Spruch:
In der Strafsache gegen Güner G***** verletzt das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 15. Februar 2012, GZ 62 Hv 55/11s-17, im Schuldspruch 2./ das Gesetz in § 4 Abs 3 StPO und § 267 iVm § 488 Abs 1 StPO.
Das Urteil wird im Schuldspruch 2./ (ersatzlos) demgemäß auch im Straufausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Für das Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB wird Güner G***** nach § 288 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
Mit Strafantrag vom 30. November 2011 (ON 15) legte die Staatsanwaltschaft Salzburg Güner G***** zur Last, im Verfahren gegen Murat Y***** als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt zu haben, und zwar entweder
1./ am 5. März 2010 im Ermittlungsverfahren vor dem Landespolizeikommando Salzburg oder
2./ am 1. Oktober 2010 vor dem Landesgericht Salzburg.
Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil vom 15. Februar 2012 (ON 17) wurde Güner G***** sowohl des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 4 StGB (1./) als auch des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Bei der Strafzumessung wurden der bisher ordentliche Lebenswandel als mildernd und zwei strafbare Handlungen der gleichen schädlichen Neigung als erschwerend berücksichtigt.
Inhaltlich des - mit dem Tenor des allerdings alternativ erhobenen Strafantrags wörtlich übereinstimmenden - Schuldspruchs hat Güner G***** als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache „falsch“ ausgesagt, und zwar
1./ am 5. März 2010 im Ermittlungsverfahren vor dem Landespolizeikommando Salzburg durch die Behauptung „Ich habe in der Folge Y***** die 4.600 Euro in bar übergeben und einen Tag später habe ich das Auto auf meinen Namen angemeldet. Der Kauf wurde nur mündlich gemacht. Murat Y***** hat das Auto dann auch tatsächlich zurückgenommen, auf die versprochene Rückgabe des Geldes hat er aber nur 500 Euro bezahlt. 4.100 Euro sind nach wie vor offen. Den ausstehenden Betrag hat er bisher nicht bezahlt. Ich hab daher immer noch eine offene Forderung gegen Murat Y***** über 4.100 Euro“ und
2./ am 1. Oktober 2010 vor dem Landesgericht Salzburg in der Hauptverhandlung durch die Behauptung „Einen Kaufvertrag gibt es, ich weiß aber nicht wo sich dieser derzeit befindet. Der Angeklagte habe Schulden bei ihr gehabt ca 4.000 bis 5.000 Euro. Der Angeklagte habe das Auto für die Tilgung der Schulden übergeben und dann wieder zurückgegeben. Der Angeklagte habe Schulden bei ihr gehabt, die er nicht bezahlt habe und dafür habe er ihr den Wagen gegeben. Tatsächlich habe er ihn nicht in bar abgekauft sondern als Ausgleich für die Schulden. Nein, der Angeklagte hat keine Schulden mehr bei mir, ich habe keinen Schaden von 3.500 Euro erlitten. Wenn er seine Schulden nicht bezahlt hätte, hätte ich ihm das Auto nicht zurückgegeben. Er hat in zwei Raten gezahlt, eine war am 1. April 2009. Ich habe keine Forderung gegen Murat Y*****.“
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Die wesentlichen Depositionen der im Strafverfahren gegen Murat Y***** zweimal als Zeugin vernommenen Güner G***** stehen in Bezug auf Geldfluss, Grund der Übergabe des Fahrzeugs und Bestehen oder Nichtbestehen offener Forderungen in einem unauflöslichen Widerspruch.
Die Anklage determiniert den Prozessgegenstand, lediglich dieser ist durch Urteil zu erledigen. Der gemäß § 488 Abs 1 StPO auch im Verfahren vor dem Einzelrichter anzuwendende § 267 StPO statuiert die Bindung des Strafgerichts an die Verfolgungsanträge des Anklägers (Lewisch, WK-StPO § 267 Rz 1).
Gemäß § 267 StPO darf das Gericht den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde (§ 4 Abs 3 StPO). Mit Blick auf den in der gekürzten Urteilsausfertigung hergestellten Bezug zum Strafantrag vom 30. November 2011 ist von einem in der Hauptverhandlung unverändert gebliebenen Anklagevorwurf auszugehen.
Stellt die Staatsanwaltschaft - wie vorliegend - ein zwei Taten im materiellen Sinn erfassendes Gesamtgeschehen alternativ unter Anklage („entweder“ „oder“), wird von dieser nur hinsichtlich einer der Handlungen ein Verfolgungswille zum Ausdruck gebracht (vgl Birklbauer/Mayrhofer, WK-StPO § 211 Rz 41). Nach Auffassung des Anklägers hat Güner G***** entweder vor dem Landespolizeikommando Salzburg oder in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Salzburg eine Falschaussage getätigt.
Eine derartige Alternativanklage wird - außer durch Freispruch - bereits durch Schuldspruch wegen einer der beiden Varianten erledigt. Ein zusätzlicher (solcherart Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 8 StPO begründender) Schuldspruch auch wegen der anderen Alternative überschreitet die Anklage (RIS-Justiz RS0095299, RS0097717, RS0097711; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502 ff, 534).
Demzufolge verletzt der weitere Schuldspruch der Güner G***** zu 2./ das Gesetz in den Bestimmungen der § 4 Abs 3 StPO, § 267 iVm § 488 Abs 1 StPO.
Da sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil der Verurteilten auswirken, war deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit der aus dem Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verknüpfen.
Bei der erforderlichen Strafneubemessung war als erschwerend kein Umstand, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel zu gewichten.
Aufgrund dieser Strafzumessungsgründe erscheint dem Obersten Gerichtshof die verhängte Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen.
Die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe war schon aufgrund von § 290 Abs 2 iVm § 292 letzter Satz StPO auszusprechen.
Bleibt anzumerken, dass der Lauf der Probezeit bereits mit Rechtskraft des in Beschwerde gezogenen Urteils in Gang gesetzt und dieser durch die Maßnahme gemäß § 292 StPO nicht berührt wurde.
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