Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (1), demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs und des Adhäsionserkenntnisses verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald H***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens des Siegelbruchs nach § 272 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er
(1) am 7. Juli 2008 in K***** an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht, indem er auf dem Areal der Josef G***** GmbH einen Lkw dieses Unternehmens in Brand setzte, was durch Übergreifen des Feuers auf zwei weitere Lkw und einen Siloanhänger einen Schaden in der Höhe von mehr als 210.000 Euro zur Folge hatte, und
(2) zwischen dem 2. Juli 2010 und dem 6. Juli 2010 in B***** durch gewaltsames Entfernen einer Brandschutztür und eines Garagentors Siegel abgelöst, die ein Beamter in Ausübung seines Amtes, nämlich in Entsprechung eines Bescheids der Bezirkshauptmannschaft H***** vom 22. Juni 2010, angelegt hatte, um einen Hühnerstall unter Verschluss zu nehmen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.
Die Verfahrensrüge (Z 4) zeigt zutreffend auf, dass das Erstgericht durch die Abweisung (ON 74 S 25 f) des Antrags auf Vernehmung des Robert J***** und des Adam S***** (ON 74 S 21) als Zeugen Verteidigungsrechte verletzt hat:
Der Beweisantrag zielte ersichtlich auf den Nachweis, dass die Genannten das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers zur Zeit der Begehung der Brandstiftung (1) am diesbezüglichen Tatort verwendet hatten (ON 74 S 21 iVm ON 57 S 51, ON 74 S 25).
Dass der unter Beweis zu stellende tatsächliche Umstand mit Blick auf die dem Schöffengericht im Antragszeitpunkt vorliegenden Beweisergebnisse geeignet war, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0107445, RS0116987; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341), folgt schon aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung, in der dem Umstand, dass das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers zur Tatzeit am Tatort gesehen worden war, ausdrücklich Indizwirkung für die Annahme der Täterschaft des Beschwerdeführers zugemessen wurde (US 10).
Robert J***** und Adam S***** sind in Polen wohnhaft (ON 61 S 1), sodass deren persönliches Erscheinen zwecks Ablegung einer Zeugenaussage vor dem erkennenden Gericht nicht durch behördlichen Zwang erwirkt werden kann. Sehr wohl möglich ist aber (sofern sie einer Ladung nicht freiwillig Folge leisten [ON 56]) deren Vernehmung im Rechtshilfeweg mit anschließender Verlesung des diesbezüglichen Protokolls in der Hauptverhandlung (§ 252 Abs 1 Z 1 StPO).
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Erstgericht ein solches Rechtshilfeersuchen ohnedies stellte (ON 61), die geforderten Vernehmungen vom zuständigen polnischen Amtsgericht auch durchgeführt wurden, die Protokolle darüber aber erst nach Ende der Hauptverhandlung beim Erstgericht einlangten (ON 77). Von der Undurchführbarkeit (auch) dieser Form der Beweisaufnahme konnte schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil nach den Akten keine entsprechende Mitteilung der polnischen Behörden vorlag und das Erstgericht auch keine Verfahrensschritte setzte, das Rechtshilfeersuchen zu betreiben.
Hinzuzufügen ist, dass - worauf die Generalprokuratur zutreffend hinweist - die Verwertung des nachträglich eingelangten Ergebnisses der Rechtshilfe-Vernehmungen im Urteil (US 13) unzulässig ist (§ 258 Abs 1 StPO).
Aufgrund des aufgezeigten Verfahrensfehlers war der Schuldspruch 1 schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO), was die Kassation des Strafausspruchs und des Adhäsionserkenntnisses nach sich zog.
Auf die Sanktionsrüge (Z 11) sowie das weitere Beschwerdevorbringen zu diesem Schuldspruch war daher nicht einzugehen.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) entwickelt ihre Argumente zum Schuldspruch 2 nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen und orientiert sich solcherart nicht an den Anfechtungskriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit b) hinsichtlich des Schuldspruchs 2 entschuldigenden Notstand (§ 10 Abs 1 StGB) einwendet, ohne in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die diesbezügliche Feststellungen indizieren würden, bezeichnet sie den angesprochenen Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 f).
Aus Gründen der Vollständigkeit sei festgehalten, dass selbst bei Unterstellung der Richtigkeit des (insoweit zentralen) Vorbringens, der Beschwerdeführer habe im Februar 2010 (also mehrere Monate vor dem Anfang Juli 2010 begangenen Siegelbruch) eine beträchtliche Anzahl von Legehennen bestellt, mit Blick auf die Urteilsfeststellungen, wonach ihm bereits mit Bescheid vom April 2007 die Benützung des gegenständlichen Hühnerstalls untersagt, ein diesbezügliches Vollstreckungsverfahren durchgeführt und im Zusammenhang damit mehrmals Zwangsstrafen gegen ihn verhängt wurden (US 6), auf der Basis der in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse (ON 74) die Annahme einer entschuldigenden Notstandssituation keineswegs indiziert ist (vgl § 10 Abs 2 erster Satz StGB).
Hinsichtlich des Schuldspruchs 2 war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs und des Adhäsionserkenntnisses zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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