OGH 11Os28/12w

OGH11Os28/12w19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Einberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Murat G***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Murat G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 5. August 2011, GZ 46 Hv 50/11t-162, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Einziehung von „Suchtgiftutensilien“ aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Murat G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen gegen den Angeklagten Jürgen B***** ergangenen rechtskräftigen Schuldspruch nach dem SMG sowie ein beide Angeklagte betreffendes Einziehungserkenntnis enthält (US 5), wurde - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz - Murat G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 (richtig:) fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I/1) sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (II/1) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (II/2) schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst wiedergegeben) in Wiener Neustadt und an anderen Orten

(I/1) von Anfang 2008 bis 24. Jänner 2011 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 16.930 Gramm Heroin/Monoacetylmorphin mit einem Reinsubstanzgehalt von 507,9 Gramm teils durch Schenkung, überwiegend jedoch durch gewinnbringenden Verkauf anderen überlassen;

(II/1) am 25. Jänner 2011 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 109,3 Gramm Heroin/Monoacetylmorphin mit einem Reinsubstanzgehalt von 3,81 Gramm mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde;

(II/2) im Juli 2009 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte des AMS durch Täuschung über Tatsachen, indem er trotz seiner illegalen Erwerbstätigkeit in Ansehung der zu I/1 beschriebenen Straftaten sowie seiner den Lebensbedarf bei weitem übersteigenden Einkünfte vorgab, die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, zur Auszahlung von Sozialleistungen in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag verleitet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Murat G***** verfehlt ihr Ziel.

Soweit die ohne Einschränkung angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde auch die Schuldsprüche II/1 und 2 umfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d, 285a Z 2 StPO).

Mit der gegen den Schuldspruch I/1 gerichteten, sowohl mit Mängel- (Z 5) als auch mit Tatsachenrüge (Z 5a) erhobenen Kritik, bei „entsprechender Würdigung“ der jeweiligen Aussagen der vernommenen Zeugen und des Angeklagten Jürgen B***** wäre das Erstgericht zu „wesentlich geringeren Mengenangaben gelangt“, spricht der Beschwerdeführer - indem er solcherart die (mehrfache) Überschreitung der in § 28a Abs 4 Z 3 SMG normierten Suchtgiftmenge gar nicht in Frage stellt - keine entscheidenden Tatsachen an. Im Übrigen wendet er sich mit bloß eigenständiger Bewertung der Verfahrensergebnisse gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Dass der Schöffensenat seine Urteilsannahmen auf die Mengenangaben der vernommenen Personen vor der Polizei und nicht auf deren abschwächenden Depositionen in der Hauptverhandlung stützte (US 14 bis 21), ist - wie der Vollständigkeit halber zu bemerken ist - unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Wie die Generalprokuratur zutreffend betont, blieb ungerügt, dass es hinsichtlich des - beide Angeklagte betreffenden - Ausspruchs über die Einziehung nicht näher bezeichneter „Suchtgiftutensilien“ (US 5) an Urteilsannahmen zur Beurteilung der von § 26 Abs 1 StGB als Voraussetzung einer solchen Maßnahme genannten besonderen Beschaffenheit der Gegenstände (RIS-Justiz RS0121298) fehlt. Diese materiell-rechtliche Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) war von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster und zweiter Fall StPO). In Anbetracht der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Wiener Neustadt für die demgemäß vorbehaltene (vgl § 443 Abs 2 StPO), gesondert zu treffende Entscheidung über den Antrag auf Einziehung (§§ 445 Abs 3, 445a StPO) war mit Verweisung an dieses Gericht vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Satz StPO; Tipold, WK-StPO § 443 Rz 98 ff; vgl RIS-Justiz RS0100318, RS0100271).

Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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