausgeübt und dadurch auch „Rotlichtgrößen“ näher kennengelernt habe; durch das gemeinsam ausgeübte Hobby seien Bande geknüpft worden, sodass sich P***** in weiterer Folge gemeinsam mit seinen Trainingspartnern, den „Königen der Unterwelt“, an einer zwielichtigen Bar, über deren Geschäftszweig er somit auch informiert gewesen sei, finanziell beteiligt habe. Dem interessierten Leser werde vermittelt, dass der Antragsteller mit „Rotlichtgrößen“, sohin übel beleumundeten Personen gemeinsame Geschäfte betrieben habe.
Ausgehend vom nunmehr festgestellten Bedeutungsinhalt sprach das Berufungsgericht aus, dass die gänzliche Abweisung des Veröffentlichungsbegehrens hinsichtlich des ersten Thesenpaars im Ergebnis zu Recht erfolgt sei:
Es bejahte zwar ‑ implizit ‑ die Kontradiktion der Gegendarstellung in diesem Punkt; denn der Leser würde durch die erste Antithese (wonach P***** seine Anteile an der PE***** GmbH lediglich treuhändig für eine andere Person hielt, er die Geschäfte der Gesellschaft nicht führte, seine Mitgesellschafter nicht kannte und ihm überdies nicht bekannt war, dass die Gesellschaft angeblich eine Erotik-Bar bzw ein Bordell betrieben haben soll) umfassend darüber informiert, dass der Antragsteller nicht ‑ wie im inkriminierten Artikel unterstellt ‑ gemeinsam mit „illustren Königen der Unterwelt“ als „Puff‑Besitzer“ auftrat, sondern mit den Geschäften der genannten Gesellschaft nichts zu tun hatte.
Dennoch sah sich das Berufungsgericht ‑ wegen Verwirklichung des Ausschlussgrundes nach § 11 Abs 1 Z 4 MedienG ‑ außer Stande, die Information, dass der Antragsteller seine Mitgesellschafter nicht persönlich kannte und mit der Führung der Geschäfte der in Rede stehenden Gesellschaft nicht betraut war, zur Veröffentlichung aufzutragen, weil dieser Teil der Antithese ‑ wie das ergänzende Beweisverfahren ergeben habe ‑ unwahr sei. Denn der Antragsteller habe den (einzigen) Mitgesellschafter, Werner D***** bereits seit mindestens 35 Jahren gekannt und mit ihm am 16. März 1978 an einer Generalversammlung der PE***** GmbH teilgenommen. Da die Streichung dieser beiden nachweislich unwahren Textpassagen zu einer Änderung des Sinngehalts der Gegendarstellung geführt hätte, sei die gänzliche Abweisung des Veröffentlichungsbegehrens hinsichtlich dieses Thesenpaars durch das Erstgericht zu Recht erfolgt.
Hinsichtlich der zweiten Tatsachenmitteilung, wonach der Antragsteller „Ex‑Boxer“ sei, sprach das Berufungsgericht aus, dass die inkriminierte Behauptung für den Betroffenen mit Blick auf den ‑ oben wiedergegebenen ‑ Bedeutungsinhalt (wonach ‑ kurz gesagt ‑ der Antragsteller P***** durch das Boxen Kontakt zu Rotlichtgrößen geknüpft habe und auf diese Weise zu seinem Engagement in diesem Milieu gekommen sei) ‑ entgegen der insoweit verfehlten Einschätzung des Erstgerichts, wonach die in Rede stehende Mitteilung für sich sinnentleert, nicht aussagekräftig und für den Leser ohne Informationsgehalt sei ‑ gerade nicht belanglos sei, weshalb es insoweit in Stattgebung der Berufung die Gegendarstellung zur Veröffentlichung auftrug.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2011 insoweit, als damit der Berufung des Antragstellers nicht Folge gegeben wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach § 15 Abs 5 MedienG kann ein Urteil, welches das nach Erhebung von Einwendungen durchzuführende befristete Hauptverfahren abschließt, nur insoweit mit Berufung angefochten werden, als es nicht die Entscheidung über die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung betrifft. Durch diese Regelung soll im Hinblick auf § 15 Abs 4 MedienG jede Überschneidung mit dem keiner Befristung unterliegenden und auch neue Beweise zulassenden fortgesetzten Verfahren gemäß § 16 MedienG vermieden werden. Sinn und Zweck des § 15 Abs 5 MedienG entsprechend ist auch jede Veränderung und Ergänzung der Entscheidungsgrundlage durch das Berufungsgericht, etwa durch (neuerliche) Verlesung von Aktenstücken oder Vernehmung von Zeugen zum Thema der Wahrheit oder Unwahrheit der Gegendarstellung, ebenso unzulässig wie überhaupt jede vom Ersturteil abweichende Annahme des Berufungsgerichts zu diesem Thema. Wenn das Erstgericht ‑ wie hier ‑ über den Einwand der Unwahrheit gar nicht abgesprochen hat, ist demnach dem Berufungsgericht die Annahme der Unwahrheit der Gegendarstellung verwehrt (vgl 12 Os 36/07x, 15 Os 19/08w; Rami in WK² MedienG § 15 Rz 34).
Maßgeblich für das Rechtsinstitut des fortgesetzten Verfahrens ist, dass der bisweilen komplexen Frage der Unwahrheit der Gegendarstellung im befristeten Verfahren unter Umständen nicht jener Argumentations- und Entscheidungsaufwand gewidmet werden kann, der ihr bedeutungsgemäß zu garantieren ist. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts über die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung wird daher durch § 15 Abs 5 MedienG generell ausgeschlossen (12 Os 36/07x; Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG² § 15 Rz 12).
Die meritorische Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, in der es über die von der Antragsgegnerin eingewendete Unwahrheit der Gegendarstellung ‑ wenn auch nur in Bezug auf Teile der ersten Antithese ‑ absprach, verletzt demnach das Gesetz in der Bestimmung des § 15 Abs 5 MedienG.
Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung der Antragsgegnerin, die die Rechte der Angeklagten hat (§ 14 Abs 3 MedienG), aber nicht zum Nachteil gereicht, muss es mit ihrer bloßen Feststellung sein Bewenden haben.
Insoweit der Antragsteller im Rahmen seiner Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes eine (weitere) Gesetzesverletzung, jedoch durch das (nicht von der Wahrungsbeschwerde angefochtene) Ersturteil zu erkennen vermeint, ist darauf nicht näher einzugehen, weil die amtswegige Wahrnehmung von (materiell‑rechtlichen) Gesetzesverletzungen aus Anlass einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes auf solche der angefochtenen Entscheidung beschränkt ist (vgl Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 12, § 292 Rz 39; RIS‑Justiz RS0107360, RS0096667).
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