OGH 12Os35/12g

OGH12Os35/12g26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Boban S***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 3. Februar 2012, GZ 39 Hv 164/11f-24, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Boban S***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er sich am 11. November 2011 in W***** Güter, die ihm als LKW-Fahrer der D***** Transporte von Verantwortlichen der W***** GmbH anvertraut worden waren, nämlich 380 Kartons (2.280 Flaschen zu je 0,7 Liter) Vodka im Gesamtwert von ca 23.000 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er sie nicht vereinbarungsgemäß ablieferte, sondern in sein Vermögen überführte bzw verbrachte.

Die gegen diesen Schuldspruch vom Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Dass das Erstgericht über die getroffene Konstatierung, der Angeklagte habe die Retourware nicht zurückgeliefert, sondern an einen unbekannten Ort verbracht und in sein Vermögen übergeführt (US 6), hinaus zu konkreten Feststellungen verpflichtet gewesen wäre, auf welche Art und Weise dies angesichts der örtlichen Verhältnisse und des kurzen zur Verfügung stehenden Zeitraums unbeobachtet hätte bewerkstelligt werden können und „was der Angeklagte mit dieser Vielzahl von Flaschen gemacht haben sollte, wo diese gelagert seien bzw wann er diese weiter verbracht hätte“, wird von der Mängelrüge (Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) bloß begründungslos unterstellt, nicht jedoch nachvollziehbar dargetan. Der Einwand ist daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Indem der Beschwerdeführer aus der Aussage des Zeugen Roman We***** zur Retournierung der beanstandeten Ware, der in der Folge zurückzulegenden Wegstrecke, auf der das Entladen einer derartigen Menge von Kartons mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte bemerkt werden müssen, dem zur Verfügung stehenden Zeitraum, der Prämisse, ihm sei keinerlei (technische) Hilfe zur Verfügung gestanden, 380 Kartons mit 2.280 Flaschen zu entladen, die er mangels vorangehenden Wissens, dass Retourware anfallen würde, auch nicht hätte organisieren können, sowie der Behauptung, keiner der vernommenen Zeugen habe eine körperliche Anstrengung bei ihm bemerkt, im Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen seine Täterschaft bestreitet und demgegenüber behauptet, auf dem Firmengelände der W***** GmbH hätte für andere sehr wohl die technische Möglichkeit bestanden, die Paletten abzuladen und zu verbringen, verfehlt er den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Vielmehr bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Der Einwand, die Unauffindbarkeit der Tachographenscheiben hätte sich nicht zu seinem Nachteil auswirken dürfen, ist nicht nachvollziehbar, hat das Erstgericht doch lediglich darauf hingewiesen, eine Überprüfung seiner Angaben anhand dieser Aufzeichnungen sei nicht möglich gewesen (US 10).

Nicht am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) orientiert ist das ohne Angabe der Fundstelle (RIS-Justiz RS0124172) erstattete Vorbringen (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe sich mit nicht näher bezeichneten Beweisergebnissen und Zeugenaussagen nicht auseinandergesetzt.

Soweit die Rüge aus selektiv herausgegriffenen, aus dem Kontext gelösten und zum Teil unrichtig wiedergegebenen Details der Aussage des Zeugen Andreas Sp***** andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse zieht als das Schöffengericht, kritisiert sie neuerlich unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung. Dass es das Erstgericht unter Zugrundelegung der Angaben dieses Zeugen ausschließen konnte, jemand anderer könnte in der Zeit zwischen dem Abstellen des LKW durch den Angeklagten und dem Abladen der Leerpaletten durch den genannten Zeugen die Retourware verbracht haben (US 12), ist demgegenüber aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Das Erstgericht hat - auch unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen Patrick M***** und Sp***** - zureichend dargelegt, weshalb die Angaben des Zeugen Dejan B***** zur üblichen Vorgangsweise im Falle von Retourware nachvollziehbar und plausibel, die Verantwortung des Angeklagten hingegen als Schutzbehauptung zu werten sei (US 8 f, 11 f); welcher weiterer Feststellungen (gemeint wohl Erörterungen) es in diesem Zusammenhang bedurft hätte, legt die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) nicht dar. Indem die Mängelrüge die tatrichterlichen Erwägungen hiezu darüber hinaus überhaupt in Frage stellt, verlässt sie den Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes.

Dass der Beschwerdeführer ein regelmäßiges Einkommen bezog und vom Zeugen B***** als sehr gewissenhafter Arbeiter, für den er die Hand ins Feuer gelegt hätte, bezeichnet wurde, betrifft weder eine entscheidende noch eine erhebliche Tatsache (zu den Begriffen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff, 409 ff) und war demgemäß nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall).

Der Vorwurf, das Erstgericht hätte auch leicht feststellen können, dass das Handy des Angeklagten tatsächlich kaputt gewesen sei, vernachlässigt ebenfalls den Anfechtungsrahmen, zumal unterlassene Beweisaufnahmen kein Gegenstand der Mängelrüge sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 457).

Schließlich stellt die Beschwerde neuerlich eigenständige Beweiswerterwägungen zum Nachtatverhalten des Angeklagten den entsprechenden, insbesondere auf die Aussage des Zeugen B***** gegründeten eingehenden Erwägungen der Tatrichter (US 13 bis 15) gegenüber, ohne damit einen Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Wege spekulativer Überlegungen das Vorliegen der konstatierten (US 7), auch auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des veruntreuten Guts gerichteten subjektiven Tatseite bestreitet, orientiert sie sich nicht am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584) und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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