OGH 12Os54/12a

OGH12Os54/12a9.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Angrosch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ivan Z***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Februar 2012, GZ 31 Hv 129/11g-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Ivan Z***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt Ende Oktober oder Anfang November 2005 Monika S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an der Hand packte, ins Schlafzimmer zerrte, auf das Bett stieß, sie an beiden Händen festhielt und trotz ihrer heftigen Gegenwehr mit seinem Penis in die Scheide eindrang.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete und auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Behauptung der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 17. Februar 2012 gestellten Antrags auf Vernehmung der Milica L***** und des Ivan R***** zum Beweis dafür, dass „sie möglicherweise eigene Wahrnehmungen gemacht haben und ... Monika S***** ihnen das erzählt hat“ sowie dass Ivan R***** oft in der Wohnung des Angeklagten gemeinsam mit Monika S***** anwesend gewesen wäre (ON 28 S 8), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Einem Beweisantrag muss neben Beweismittel und Beweisthema stets zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330) und inwiefern dieses für die Schuldfrage und Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0118444). Vorliegend handelt es sich jedoch um einen im Hauptverfahren unzulässigen Erkundungsbeweis.

Die in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer Fundierung des Antrags unterliegen dem Neuerungsverbot und sind somit unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Inwiefern die erstgerichtliche Feststellung, wonach der Angeklagte die Hände der Monika S***** hinter dem Kopf gedrückt festhielt, sodass sie sich nicht wehren konnte, mit der weiteren Konstatierung, sie habe versucht, sich mit Schlägen und Tritten gegen den Angeklagten zu wehren, was ihr aber aufgrund der körperlichen Überlegenheit des Angeklagten nicht gelang (US 4), in Widerspruch (Z 5 dritter Fall) stehen sollte, bleibt offen. Im Übrigen bezieht sich das Vorbringen nicht auf einen Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).

Mit dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), Monika S***** habe vor der Polizei ausgesagt, aufgrund ihrer Schreie habe der Angeklagte letztendlich von ihr abgelassen, ohne Schläge oder Tritte zu erwähnen, während nach ihren Angaben bei der kontradiktorischen Vernehmung sie vergeblich versucht hätte, sich mit Händen und Füßen zu wehren, wurde ein Begründungsmangel im Sinn des angesprochenen formalen Nichtigkeitsgrundes nicht dargestellt. Dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend mussten die Tatrichter nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen (wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse) im Einzelnen erörtern und darauf untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen; das Erstgericht war nicht gehalten, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0098377; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem Hinweis auf die Aussage der Sanja S*****, sie habe ein Telefonat ihrer Tochter Monika S***** mit deren Freund über das Strafausmaß bei einer Vergewaltigung mitgehört, der Angeklagte sei dabei jedoch nicht bezichtigt worden, gelingt es jedenfalls nicht, beim Obersten Gerichtshof solche erhebliche Bedenken zu wecken.

Indem die Nichtigkeitsbeschwerde ausführt, das Schöffengericht hätte aus seiner Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung den genannten Freund der Monika S***** als Zeugen vernehmen sollen, verkennt sie, dass aus Z 5a Mängel der Sachverhaltsermittlung nur mit der Behauptung gerügt werden können, dass der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung (Z 4) gehindert war (RIS-Justiz RS0115823).

Ebenso wenig gelingt es, mit dem Verweis auf die vom erkennenden Gericht eingehend gewürdigten (US 7 f) Angaben der Zeugin Miroslavka B*****, ihre Enkeltochter Monika S***** habe ihr gegenüber angegeben, ihre Angaben betreffend den sexuellen Übergriff durch den Angeklagten wären unrichtig gewesen, erhebliche Bedenken im dargestellten Sinn zu wecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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