OGH 11Os78/12y

OGH11Os78/12y21.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert L***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 11. April 2012, GZ 20 Hv 78/11a-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein Einziehungserkenntnis enthält, wurde Robert L***** zweier Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), sowie jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 erster Fall StGB (II), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und nach § 207 Abs 2 erster und zweiter Fall StGB (III, IV/A, IV/B), ferner jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (V/A und B sowie VI), der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (VII) sowie der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 StGB (VIII) schuldig erkannt.

Danach hat er in P*****

(I) von Frühjahr 2010 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt in mehreren Angriffen an nachstehenden unmündigen Personen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, wobei er diesen dabei teilweise pornographische Darstellungen (großteils) minderjähriger Personen in Form von Filmen zeigte, und zwar:

(1) mit der am 14. Dezember 2005 geborenen Sarah L*****, indem er an ihr Oralverkehr vornahm und sie auch dazu verleitete, Oralverkehr an ihm vorzunehmen, sie teilweise auch dazu aufforderte, ihre Hand auf seinen Penis zu legen und Auf- und Abbewegungen durchzuführen und mit einem Vibrator ihre Vagina und ihren Anus massierte, wobei eine der Taten ursächlich für eine an sich schwere Körperverletzung des Opfers war, die überdies eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung sowie „physische“ Beeinträchtigungen von größerem Ausmaß zur Folge hatte;

(2) mit dem am 25. Dezember 2002 geborenen Fabian L*****, indem er an ihm Oralverkehr vornahm und ihn auch dazu verleitete, Oralverkehr an ihm vorzunehmen und ihn teilweise auch zur gegenseitigen Masturbation aufforderte, wobei eine der Taten ursächlich für eine an sich schwere Körperverletzung des Opfers war, die überdies eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung sowie physische Beeinträchtigungen von größerem Ausmaß zur Folge hatte;

(II) von Frühjahr 2010 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt in mehreren Angriffen die am 14. Dezember 2005 geborene Sarah L***** und den am 25. Dezember 2002 geborenen Fabian L*****, mithin unmündige Personen, durch die Aufforderung, gegenseitig Oralverkehr vorzunehmen, zur Vornahme den Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen mit einer anderen Person verleitet;

(III) bei anderen als den zu (I) erfassten Anlässen (US 12, 30) von Frühjahr 2010 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt in mehreren Angriffen an nachstehenden unmündigen Personen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder an sich vornehmen lassen, wobei er den Genannten dabei teilweise pornographische Darstellungen (großteils) minderjähriger Personen in Form von Filmen zeigte, und zwar:

(A) mit der am 14. Dezember 2005 geborenen Sarah L*****, in dem er sie aufforderte, ihre Hand auf seinen Penis zu legen und Auf- und Abbewegungen durchzuführen, ihre Vagina streichelte und mit einem Vibrator ihre Vagina und ihren Anus massierte,

(B) mit dem am 25. Dezember 2002 geborenen Fabian L*****, in dem er ihn zur gegenseitigen Masturbation aufforderte,

(C) am 25. Jänner 2011 mit der am 1. November 2005 geborenen Angelina Z*****, nachdem er ihr zuvor pornographische Darstellungen minderjähriger Personen in Form von Filmen und Lichtbildern gezeigt hatte, sie anschließend aufforderte, ihre Hand auf seinen Penis zu legen und Auf- und Abbewegungen durchzuführen, sodann einen Oralverkehr an ihr vornahm und mit einem Vibrator ihre Vagina massierte;

(IV) im Zeitraum Frühjahr 2010 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt in mehreren Angriffen die am 14. Dezember 2005 geborene Sarah L***** und den am 25. Dezember 2002 geborenen Fabian L*****, mithin unmündige Personen,

(A) durch die Aufforderung, sich gegenseitig an den Genitalien zu berühren und zu streicheln, außer dem Fall des § 206 StGB zu geschlechtlichen Handlungen mit einer anderen Person verleitet,

(B) um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, durch die Aufforderung, sich selbst an den Genitalien zu berühren und zu streicheln, dazu verleitet, außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen, wobei Sarah L***** hiezu auch einen Vibrator verwendete und Fabian L***** angehalten wurde, zu masturbieren;

(V) von Frühjahr 2010 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt in mehreren Angriffen mit nachstehenden in absteigender Linie verwandten minderjährigen Personen geschlechtliche Handlungen vorgenommen, an sich vornehmen lassen oder, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen an sich selbst verleitet, und zwar:

(A) mit seiner am 14. Dezember 2005 geborenen Tochter Sarah L***** die unter I/1, II, III/A und IV geschilderten geschlechtlichen Handlungen,

(B) mit seinem am 25. Dezember 2002 geborenen Sohn Fabian L***** die unter Punkt I/2, II, III/B und IV geschilderten geschlechtlichen Handlungen;

(VI) am 25. Jänner 2011 mit der am 1. November 2005 geborenen Angelina Z*****, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung die unter Punkt I/A (gemeint: III/C) geschilderten geschlechtlichen Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen;

(VII) dadurch, dass er nachstehenden Personen pornographische Darstellungen (großteils) minderjähriger Personen in Form von Filmen zeigte, sie aufforderte, sich nackt auszuziehen und teilweise in ihrer Gegenwart masturbierte, Handlungen, die geeignet waren, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vorgenommen, um dadurch sich geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, und zwar:

(A) von Frühjahr 2010 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt in mehreren Angriffen gegenüber der am 14. Dezember 2005 geborenen Sarah L***** und dem am 25. Dezember 2002 geborenen Fabian L*****,

(B) in der Nacht zum 20. Dezember 2010 gegenüber der am 8. Oktober 2004 geborenen Emma P***** und der am 31. Mai 2006 geborenen Pia S*****;

(VIII) sich ab dem Jahr 2009 bis einschließlich Jänner 2011 pornographische Darstellungen (§ 207a Abs 4 StGB) von teils mündigen, teils unmündigen Minderjährigen in jeweils nicht mehr festzustellendem Ausmaß, auf denen wirklichkeitsnahe Abbildungen sowie bildliche Darstellungen, deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, es handle sich um solche wirklichkeitsnahe Abbildungen von geschlechtlichen Handlungen an Minderjährigen oder von Minderjährigen an sich selbst oder an anderen Personen, unter anderem auch an Erwachsenen, sowie Darstellungen, auf denen Minderjährige in aufreizend verzerrten Posen nackt mit Fokussierung auf das primäre Geschlechtsorgan abgebildet sind, insbesondere Darstellungen von Oral-, Anal- und Vaginalverkehr mit überwiegend weit unter vierzehn Jahre alten Minderjährigen, verschafft und besessen, in dem er die Videofilme und Bilder aus dem Internet bezog und abspeicherte, und zwar

(A) auf der Festplatte der Marke Seagate, S/N: 9VM-CG83M, insgesamt 581 Bilddateien,

(B) auf der Festplatte der Marke Western Digital S/N: WCAPT0117786, insgesamt 53 Bilddateien,

(C) auf insgesamt 41 DVDs und CDs rund 30.000 Bild- und Videodateien.

Die dagegen undifferenziert aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Die als Aufklärungsrüge (Z 5a) aufzufassende Kritik an unterbliebenen amtswegigen Erhebungen zur jeweiligen Häufigkeit der Nachtdienste der Zeugin Anita L***** sowie der Frühdienste des Angeklagten scheitert schon am fehlenden Vorbringen, der Beschwerdeführer sei an einer darauf abzielenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen (RIS-Justiz RS0115823). Im Übrigen spricht die Rüge mit der Behauptung, bei Durchführung der genannten Beweisaufnahmen würde sich die Anzahl der vom Erstgericht festgestellten zahlreichen Tatwiederholungen reduzieren, keine entscheidende Tatsache an. Der Wegfall einzelner im Sinn einer gleichartigen Verbrechensmenge nur pauschal individualisierter Taten stellt nämlich weder den Schuldspruch noch die Subsumtion in Frage (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33).

Soweit der Beschwerdeführer (neuerlich unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge - Z 5a) bemängelt, dass nicht „alle entscheidungswesentlichen Beweismittel“ für die Beurteilung der posttraumatischen Belastungsstörung der Zeugen Sarah und Fabian L***** beigeschafft wurden, genügt der Verweis auf die obigen Ausführungen.

Die (aus Z 5 erhobenen) Einwände gegen das von den Tatrichtern als schlüssig und nachvollziehbar erachtete (US 26 f) Gutachten der Sachverständigen Dr. V***** zum Vorliegen der genannten Tatfolge erschöpfen sich in einer bloßen Bekämpfung der Beweiswürdigung außerhalb des Anfechtungsrahmens des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes. Weshalb trotz der Urteilsannahmen, dass bei beiden Kindern rund neun Monate nach Beendigung der dafür ursächlichen sexuellen Übergriffe des Angeklagten eine posttraumatische Belastungsstörung sowie physische Beeinträchtigungen von größerem Ausmaß noch deutlich ausgeprägt vorlagen (US 15 f, 26 ff), Feststellungen zum Zeitpunkt des Auftretens der genannten Symptome sowie zum aktuellen Zustand der Kinder zu treffen gewesen wären, legt die weitere (der Sache nach auf Z 10 gestützte) Beschwerde nicht offen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt zum Einziehungserkenntnis anzumerken, dass § 26 Abs 1 StGB nur in Betracht kommt, wenn diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an, die in Ansehung der Datenträger (Festplatten), auf welchen das zu den Schuldsprüchen (VIII) inkriminierte pornographische Bildmaterial gespeichert war (vgl US 9 ff, 23), grundsätzlich zu bejahen ist (vgl RIS-Justiz RS0121298). In einem solchen Fall ist aber dem Berechtigten gemäß § 26 Abs 2 StGB angemessen Gelegenheit zu geben, diese besondere Beschaffenheit (vorliegend etwa durch Löschen dieser Daten) zu beseitigen (RIS-Justiz RS0121299; Ratz in WK2 § 26 Rz 15). Feststellungen dazu oder zu einer fehlenden Möglichkeit der Beseitigung enthält das Urteil nicht. Mit Blick auf das vom Angeklagten abgegebene Einverständnis zur Vernichtung sämtlicher Datenträger (ON 88 S 7) liegt jedoch ein Nachteil iSd § 290 Abs 1 StPO nicht vor (RIS-Justiz RS0088201 [T11]).

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