OGH 8ObA12/12s

OGH8ObA12/12s28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die fachkundigen Laienrichter Mag. Regina Bauer-Albrecht und Hermann Furtner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manfred W*****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Magistrat der Stadt Wien MA 2, 1080 Wien, Rathaus, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2011, GZ 7 Ra 120/11k-28, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 3. Mai 2011, GZ 37 Cga 17/10f-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.025,54 EUR (darin enthalten 337,59 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der klagende Vertragsbedienstete ist aufgrund seiner Diabetes begünstigter Behinderter im Sinn des BEinStG, hat aber keinen Ausweis für gehbehinderte Personen.

Er wurde bei der Beklagten im Rahmen der Überwachung der Parkraumbewirtschaftung eingesetzt. Als er einen Ausweis für gehbehinderte Personen nach § 29b StVO fand, verwendete er diesen in weiterer Folge in seinem eigenen Fahrzeug, um in den Genuss der Befreiung von der Parkometerabgabe zu kommen. Nachdem dies gerüchteweise bekannt wurde, veranlasste der zuständige Abteilungsleiter Überprüfungen und Aktenvermerke, die schließlich am 1. 9. 2010 an die MA 2 weitergeleitet wurden. Am 2. 9. 2010 wurde mit dem Kläger eine Niederschrift aufgenommen, wobei ihm mitgeteilt wurde, dass für ihn ein Erholungsurlaub vom 3. 9. bis 10. 9. 2010 festgesetzt werde. Am 2. 9. wurde auch der Zentralausschuss der Personalvertretung von der beabsichtigten Entlassung mit dem Ersuchen um Zustimmung verständigt. Der Kläger erklärte zwar, mit dem Urlaub nicht einverstanden zu sein, hat aber in weiterer Folge bis zu seiner Entlassung den Dienst nicht angetreten. Der Zentralausschuss erklärte am 10. 9. 2010 die Zustimmung zur beabsichtigten Entlassung. Dem Kläger wurde diese Entscheidung am 13. 9. 2010 zugestellt. Er hob dagegen am 17. 9. 2010 Beschwerde bei der Personalkommission. Diese beschloss am 1. 10. 2010, die Entlassung zu befürworten. Noch am selben Tag sprach die Beklagte die Entlassung aus.

Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu Kündigungsentschädigung und Abfertigung. Soweit dies für das Revisionsverfahren noch maßgeblich ist, stützte er sich auf die Verspätung der Entlassung, aber auch darauf, dass es an einer gerichtlichen Zustimmung zur Entlassung nach § 22a Abs 10 BEinstG iVm § 122 ArbVG mangle.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass die Beklagte rasch nach Vorliegen der erforderlichen Zustimmungen die Entlassung ausgesprochen habe und ein Kündigungsschutz des Klägers nach dem ArbVG nicht gegeben sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, dass die Entlassung berechtigt sei. Auf den Kläger seien nicht die Kündigungs- und Entlassungsschutzbestimmungen des §§ 120 ff ArbVG, sondern jene des § 37 des Wiener PersonalvertretungsG anzuwenden. Daher habe es einer Zustimmung des Gerichts nach §§ 120 ff ArbVG nicht bedurft. Die Entlassung sei auch unverzüglich vorgenommen worden.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es setzte sich ausführlich mit der Frage der Verspätung der Entlassung auseinander und verneinte diese. Es sei dem Kläger schon bei der Aufnahme der Niederschrift am 2. 9. 2010 unmissverständlich mitgeteilt worden, dass seine weitere Beschäftigung dem Dienstgeber nicht zumutbar sei. Aufgrund der Funktion des Klägers als Behindertenvertrauensperson bedürfe es aber der Zustimmung des Zentralausschusses. Dem Kläger sei auch mitgeteilt worden, dass die Beklagte beabsichtige, sein Dienstverhältnis durch Entlassung zu beenden, und dass die Beklagte nur noch die für Behindertenvertrauenspersonen einzuhaltenden Formvorschriften zu erfüllen habe. Tatsächlich habe der Kläger ab 3. 9. 2010 bis zu seiner Entlassung keine Arbeitsleistungen mehr erbracht.

Unter Hinweis auf die Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 45/04i bestätigte das Berufungsgericht auch die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass es keiner gerichtlichen Zustimmung iSd §§ 120 ff ArbVG bedürfe. In der Vorentscheidung habe sich der Oberste Gerichtshof unter Aufarbeitung der historischen Entwicklung ausführlich mit dieser Frage auseinandergesetzt. § 22b BEinstG ziele auf den Bestandschutz nach dem Personalvertretungsrecht - im damaligen Anlassfall das Landes-PersonalvertretungsG für Oberösterreich - und nicht auf jenen nach dem ArbVG ab.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Wiener PersonalvertretungsG im Zusammenhang mit der Entlassung einer Behindertenvertrauensperson noch nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

Die Beklagte beantragt die Revision mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig, weil ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach dem hier maßgeblichen § 22b BEinstG gelten für die Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden, die nicht unter die Bestimmungen des ArbVG fallen, sinngemäß die Bestimmungen des § 22a BEinstG, allerdings unter Zugrundelegung der gesetzlichen Vorschriften über die Personalvertretung. Diese Bestimmung setzt also geradezu voraus, dass das ArbVG nicht zur Anwendung kommt, sondern das Personalvertretungsrecht.

Dass in § 22a BEinstG im Abs 10 auch auf das ArbVG Bezug genommen wird und dieses sinngemäß anzuwenden ist, ändert daran nichts. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der genannten Vorentscheidung zu 9 ObA 45/04i mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass nicht das ArbVG, sondern die Schutzbestimmungen der Personalvertretungsgesetze heranzuziehen sind. Davon gehen auch Lehre und Schrifttum aus (vgl etwa Ernst/Widy, Behinderteneinstellungsgesetz7 639; Mayr in ZellKomm² § 22b Rz 1).

Entgegen den Ausführungen der Revision wird damit der Verweis des § 22b BEinstG nicht inhaltslos, sondern er umfasst alle anderen Regelungen des § 22a BEinstG. Letztlich zeigt der Kläger auch keine wesentlichen Unterschiede des Wiener PersonalvertretungsG gegenüber dem OÖ PersonalvertretungsG auf, für das diese Rechtsfrage des § 22b BEinstG bereits in der Vorentscheidung geklärt wurde. Auch insoweit wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargestellt.

Die Beurteilung der Unverzüglichkeit der Entlassung stellt naturgemäß eine solche dar, die aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden muss, sodass insoweit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (vgl Kodek in Rechberger, ZPO³ § 502 Rz 26; RIS-Justiz RS0031571). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vermag die Revision nicht aufzuzeigen, entspricht es doch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass gerade im öffentlichen Dienst auch die organisatorischen Vorgaben und die Notwendigkeit der Einholung von Zustimmungen zu beachten sind (RIS-Justiz RS0029273; RS0029208 uva). Nach deren Vorliegen hat aber die Beklagte die Entlassung unverzüglich ausgesprochen.

Zusammenfassend gelingt es daher dem Revisionswerber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 2 ASGG, §§ 41 und 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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