OGH 1Ob45/12t

OGH1Ob45/12t23.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1. E*****, und 2. mj G*****, vertreten durch Dr. Margot Tonitz, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen den Gegner der gefährdeten Parteien Univ.‑Prof. DDr. M*****, vertreten durch Dr. Peter Pullez und Dr. Robert Gschwandtner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (einstweilige Benützung der Ehewohnung), über den Revisionsrekurs der gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 2. Jänner 2012, GZ 4 R 438/11w‑12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 13. Dezember 2011, GZ 2 C 62/11w‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0010OB00045.12T.0323.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Gegner der gefährdeten Parteien hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Erstantragstellerin und der Antragsgegner sind seit dem Jahr 2000 verheiratet. Die Zweitantragstellerin ist ihre gemeinsame Tochter. Das Haus, das die bis zum Oktober 2011 gemeinsam bewohnte Ehewohnung war, steht im Eigentum einer Privatstiftung, deren „Gründer“ nach dem Antragsvorbringen der Antragsgegner ist. Am 26. 10. 2011 schoss er in der Ehewohnung mit einer Pistole auf seine Ehegattin. Das Projektil schlug knapp neben ihrem Kopf ein. Aufgrund dieses Vorfalls trug das Erstgericht dem Antragsgegner mit rechtskräftigem Beschluss vom 4. 11. 2011 nach § 382b iVm § 382e EO auf, das Haus mit der Ehewohnung sowie dessen unmittelbare Umgebung (die gesamte Liegenschaft) zu verlassen sowie das Zusammentreffen und eine Kontaktaufnahme mit der Ehefrau zu vermeiden, und verbot ihm die Rückkehr. Diese Gewaltschutz‑EV sollte für zunächst sechs Monate und für den Fall der Einbringung einer Ehescheidungsklage bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungs‑ sowie eines allfällig folgenden Aufteilungsverfahrens gelten.

Mit ihrem Sicherungsantrag vom 2. 11. 2011 begehrten die Ehefrau des Antragsgegners und die gemeinsame Tochter (soweit noch relevant), ihnen zur Sicherung ihrer Ansprüche/ihres dringenden Wohnbedürfnisses die einstweilige Benützung der Ehewohnung zu gewähren. Vorgebracht wurde die Befürchtung, dass der Antragsgegner versuchen werde, die übrigen Stiftungsvorstände dahingehend zu beeinflussen, den Antragstellerinnen die Ehewohnung zu entziehen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, setzte eine Rechtfertigungsfrist für die Einbringung einer Scheidungsklage von drei Monaten und verwies in der rechtlichen Beurteilung auf § 382 Z 8 lit c erster Fall EO.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge und wies den Sicherungsantrag der Erstantragstellerin ab sowie jenen der Zweitantragstellerin wegen fehlender Antragslegitimation in einem Sicherungsverfahren nach § 382 Z 8 lit c EO zurück. Die einstweilige Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens (§ 382 Z 8 lit c erster Fall EO) setze ein Regelungsbedürfnis voraus, das aufgrund der bereits erlassenen Gewaltschutz‑EV weder erkennbar sei noch substantiell dargelegt werde. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage fehle, ob bzw inwieweit eine verfügte Wegweisung nach dem Gewaltschutzgesetz eine Regelungsverfügung nach § 382 Z 8 lit c erster Fall EO erübrige.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig, weil er keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darlegt.

Rechtliche Beurteilung

§ 382 Z 8 lit c EO regelt zwei verschiedene das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse betreffende einstweilige Verfügungen, nämlich als ersten Fall („Regelungs‑EV“) die einstweilige Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens und als zweiten Fall („Sicherungs‑EV“) die einstweilige Sicherung des nachehelichen Aufteilungsanspruchs (RIS‑Justiz RS0006039 [T4]).

Im Revisionsrekurs wird zunächst ausdrücklich erklärt, dass es nicht um eine Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Sinn des zweiten Falls der zitierten Bestimmung gehe, sondern nur um eine Regelungsverfügung hinsichtlich der Ehewohnung. Inhaltlich befasst sich der Revisionsrekurs aber ausschließlich mit einem Anspruch der Ehegattin auf Schutz vor Eingriffen der Stiftung oder des Antragsgegners als Stifter in das Nutzungsrecht an der Ehewohnung, das die Stiftung zumindest schlüssig eingeräumt hätte, indem sie die Benützung als Ehewohnung geduldet hätte. Dieser Schutz eines Benützungsrechts an der Ehewohnung (analog § 97 ABGB) gelte auch gegenüber der Stiftung als Dritte. Soweit in diesem Zusammenhang die Auflösung der Stiftung durch den Stifter oder dessen Verfügungen über die Ehewohnung durch Verkauf oder Vermietung befürchtet werden, handelt es sich um unzulässige Neuerungen. Zu letzterem Punkt ist zudem anzumerken, dass wohl nur die Stiftung als Eigentümerin der Ehewohnung diese verkaufen oder vermieten könnte.

Das Regelungsbedürfnis wird also ausschließlich mit befürchteten Verfügungen der Stiftung (im Zusammenwirken mit dem Stifter) über die Ehewohnung begründet. Damit wird aber der Zweck einer „Regelungs‑EV“ verkannt: Diese sichert den zu unterstellenden Anspruch auf wechselseitige Wahrung persönlichkeitsbezogener Interessen der vormaligen Ehegatten während der Phase und bei der Vornahme der erforderlichen Trennung der ehemals verbundenen Lebensbereiche der Ehegatten (vgl RIS‑Justiz RS0006053 [T2]). Sie dient nicht dem Schutz des Ehegatten vor Eingriffen Dritter (vgl 3 Ob 203/02b = RIS‑Justiz RS0117817), den der Revisionsrekurs in Wahrheit anstrebt. Eine einstweilige Verfügung nach (dem im Revisionsrekurs gar nicht genannten) § 382h EO zur Sicherung eines Anspruchs der Ehegattin nach § 97 ABGB, der in ihren Ausführungen anklingt, würde schon daran scheitern, dass kein alleiniges dingliches oder obligatorisches Verfügungsrecht des Antragsgegners an der Ehewohnung iSd § 97 ABGB (RIS‑Justiz RS0113119; Koch in KBB³, § 97 ABGB Rz 1 mwN) behauptet wurde.

Da sich der Revisionsrekurs mit der vom Rekursgericht erörterten, dem Zulassungsausspruch zugrundegelegten Rechtsfrage inhaltlich in Wahrheit nicht auseinandersetzt, die fehlende Antragslegitimation der Zweitantragstellerin (zu Recht) nicht in Zweifel zieht und auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage darlegt, ist er als unzulässig zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen, weshalb er die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen hat.

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