OGH 8Ob77/12z

OGH8Ob77/12z26.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S***** S*****, 2. E***** S*****, beide vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Radstadt, gegen die beklagte Partei A***** F*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek, Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 10.000 EUR samt Anhang), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. Mai 2012, GZ 22 R 473/11d-18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 4. Oktober 2011, GZ 5 C 730/07x-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 818,66 EUR (darin enthalten 136,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger begehren vom Beklagten die Unterlassung der Benützung des über ihr Grundstück führenden Teils einer von den Österreichischen Bundesforsten (ÖBF) errichteten und erhaltenen Straße.

Das Klagebegehren blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht führte aus, die Beklagten und deren Rechtsvorgänger hätten seit Errichtung der Straße davon Kenntnis, dass die ÖBF dem Beklagten und anderen Almbesitzern die Benützung der Straße gestattet haben und dagegen bis zum Jahr 2007 keine Einwendungen erhoben. In Kenntnis der von den betroffenen Almbesitzern getätigten erheblichen Investitionen in eine weiterführende Stichstraße wären die Kläger nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, der Weitergabe von Benützungsrechten an diesen Personenkreis unverzüglich entgegenzutreten. Aufgrund der festgestellten Umstände sei von einer konkludenten Zustimmung zu einer Erweiterung der Rechte der ÖBF dahin auszugehen, dass diese auch berechtigt seien, das Befahren der Forststraße durch Dritte zuzulassen bzw diesbezügliche Nutzungsberechtigungen einzuräumen.

Das Berufungsgericht erklärte auf Antrag der Kläger nachträglich die ordentliche Revision für zulässig, weil eine Stellungnahme des Höchstgerichts zur konkludenten Erweiterung von Dienstbarkeiten im Allgemeinen und zur Frage einer „doppelten Konkludenz“ eines Rechtserwerbs im Besonderen über den Einzelfall hinaus der Rechtssicherheit dienen könne.

Die vom Beklagten beantwortete Revision der Kläger macht zusammengefasst geltend, der von den Vorinstanzen angenommene Rechtsgrund einer Benützungsgestattung durch die ÖBF sei vom Beklagten im Verfahren überhaupt nicht geltend gemacht worden. Jedenfalls habe er nicht vorgebracht, dass ihm die ÖBF Benützungsrechte aufgrund einer schlüssigen Erweiterung ihres eigenen Dienstbarkeitsvertrags eingeräumt hätten. Bei der Annahme einer Beschränkung des Eigentumsrechts durch schlüssige Handlungen sei besondere Zurückhaltung geboten, um nicht die strengen Voraussetzungen der Ersitzung zu unterlaufen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil sich die als wesentlich bezeichneten Rechtsfragen im vorliegenden Verfahren in Wahrheit nicht stellen und auch die Revision selbst nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt (vgl 8 Ob 98/11m; RIS-Justiz RS0102181).

1. Der Beklagte hat sich bereits in seinem vorbereitenden Schriftsatz ausdrücklich darauf berufen, dass ihm die ausgeübten Benützungsrechte schriftlich von den ÖBF eingeräumt wurden. Die Revisionsausführungen gehen daher ins Leere, soweit sie die Erstattung eines entsprechenden Vorbringens in Abrede stellen. Unstrittig ist auch, dass die ÖBF aufgrund ihres Dienstbarkeitsvertrags mit den Klägern im Rahmen des Wirtschaftsbetriebs der örtlichen Forstverwaltung ausdrücklich berechtigt sind, Dritten das Befahren der gesamten Straße zu gestatten.

2. Das Begehren der Kläger ist lediglich auf Unterlassung der tatsächlichen Benützung der über ihre Liegenschaft führenden Straße durch den Beklagten gerichtet, sodass es für das rechtliche Ergebnis lediglich darauf ankommt, ob der Beklagte irgendeinen tauglichen Rechtsgrund für die strittige Benützung hat.

Eine zulässige Gestattung durch den Servitutsberechtigten reicht dafür aus. Die in Zulassungsausspruch und Revision für wesentlich erachtete Frage, ob dem Beklagten (auch) persönlich eine Servitut schlüssig eingeräumt wurde bzw die ÖBF diese Rechtsfolge zu Lasten der Kläger („doppelt konkludent“) bewirken konnten, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht.

3. Der Oberste Gerichtshof hat in der (Unterlassungansprüche der Kläger in Bezug auf den selben Weg betreffenden) Entscheidung 7 Ob 267/08b seine ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass Dienstbarkeiten zufolge § 480 ABGB auch vertraglich eingeräumt werden können und ein Dienstbarkeitsvertrag auch durch schlüssiges Verhalten im Sinn des § 863 ABGB zustande kommen kann (vgl auch Hofmann in Rummel I³ § 480 ABGB Rz 1; Kiendl-Wendner in Schwimann II³ § 480 ABGB Rz 2 jeweils mwN uva). Das Gleiche gilt schon aufgrund eines Größenschlusses für die Erweiterung des Umfangs einer ausdrücklich bestellten Servitut.

Ob tatsächlich eine konkludente Willenserklärung angenommen werden kann und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung, es sei denn, den Vorinstanzen wäre eine geradezu unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen (RIS-Justiz RS0043253 [T8]; RS0109021 [T6] ua).

Diese Voraussetzung vermag die Revision nicht darzulegen. Die Kläger und ihre Rechtsvorgänger haben nicht nur die jahrzehntelange, durch die ÖBF gestattete Wegbenützung durch den Beklagten und andere Almbesitzer gekannt, sondern insbesondere auch in Kenntnis der erheblichen Investitionen der Wegbenützer (in den Ausbau des weiterführenden Wegnetzes sowie die Errichtung einer Einschienenbahn) jahrzehntelang nicht beanstandet. Unter diesen besonderen Umständen des Falles ist in der Annahme einer entsprechenden konkludenten Erweiterung der eingeräumten Dienstbarkeit der ÖBF dahingehend, dass sie zur Gestattung dieser Benützungsrechte berechtigt waren, keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall zu korrigierende Fehlbeurteilung zu erblicken (vgl 7 Ob 267/08b).

Ob die ÖBF nicht schon allein aufgrund zulässiger Auslegung der ursprünglichen schriftlichen Dienstbarkeitsvereinbarung, die den Kreis möglicher weiterer Wegebenützer nicht taxativ aufzählt („etc.“), zur Gestattung der strittigen Rechte berechtigt wäre, kann dahingestellt bleiben.

4. Zu der in ihrer Revision erhobenen Behauptung einer mangelnden Vertretungsbefugnis auf Seiten der ÖBF zur schlüssigen Erweiterung ihrer vertraglichen Rechte haben die Kläger in erster Instanz kein Vorbringen erstattet, sodass die sich darauf stützenden Revisionsausführungen dem Neuerungsverbot zuwiderlaufen.

Zudem wäre von einem Anbot der ÖBF auf Ausweitung ihrer Gestattungsrechte (Vertragsschluss mit dem Beklagten) auszugehen und könnte lediglich der Zugang der schlüssigen Annahmeerklärung (also des jahrelangen qualifizierten Stillschweigens der Kläger) fraglich sein. Eine Unterlassung kann grundsätzlich nicht gegenüber bestimmten Personen erklärt werden. Eine Willenserklärung ist dem Empfänger nach herrschender Ansicht aber bereits dann zugegangen, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt, sodass er - bzw bei juristischen Personen seine vertretungsbefugten Organe - sich unter normalen Verhältnissen von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen kann (Apathy/Riedler in Schwimann³ § 862a ABGB Rz 3 mwN).

5. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte