Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Nach zugunsten des Angeklagten erfolgter Wiederaufnahme wurde Ernest S***** mit dem angefochtenen Urteil neuerlich (unter Berücksichtigung von im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruchteilen) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (I./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz - in Wien und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Heroin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 3 % Diacetylmorphin und Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20 % Kokain in einem nicht mehr feststellbaren Mischverhältnis
I./ ein- und ausgeführt, indem er im April 2009 teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Stefanie H***** zumindest ein halbes Kilogramm Heroin und Kokain, das er verschluckt hatte, und weitere zwei Kilogramm Heroin und Kokain, die er in einen Polster eingenäht hatte, mit dem Zug von Amsterdam über Deutschland nach Wien transportierte;
II./ anderen überlassen, indem er das zu I./ angeführte Suchtgift im April 2009 in Wien an Tony U***** übergab.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung der beiden gleichlautenden Anträge auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens, die zum Beweis einerseits dafür gestellt wurden, dass die Aussage der Zeugin H***** vom 2. August 2009, wonach der Angeklagte in Amsterdam innerhalb von 20 Minuten eine Gesamtmenge von zumindest 500 Gramm Suchtmittel geschluckt und diese Menge zirka 20 Stunden danach innerhalb von einer halben bis eineinhalb Stunden ausgeschieden haben soll, und die „diesbezüglich abweichenden Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung vom 1. Dezember 2009“ aus medizinischer Sicht unmöglich seien (ON 133 S 41), andererseits dafür, dass das medizinische Sachverständigengutachten ergeben werde, auch unter Berücksichtigung der Einnahme eines Abführmittels seien die von der Zeugin H***** sowohl hinsichtlich des Verschluckens als auch des Ausscheidens angegebenen Zeiträume medizinisch nicht möglich (ON 133 S 45).
Zwar wird mit der Glaubwürdigkeit eines Zeugen keine entscheidende Tatsache angesprochen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340), eine Beweisführung zur Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln - etwa durch Kontrollbeweise zur Glaubwürdigkeit von Zeugen - kann aber für die Schuldfrage von Bedeutung sein (RIS-Justiz RS0028345; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Weil im Schöffenverfahren die Beweiswürdigung der Tatrichter nur eingeschränkt angefochten werden kann, ist es geboten, die gegen die Glaubwürdigkeit von Zeugen vorgebrachten Argumente besonders sorgfältig zu prüfen und erforderlichenfalls auch indirekte, die Glaubwürdigkeit der Zeugen betreffende Beweise aufzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0098429 [T5]).
Der Behauptung des Vorliegens von nicht unmittelbar das Tatgeschehen betreffenden Unwahrheiten in den Angaben der einzigen Belastungszeugin H***** kommt im Lichte dessen hier zwar grundsätzlich entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Dennoch wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge Verteidigungsrechte nicht verletzt, denn ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag muss (soweit dies nicht auf der Hand liegt) darlegen, warum zu erwarten sei, dass die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde. Diese Begründung muss umso eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschritts im Licht der übrigen Verfahrensergebnisse ist. Genügt ein Beweisantrag diesen Anforderungen nicht, so liegt ein unzulässiger Erkundungsbeweis vor (RIS-Justiz RS0099453; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 ff).
Im vorliegenden Fall legte der Antrag nicht dar, warum zu erwarten sei, dass ein Sachverständiger aus dem Bereich der Gerichtsmedizin ohne genaue Kenntnis der Anzahl und Beschaffenheit der von der Zeugin behaupteten Suchtgiftkugeln und angesichts notorisch personenspezifisch unterschiedlich langer Verdauungsvorgänge dem von der Zeugin beschriebenen Ablauf der Aufnahme und Ausscheidung der Suchtgiftbehältnisse als medizinisch unmöglich ansehen werde. Mit dem Verweis auf ein nicht in der Gerichtssprache (vgl Art 8 B-VG und § 53 Abs 1 Geo) verfasstes, sohin unbeachtliches (12 Os 120/08a, 13 Os 75/11w) Dokument sowie zwei Berichte über Ausscheidungsvorgänge betreffend vom Angeklagten verschiedene Suchtgiftschmuggler, wurde der Antrag den dargestellten Erfordernissen ebenso wenig gerecht. Warum ein medizinisches Sachverständigengutachten „auch unter Berücksichtigung der Einnahme eines Abführmittels“ das vom Antragsteller gewünschte Ergebnis erbringen solle (ON 133 S 45), wurde gleichfalls nicht dargetan.
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet eine Unvollständigkeit der Begründung mangels Auseinandersetzung mit den Angaben der Zeugin H***** dahingehend, dass die in einem Polster geschmuggelte Suchtgiftmenge (I./) nach erfolgter Übergabe (II./) vom Empfänger vermischt worden sei, nämlich der „größere Haufen mit braunem Pulver und der kleinere Haufen mit weißem Pulver“ (vgl ON 38 S 11). „In der Praxis“ würden aber - der Beschwerde zufolge - „Heroin und Kokain niemals vermischt“, sodass das Erstgericht zur Auffassung gelangen hätte müssen, bei den im Polster befindlichen Substanzen habe es sich nicht oder nur zu einem Teil um Drogen und zum anderen teil um Streckmittel gehandelt.
Damit bekämpft die Beschwerde jedoch - ohne aktenmäßige Grundlage, vielmehr gestützt auf die unbelegte Behauptung eigener Erfahrungen - in Wahrheit lediglich in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung, ohne sich auf für die Feststellung entscheidender Tatsachen maßgebende erhebliche Verfahrensergebnisse zu beziehen.
Soweit die Beschwerde das Fehlen einer Erörterung von Widersprüchen in den verschiedenen Aussagen der Zeugin H***** zum Gewicht des im Polster befindlichen Suchtgifts kritisiert, vernachlässigt sie, dass diese der Zeugin in der Hauptverhandlung am 15. September 2011 eingehend vorgehalten wurden und sie dazu Stellung bezog, sodass die Tatrichter - die die Menge der im Polster befindlichen Substanzen aus der Aussage der Zeugin H***** in dieser Hauptverhandlung ableiteten (US 7 f) und auch unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung am 1. Dezember 2009 begründet darlegten, wie sie zu ihren Feststellungen hinsichtlich der Suchtgiftmengen gelangten (US 6 ff) - dem Gebot gedrängter Darstellung folgend nicht verhalten waren, sich mit allen Details ihrer früheren Aussagen auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0098377, RS0098778). Im Übrigen brachte die Zeugin gleichbleibend zum Ausdruck, keine präzisen Gewichtsangaben machen zu können.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen der Feststellung, dass die Vorschriftswidrigkeit der Ein- und Ausfuhr sowie des Überlassens von Suchtgift vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war. Sie hält dabei - unter inhaltlich unvollständiger Zitierung - nicht an den Konstatierungen der Tatrichter fest, die den Eventualvorsatz des Angeklagten ausdrücklich auch auf die Vorschriftswidrigkeit der Tathandlungen bezogen (US 6), und verfehlt so den Bezugspunkt prozessordnungsgemäßer Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (vgl RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Bemerkt wird, dass sich die im Anhang zur Nichtigkeitsbeschwerde erfolgte „Anregung auf ein Vorgehen gemäß § 362 StPO“ nicht auf den - allein nach dieser Bestimmung prüfbaren - Tatsachenbereich bezieht (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 362 Rz 1 und 4), sondern eine Rechtsfrage in einem nicht von der Nichtigkeitsbeschwerde bekämpften Urteil anspricht, sodass auch ein allfälliges Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO nicht in Betracht kommt.
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