OGH 15Os70/12a

OGH15Os70/12a22.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Karlicek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mesut T***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 16. Dezember 2011, GZ 40 Hv 12/11i-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mesut T***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 29. Juli 2011 in N***** Sara F***** mit Gewalt zur Vornahme bzw Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie zunächst mit beiden Händen an den Armen packte und festhielt, sodass sie sich nicht losreißen konnte und anschließend mit einer Hand die Hand der Sara F***** zu seinem Penis führte, wodurch es zu einer kurzen Berührung über der Kleidung kam.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) sich auf die erstgerichtliche Feststellung bezieht, wonach Sara F***** dem Angeklagten zum WC folgte, weil dieser ihr zuvor ein Zeichen gegeben hatte, spricht sie keine entscheidende Tatsache an. Entscheidend ist eine Tatsache dann, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Entscheidungsgründen entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld oder Freispruch (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) oder - im Fall gerichtlicher Strafbarkeit - darüber beeinflusst, welche strafbare Handlung begründet werde (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).

Es ist unerheblich, ob „im zweiten Stock Eistee gelagert“ wurde, ob der Schichtleiter Sara F***** in den zweiten Stock schicken wollte oder sie von dort Material holen musste. Indem der Rechtsmittelwerber kritisiert, das Schöffengericht habe sich mit diesbezüglichen Widersprüchen in den Angaben der Zeugin F***** nicht auseinandergesetzt, bekämpft er nach Art einer - im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen - Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Es ist kein Begründungsmangel, wenn das Erstgericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt alle Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen sowie schlüssig und zureichend zu begründen, warum das Gericht von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegensprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS-Justiz RS0098377).

Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) weiters ausführt, aus der Art der Tatausführung wäre die auf Anwendung von Gewalt und die Vornahme einer geschlechtlichen Handlung gerichtete Absicht des Angeklagten nicht ableitbar, verkennt sie, dass der vom Erstgericht gezogene Schluss vom gezeigten Verhalten des Angeklagten auf das zu Grunde liegende Wollen und Wissen grundsätzlich zulässig und im vorliegenden Fall logisch und empirisch nicht zu beanstanden ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452, RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).

Die Spekulationen zu einer für andere Mitarbeiter bemerkbaren Atemnot des Opfers im Falle dessen tatsächlicher Flucht nach dem Übergriff richten sich neuerlich bloß gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung, ohne Nichtigkeit im Sinne der Z 5 darzustellen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält nicht an den die Gewaltanwendung durch den Angeklagten betreffenden Feststellungen fest und lässt demzufolge den Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt vermissen (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584): Sie vernachlässigt nämlich die Konstatierung der Tatrichter, wonach der Angeklagte Sara F***** mit beiden Händen an den Oberarmen festhielt und ihre Aufforderungen, sie loszulassen, ignorierte, mit seiner Hand die Hand der Sara F***** zu seinem „bekleideten“ Penis führte, während er sie mit der zweiten Hand weiter festhielt, sodass sie sich nicht losreißen konnte (US 2 ff).

Weiters kritisiert die Beschwerde die Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite als substanzlose Wiedergabe der verba legalia und erblickt darin einen Rechtsfehler mangels Feststellungen. Dabei verkennt sie, dass die Wiedergabe der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale mit ihrem Wortlaut dann als Sachverhaltsgrundlage ausreicht, wenn der erforderliche Tatsachenbezug gegeben ist (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8), und legt nicht dar, weshalb die in Rede stehenden Feststellungen, die sich im Übrigen keineswegs mit der bloßen Anführung der verba legalia begnügen, diesen Anforderungen nicht genügen sollten, stellten die Tatrichter doch fest, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, den entgegenstehenden und deutlich erklärten Willen von Sara F***** zu beugen, ihren Widerstand zu überwinden und sie mit Gewalt zur Duldung der von ihm „vorgenommenen“ geschlechtlichen Handlung zu nötigen (US 3).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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