OGH 8Ob3/12t

OGH8Ob3/12t28.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach E***** N*****, geboren am *****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs des Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Christoph Fidi, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 24. Oktober 2011, GZ 16 R 336/11t‑26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 1. Juni 2011, GZ 24 A 12/11m‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung

Die Erblasserin war zu einem Drittel bücherliche Miteigentümerin einer Liegenschaft, die mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Die übrigen Liegenschaftsanteile stehen im Eigentum ihrer Tochter und ihres Sohnes.

Die Verstorbene hinterließ eine letztwillige Verfügung, in der sie ihren Enkel (den Revisionsrekurswerber) und ihren Sohn zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Beide Testamentserben gaben im Verlassenschaftsverfahren vor dem Gerichtskommissär eine unbedingte Erbserklärung je zur Hälfte des Nachlasses ab (ON 7), die Errichtung eines Inventars wurde nicht beantragt.

Der Sohn der Erblasserin vertritt den Standpunkt, bei dem auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erbauten Haus handle es sich um ein Superädifikat, das in seinem Alleineigentum stehe und nicht anteilig zu den Verlassenschaftsaktiven gehöre. Der Revisionsrekurswerber bestreitet die Superädifikatseigenschaft des Hauses. Sollte aus anderen (nicht näher erläuterten) Gründen eine Sonderrechtsfähigkeit des Gebäudes bestehen, wäre die Erblasserin zu zwei Dritteln ideelle Miteigentümerin gewesen und ihr entsprechender Anteil in die Verlassenschaft einzubeziehen.

Da eine Einigung in dieser Frage zwischen den Erben nicht erzielt werden konnte, ersuchte der Gerichtskommissär das Verlassenschaftsgericht um Beschlussfassung über die „Nachlasszugehörigkeit“ des Hauses.

Das Erstgericht sprach nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens unter Bezugnahme auf § 166 AußStrG mit Beschluss aus, dass das strittige Gebäude „nicht nachlasszugehörig“ sei.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Enkels keine Folge. Es gab in seiner angefochtenen Entscheidung die Lehre und Rechtsprechung über Zweck und Wirkungen der Inventarisierung des Nachlasses wieder und billigte im Ergebnis die Rechtsansicht des Erstgerichts. Der erblasserische Sohn habe mit den vorgelegten Urkunden seinen Standpunkt zur Superädifikatseigenschaft des Wohnhauses ausreichend belegen können.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob unter „unbedenklichen Urkunden“ nach § 166 Abs 2 AußStrG auch solche zu verstehen seien, die das strittige Recht nicht unmittelbar beweisen, sondern nur auf eine konkludente Vereinbarung hindeuten.

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Enkels ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Rechtslage verkannt haben. Er ist aber nur im Sinne einer ersatzlosen Aufhebung der Beschlüsse berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 165 Abs 1 AußStrG ist in einem Verlassenschaftsverfahren nur dann ein Inventar zu errichten, wenn eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben wurde (Z 1), wenn allfällige Noterben minderjährig sind oder aus anderen Gründen einen gesetzlichen Vertreter benötigen (Z 2), wenn die Absonderung der Verlassenschaft bewilligt wurde (Z 3), soweit auf eine Nacherbschaft Bedacht zu nehmen ist oder letztwillig eine Privatstiftung errichtet wurde (Z 4), wenn die Verlassenschaft dem Staat als erblos zufallen könnte (Z 5), schließlich soweit eine dazu berechtigte Person dies beantragt (Z 6). Keine dieser Voraussetzungen ist im gegenständlichen Verfahren erfüllt.

Ist kein Inventar zu errichten, dann hat der Erbe nach § 170 AußStrG das Verlassenschaftsvermögen selbst wie in einem Inventar zu beschreiben und zu bewerten und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung durch Unterschrift zu bekräftigen. Diese von den erbserklärten Personen abzufordernden Vermögenserklärungen wurden im vorliegenden Verfahren bislang nicht erstattet.

Für eine ‑ noch dazu vorweggenommene ‑ Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts darüber, welche Gegenstände in die Vermögenserklärungen aufgenommen oder daraus ausgeschieden werden sollen, besteht keine gesetzliche Grundlage. Auch eine allfällige analoge Anwendung des § 166 Abs 2 AußStrG kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt. Die Vermögenserklärungen mehrerer Miterben können in ihrem Inhalt ohne weiteres auch voneinander abweichen. Es steht jedem von ihnen das Recht zu, eine gesonderte Vermögenserklärung nach seinem eigenen Gutdünken zu erstatten (Bittner aaO § 170 AußStrG Rz 5 mwN).

In Stattgebung des Revisionsrekurses waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben.

Stichworte