OGH 4Ob86/12v

OGH4Ob86/12v12.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache des N***** M*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, 1., 4. bis 9. Bezirk, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters D***** M*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Februar 2012, GZ 43 R 64/12y-12, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung eines einstweiligen Unterhalts von monatlich 112,70 EUR ab 12. Dezember 2011.

Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zugelassen werde, weil Rechtsfragen „der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualifikation“ nicht vorlägen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Vater ein als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnetes Rechtsmittel mit dem Antrag, den Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass der erstinstanzliche Beschluss aufgehoben und die Pflegschaftssache zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückverwiesen werde. Er behauptet das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG.

Das Erstgericht legte das Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht dem Gesetz.

Gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO sind auf den Revisionsrekurs im vorliegenden Fall die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden. Die Ermittlung des Werts des Entscheidungsgegenstands hat sich nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften der Jurisdiktionsnorm zu richten (§ 528 Abs 3 iVm § 500 Abs 3 ZPO). Gemäß § 58 JN ist ein Anspruch auf laufenden Unterhalt mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten (RIS‑Justiz RS0103147, RS0122735).

Der Wert des Entscheidungsgegenstands im Rekursverfahren (strittiger monatlicher Unterhalt 112,70 EUR) betrug daher 4.057,20 EUR.

Nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt, es sei denn, es handelt sich um Streitigkeiten nach § 502 Abs 4 oder 5 ZPO. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ist der Revisionsrekurs ‑ vorbehaltlich des Abs 2a ‑ in familienrechtlichen Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN jedenfalls unzulässig, in denen der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 4 ZPO), wenn das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Die absolute Untergrenze für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses von (nunmehr) 5.000 EUR gilt daher nicht, wenn es sich um eine der in § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten handelt.

In der nunmehr geltenden Fassung nimmt aber § 49 Abs 2 Z 2 JN gerade Unterhaltsstreitigkeiten zwischen Eltern und Kindern aus seinem Geltungsbereich aus, sollen diese doch nunmehr im Außerstreitverfahren ausgetragen werden (3 Ob 138/08b mwN). Infolge des Inkrafttretens des AußStrG nF wurde § 49 JN mit dem BGBl I 128/2004 dahin abgeändert, dass als Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts in Verfahren in Streitsachen (unter anderem) Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt mit Ausnahme der Angelegenheiten des gesetzlichen Unterhalts zwischen in gerader Linie verwandten Personen aufgezählt sind. Letztere Unterhaltsstreitigkeiten sind im außerstreitigen Verfahren zu führen. Aus den Materialien (RV 225 BlgNR 22. GP 8) ergibt sich, dass § 49 Abs 2 Z 2 JN neu zu fassen war, weil Angelegenheiten des gesetzlichen Unterhalts zwischen in gerader Linie verwandten Personen aus dem streitigen Rechtsweg ausscheiden. Aus der Regierungsvorlage geht hervor, dass die Änderungen sowohl in § 502 als auch in § 528 ZPO Folge der Neufassung des § 49 JN seien und der Anpassung und der Verweisung dienen. Inhaltliche Änderungen seien damit nicht verbunden (RV aaO 12 zu den Z 9 und 10 [§§ 502, 528 ZPO]).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in Ansehung von Oppositionsstreitigkeiten, die unbestritten auch weiterhin im streitigen Verfahren abzuführen sind, entschieden, dass der Satzteil „mit Ausnahme der Angelegenheiten des gesetzlichen Unterhalts zwischen in gerader Linie verwandten Personen“ in § 49 Abs 2 Z 2 JN lediglich zum Ausdruck bringen soll, dass zwischen diesen Personen geführte Unterhaltsstreitigkeiten seit Inkrafttreten des neuen AußStrG nunmehr zur Gänze ins außerstreitige Verfahren gehören. Für die Revisionszulässigkeit soll sich im Vergleich zur bisherigen Rechtslage kein Unterschied ergeben: Gemäß § 502 Abs 4 ZPO ist in den in § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten ‑ also auch in Streitigkeiten in Angelegenheiten des gesetzlichen Unterhalts zwischen in gerader Linie verwandten Personen ‑ die Revision (außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO) jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat (3 Ob 138/08w). Genauso wie für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit in Oppositionsstreitigkeiten ist auch für die Gewährung einstweiligen Unterhalts eine Differenzierung zwischen den Unterhaltsansprüchen von Ehegatten und Kindern zu vermeiden.

Wenn ‑ wie hier ‑ der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, ist kein außerordentlicher Revisionsrekurs zulässig (§ 528 Abs 3 ZPO), sondern ist nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO im Wege eines mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundenen Abänderungsantrags beim Rekursgericht Abhilfe zu suchen (RIS‑Justiz RS0109623, RS0005912).

Ob der Rechtsmittelschriftsatz der Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (vgl RIS‑Justiz RS0109501).

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