OGH 11Os22/12p

OGH11Os22/12p15.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Perovic als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sebastian F***** wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 19. Dezember 2011, GZ 23 Hv 115/11k-63, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung sowie die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche von gleichartigen Vorwürfen enthält, wurde Sebastian F***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen mehrerer Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach hat er, soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, bis zumindest Ende 2010 in S***** und an anderen Orten sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG 1947 bezeichnete Weise dadurch im nationalsozialistischen Sinne betätigt, dass er seine nationalsozialistische Gesinnung bekräftigend und mit dem Vorsatz, dadurch nationalsozialistische Symbole verherrlichend zur Schau zu stellen, seine Tätowierungen am Oberkörper, nämlich ua einen deutschen Reichsadler, mehrere Triskelen, ein „schwarzes Sonnenrad“, einen Wehrmachtsoldat und die Buchstabenkombination „WAW“ für andere sichtbar zur Schau stellte, wobei es sich beim Reichsadler um ein NS-Symbol, bei der Triskele um ein SS-Symbol, welches im dritten Reich auch von Verbänden der Waffen-SS verwendet wurde, beim „schwarzen Sonnenrad“ um ein NS-Symbol für das Hakenkreuz- und ein Hakenkreuzersatz-Symbol, sowie beim Schriftzug „WAW“ um die Abkürzung für die Parole „Weißer Arischer Widerstand“ handelt (III./).

Die Geschworenen hatten die bezughabende Hauptfrage bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Die nur gegen diesen Schuldspruch aus Z 10a und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist dann gegeben, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt (RIS-Justiz RS0118780; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470 ff, § 345 Rz 11 f).

Soweit die Rüge moniert, wesentliche Beweisergebnisse seien von den Geschworenen in deren Niederschrift nicht erwogen worden, übersieht sie, dass Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 10a StPO gerade nicht aus den dort festgehaltenen Erwägungen der Laienrichter (§ 331 Abs 3 StPO) abgeleitet werden kann, weil die Niederschrift der Geschworenen eine kurze Begründung für die Beweiswürdigung darstellt und damit nicht gleichzeitig deren Gegenstand bilden kann (RIS-Justiz RS0115549; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 16).

Mit der auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten gestützten Behauptung, wonach es sich beim im Wahrspruch festgestellten Bedeutungsinhalt der tätowierten Symbole, insbesondere jenem des Schriftzugs „WAW“ um eine bloße Interpretationsmöglichkeit handle, gelingt es der Tatsachenrüge nicht, erhebliche Bedenken im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes hervorzurufen.

Die gesetzmäßige Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO setzt einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraus (RIS-Justiz RS0101476).

Indem die Rechtsrüge auf das Vorbringen der Tatsachenrüge verweist und den Bedeutungsinhalt der Tätowierungen, insbesondere jenen des Schriftzugs „WAW“ eigenständig interpretiert und davon ausgehend die Tatbildlichkeit verneint, verfehlt sie den in den festgestellten Tatsachen des Wahrspruchs der Geschworenen gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes.

Es wird zusätzlich übersehen, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des (normativen) Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese die Schuldfrage, haben sie damit eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen, aufgrund derer das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht, und ist diese Bejahung einer Anfechtung mit Rechts- und Subsumtionsrüge entzogen (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK2 VG § 3g Rz 17).

Das Vorbringen, wonach aus dem Umstand der Tätowierung nicht auf die subjektive Tatseite geschlossen werden könne, vernachlässigt den im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Vorsatz auf Betätigung im nationalsozialistischen Sinn und entzieht sich damit ebenso einer meritorischen Erwiderung (vgl RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK² VG § 3g Rz 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte