Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch A./ umfassten Einbruchsdiebstähle (auch) unter § 130 zweiter Fall StGB sowie im Schuldspruch B./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und dem Verfallserkenntnis aufgehoben und in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ivan P***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, 15 Abs 1 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er - zusammengefasst wiedergegeben - in W***** und an anderen Orten mit den abgesondert verfolgten Marko D***** und Stanko V***** als Mittäter
A./ gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung anderen fremde bewegliche Sachen im Wert von über 50.000 Euro durch Einbruch mit auf unrechtsmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
I./ weggenommen, und zwar
1./ am 30. November 2010 Liliana T***** eine Uhr im Wert von 150 Euro, Schmuck im Gesamtwert von 3.003,90 Euro, einen Zylinderschlüssel im Wert von 40 Euro und Bargeld in der Höhe von 4.000 Euro;
2./ am 27. November 2010 Christian L***** Schmuck im Wert von 22.969,10 Euro, Uhren, Taschen, Kleidungsstücke, Mobiltelefone, ein Mac-Book samt Akku-Ladegerät und Bargeld, insgesamt Gegenstände im Gesamtwert von zumindest 27.834 Euro;
3./ zwischen 27. Dezember 2010 und 4. Jänner 2011 Dr. Sascha J***** Schmuck im Wert von circa 5.000 Euro;
4./ am 5. Jänner 2011 Kurt St***** circa 400 Euro Bargeld und einen Laptop, insgesamt Gegenstände im Gesamtwert von circa 1.450 Euro;
5./ am 5. Jänner 2011 Ingrid Li***** ingesamt 250 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von 3.550 Euro;
6./ am 5. Jänner 2011 Klaus O***** zwei Laptops, eine Funkmaus, einen Internet-USB-Stick, eine Armani-Damenarmbanduhr sowie Schmuck, insgesamt Gegenstände im Gesamtwert von circa 3.000 Euro;
7./ am 9. Jänner 2011 Dorit M***** zumindest 2.000 Euro und circa 500 USD Bargeld sowie Schmuck, insgesamt Gegenstände im Wert von circa 5.000 Euro;
II./ wegzunehmen versucht, und zwar
1./ am 4. Jänner 2011 Hildegard La*****;
2./ am 8. Jänner 2011 Petra G*****;
3./ am 10. Jänner 2011 Irene W*****;
B./ seit 5. Jänner 2011 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, indem er das anlässlich der unter Pkt A./I./5./ beschriebenen Tat erbeutete Sparbuch der Ingrid Li***** an einen unbekannten Ort verbrachte.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit der auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Soweit sich die Verfahrensrüge (Z 4) auf die Abweisung (ON 140 S 21 f) des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie bezieht, scheitert sie am Fehlen entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung.
Nur Beweisanträge, die während der Hauptverhandlung gestellt wurden, können nämlich Grundlage einer Verfahrensrüge sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzungen nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt wurden. Eine bloße Verlesung (durch das Gericht) ersetzt die Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht. Das gilt auch, wenn sich das Gericht - demnach überflüssig - in einem Zwischenerkenntnis mit dem in den Schriftsätzen enthaltenen Beweisanträgen auseinandersetzte (RIS-Justiz RS0099099 [insb T8, T11], RS0099178, RS0099511).
Jene in einem Schriftsatz enthaltenen Anträge (ON 123) wurden aber in der Hauptverhandlung nicht wiederholt oder vorgetragen (ON 126, ON 140). Die Erklärung des Angeklagten, „sämtliche bisher gestellten Beweisanträge, insbesondere jene, die im Beweisantrag, schriftlich gestellt“ wurden, aufrecht zu erhalten (ON 140 S 20) genügt nicht.
Durch die Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten (ON 140 S 20) Antrags auf Vernehmung des Ermittlungsbeamten Wolfgang K***** zum Beweis dafür „dass er unmittelbar wahrgenommen hat, dass ... der Angeklagte während der gesamten Einvernahme die Handschellen angelegt hatte“ und ihm die „Verrichtung der Notdurft“ verweigert wurde, weswegen er diese „in die Hose verrichten musste“ wurden Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt, weil diesem Antrag nicht zu entnehmen war, weshalb dieses Beweisthema für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage relevant sein sollte (RIS-Justiz RS0118444). Auch das Begehren um Vernehmung der Zeugen Mag. Blago Vu***** und Mag. Martina Mi***** ließ diese gebotene Darlegung vermissen.
Auch die Abweisung (ON 140 S 21) des in der Hauptverhandlung am 5. August 2011 (ON 126 S 25) gestellten Antrags auf Vernehmung des Bruders des Angeklagten, Alexander P***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte seit einem Verkehrsunfall geistig beeinträchtigt sei und an massiven Augen- und Kopfproblemen sowie Erbrechen leide, verletzte Verteidigungsrechte nicht, weil das Vorliegen einer der von § 11 StGB bezeichneten Zustände nicht behauptet wurde.
Insoweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) den beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts zu allen Schuldspruchpunkten bloß entgegensetzt, dass dessen Schlüsse zur Anwesenheit des Angeklagten an Tatorten, der Verwendung eines bestimmten Mobiltelefons und dem Fehlen objektivierbarer Spuren nicht zwingend wären, macht sie kein Begründungsdefizit geltend (RIS-Justiz RS0099455). Sie richtet sich vielmehr bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld gegen die Beweiswürdigung, indem sie auch die Gesamtheit der Entscheidungsgründe vernachlässigt (RIS-Justiz RS0119370).
Auch der gegen Schuldspruch B./ erhobene Vorwurf der Undeutlichkeit geht fehl, weil eine solche nur vorliegt, wenn - nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, somit sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS-Justiz RS0117995, RS0089983).
Vorliegend wurde die Vinkulierung des Sparbuchs gerade nicht festgestellt (US 8), sodass - unabhängig von der Richtigkeit der rechtlichen Konsequenz - Undeutlichkeit nicht vorliegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393).
Die Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) vernachlässigt den von der Prozessordnung gebotenen Bezug (RIS-Justiz RS0117247) zur Urteilstatsache, wonach die Intention des Angeklagten darauf gerichtet war, durch die wiederkehrende Begehung schwerer Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu erzielen (US 5, 10), indem sie argumentiert, es sei nicht „ableitbar“, dass der Angeklagte Einnahmen erzielt oder sich bereichert hätte, weil bei ihm keine „Werte aus den einzelnen Tathandlungen aufgefunden“ worden wären.
In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Im Übrigen aber kommt der Subsumtionsrüge Berechtigung zu.
Die gegen die Annahme auch der Qualifikation des § 130 zweiter Fall StGB gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde zeigt zutreffend auf, dass es an Feststellungen zum Zusammenschluss der Vereinigung und zu dessen zeitlichen Element mangelt. Dem Urteil ist diesbezüglich nur die Tatbegehung als Mitglied einer durch den Angeklagten mit Marko D***** und Stanko V***** „geschaffenen kriminellen Vereinigung“ (US 10), nicht jedoch zu entnehmen, ob diese Verbindung auf in § 278 Abs 2 StGB enthaltene Taten und auf längere Zeit ausgerichtet war (Plöchl in WK2 § 278 Rz 8).
Auch zum Schuldspruch B./ zeigt die Beschwerde (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellung der Sicherung des Sparbuchs durch ein Losungswort auf, weil die bloße Bezeichnung „Sparbuch“ für die rechtsrichtige Subsumtion nicht ausreicht. Die - mit Bereicherungsvorsatz begangene - Wegnahme von als selbstständige Wertträger zu beurteilenden Urkunden ist § 127 StGB zu unterstellen, die Unterdrückung anderer Urkunden (beispielsweise legitimierter Sparbücher) demgegenüber nach § 229 Abs 1 StGB zu bestrafen (RIS-Justiz RS0093543; Bertel in WK2 § 127 Rz 8; Fabrizy, StGB10 § 127 Rz 4; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 127 RN 35 ff).
Daher war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch A./ umfassten Taten auch unter § 130 dritter Fall StGB sowie im Schuldspruch B./, demgemäß auch im Strafausspruch und im Verfallserkenntnis bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) aufzuheben und dem Landesgericht Wiener Neustadt die neuerliche Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang aufzutragen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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