OGH 11Os37/12v

OGH11Os37/12v19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Einberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ali M***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 3. November 2011, GZ 14 Hv 133/11h-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im freisprechenden Teil unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie imAdhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von einem weiteren Vorwurf einer solchen sexuellen Missbrauchshandlung enthält, wurde Ali M***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (A) und zweier Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz

(A) „wehrlose Personen unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihnen eine geschlechtliche Handlung vorgenommen hat, indem er

(1) nachts zum 06. 02. 2011 an Melina H***** den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;

(2) nachts zum 30. 04. 2011 an Anna G***** den vaginalen und analen Geschlechtsverkehr vollzog;

(B) im März 2011 vorschriftswidrig Suchtgift der am 19. 11. 1995 geborenen Enya R***** und am 29. 04. 2011 der am 16. 11. 1995 geborenen Anna G***** in Kenntnis ihrer Minderjährigkeit in Form von Cannabiskraut zum Konsum überlassen“, (zu ergänzen - US 4, 5:) wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als die beiden Minderjährigen war.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Recht.

Das Erstgericht stützte die Wehrlosigkeit der Melina H***** (A/1) allein auf deren Alkoholkonsum („mehrere Biere und zwei Glas Whiskey“ - US 8) und jene der Anna G***** (A/2) auf eine Beeinträchtigung durch Alkohol und Cannabis (US 4, 5, 10), während es eine Bewusstseinstrübung der - im Übrigen als glaubwürdig erachteten (US 9 f) - Tatopfer durch sonstige chemikalische Substanzen nicht festzustellen vermochte (US 4, 5). Weiters konstatierten die Tatrichter (US 4 f), dass der Angeklagte Anna G***** Cannabis zum Konsum überließ (B).

Wie die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zutreffend einwendet, blieben diesen Annahmen entgegen stehende, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt. Denn Melina H***** deponierte dort, an Alkohol gewöhnt zu sein, weshalb die Wirkung, die sie an diesem Abend verspürt habe, keinesfalls vom Alkohol herrühren habe können (ON 55/S 22). Anna G***** gab wiederum an, dass sie vielleicht zwei oder drei Gläser Whisky getrunken habe, sie sei es gewohnt gewesen, Alkohol zu trinken; sie habe zur Tatzeit kein Cannabis konsumiert und vom Angeklagten nie Marihuana erhalten (ON 55/S 26 f). Schließlich blieb ohne Erwähnung in den Urteilsgründen, dass die am Morgen nach der zu A/2 abgeurteilten Tat bei dieser Zeugin durchgeführte Harn- und Plasmauntersuchung einen negativen Befund hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Suchtgiften ergab (ON 18/S 2, ON 56, ON 63/S 2).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - die Schuldsprüche A/1 und 2 sowie der wegen des Überlassens von Suchtgift an die minderjährige Anna G***** erfolgte Schuldspruch (B) bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) zu kassieren. Mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 Abs 2, 37 SMG war nach Lage des konkreten Falls auch der weitere (zu B erfolgte) Schuldspruch wegen Überlassens von Suchtgift an die minderjährige Enya R***** aufzuheben (RIS-Justiz RS0119278).

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers.

Stichworte