OGH 9ObA110/11h

OGH9ObA110/11h27.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kiechl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Mai 2011, GZ 9 Ra 20/11v-17, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 29. September 2010, GZ 23 Cga 38/10s-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 13. 2. 1984 bis 24. 2. 1991 (Beginn der Mutterschutzfrist) bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt. Vom 25. 2. 1991 bis 8. 7. 1991 bezog sie innerhalb der Mutterschutzfrist ein dienstgeberbezogenes Wochengeld. Vom 9. 7. 1991 bis 12. 4. 1993 befand sie sich in Karenz und bezog Karenzurlaubsgeld. Am 13. 4. 1993 nahm die Klägerin ihre Beschäftigung bei der Beklagten als Flugbegleiterin wieder auf. Sie kündigte ihr Dienstverhältnis mit 20. 12. 1993 auf. In Summe hat sie in diesem ersten Dienstverhältnis 2.953 Anwesenheitstage verbracht.

Vom 1. 9. 1999 bis 30. 11. 1999, vom 3. 5. 2004 bis 15. 5. 2004 und vom 1. 6. 2004 bis 30. 9. 2004 war die Klägerin jeweils in einem befristeten Dienstverhältnis bei der Beklagten als Saisonkraft beschäftigt. Das waren 91, 11 und 122 Anwesenheitstage. Ab 1. 11. 2004 begann ein zuerst vom 1. 11. 2004 bis 30. 4. 2005 befristetes und dann mit 1. 5. 2005 unbefristetes und nach wie vor aufrechtes Dienstverhältnis. Die Klägerin wurde in der Senioritätsliste mit dem Eintrittsdatum 1. 11. 2004 erfasst. Es findet sich im Dienstvertrag der Klägerin keinerlei Hinweis auf die Anrechnung von Vordienstzeiten auf das Senioritätsprinzip.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das zwischen ihr und der Beklagten bestehende Dienstverhältnis als Flugbegleiterin in der von der Beklagten zu führenden Senioritätsliste (gemäß Pkt 3 des Anhangs XI des KV für das Bordpersonal der Austrian Airlines und Lauda Air) mit dem Senioritätsdatum (gemäß Pkt 2 des Anhangs XI des KV für das Bordpersonal der Austrian Airlines und Lauda Air) 1. 3. 1997 zu reihen sei. Sie stützt dies zusammengefasst darauf, dass sie ein rechtliches Interesse daran habe, in der Senioritätsliste richtig mit dem fiktiven Eintrittsdatum 1. 3. 1997 gereiht zu werden, da die höhere Seniorität ua bei der Urlaubsplanung und im Fall von betriebsbedingten Kündigungen maßgeblich sei. Es seien zumindest die Dienstverhältnisse vom 3. 5. bis 13. 5. 2004 und vom 1. 6. bis 30. 9. 2004 zu berücksichtigen. Die Klägerin könne keinesfalls schlechter gestellt werden als eine Dienstnehmerin, die überhaupt erst am 3. 5. 2004 zu arbeiten begonnen habe.

Die Beklagte bestritt und wandte ein, dass die Klägerin zutreffend mit dem Senioritätsdatum 1. 11. 2004 in die Senioritätsliste eingereiht worden sei. Im Fall einer Wiedereinstellung von Flugbegleitern, deren Senioritätsdatum nach Dienstnehmerkündigung erloschen sei, erfolge eine Anrechnung von Vordienstzeiten zwingend nach der im Kollektivvertrag vorgesehenen Formel. Danach ergebe sich für die Klägerin kein Anrechnungsanspruch. Nach Pkt 2.1. des Kollektivvertrags seien nur unbefristete Dienstverhältnisse für das Senioritätsdatum zu berücksichtigen. Selbst bei Berücksichtigung der Saison-Tätigkeiten würden die Abwesenheitstage der Klägerin die Tage der Dienstzeiten überwiegen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging zusammengefasst davon aus, dass das Senioritätsdatum der Klägerin nach dem Wortlaut des Anhangs XI zum Kollektivvertrag für das Bordpersonal richtig mit 1. 11. 2004 errechnet worden sei. Die Summe der Abwesenheitstage seit Beendigung des ersten Dienstverhältnisses bis zum neuerlichen Dienstantritt 1. 11. 2004 überwiege die Summe der Anwesenheitstage aus dem ersten Dienstverhältnis. Nach Pkt 2.1. des Anhangs XI zum KV seien nur unbefristete Dienstverhältnisse für das Senioritätsdatum zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin, mit der diese nunmehr die Feststellung des Senioritätsdatums 18. 6. 2004 begehrt, nicht Folge. Es setzte sich sehr ausführlich mit der Auslegung des Kollektivvertrags auseinander. Nach Pkt 2.1. des Anhangs XI zum Kollektivvertrag für Bordpersonal der Austrian Airlines und Lauda Air (im Folgenden: KV) erhalte nur ein unbefristet Beschäftigter oder ein in einem auf zumindest sechs Monate befristeten Dienstverhältnis beschäftigter Flugbegleiter ein (vorläufiges) Senioritätsdatum. Die befristeten Dienstverhältnisse der Klägerin als Saisonkraft vom 3. 5. 2004 bis 15. 5. 2004 und vom 1. 6. 2004 bis 30. 9. 2004 überstiegen aber jeweils nicht sechs Monate, sodass die Klägerin daraus kein Senioritätsdatum zu erhalten habe und daher jeweils auch kein Erlöschen eines Senioritätsdatums eintreten konnte. Die Regelung des Pkt 7 des Anhangs zum KV beziehe sich nur auf eine Anrechnung von Vordienstzeiten bei Erlöschen des Senioritätsdatums. Der normative Teil von Kollektivverträgen sei nicht am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen, sondern am verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz und an der Sittenwidrigkeitsklausel des § 879 ABGB. Eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen sei nicht ersichtlich. Sachlich gerechtfertigte Differenzierungen seien zulässig, auch wenn es im Einzelfall zu Härtefällen komme. Die Berücksichtigung der Abwesenheitszeit treffe alle Flugbegleiter. Eine unsachliche Ungleichbehandlung liege insofern nicht vor. Die kollektivvertragliche Anrechnungsbestimmung sehe eine im Vergleich zur Gesetzeslage für die Arbeitnehmer günstigere Regelung vor. Inwiefern die Klägerin gegenüber einer Dienstnehmerin, die erstmalig am 3. 5. 2004 bei der Beklagten - offenbar unbefristet und durchgehend - zu arbeiten begonnen habe, schlechter gestellt sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Im erstinstanzlichen Verfahren sei ein Vorbringen zur nunmehr behaupteten Diskriminierung der Klägerin nach dem GlBG nicht erstattet worden. Im Folgenden setzte sich das Berufungsgericht aber auch mit diesen Fragen auseinander.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da der Auslegung des Kollektivvertrags erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Begründung des Berufungsgerichts ist zutreffend, sodass es ausreicht auf die Richtigkeit dieser Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revision entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die Auslegung der normativen Bestimmungen eines Kollektivvertrags objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0010088). Ausgehend vom Text und Wortsinn sowie dem Zusammenhang der Regelung ist die Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089) und im Zweifel davon auszugehen, dass diese eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung schaffen und eine Ungleichbehandlung vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897 mwN).

Die wesentlichen Kollektivvertragsbestimmungen lauten wie folgt (Hervorhebungen nicht im Text):

Anhang XI des Kollektivvertrags für das Bordpersonal der Austrian Airlines und Lauda Air über die „Senioritätsregelung Flugbegleiter“ enthält ua folgende Bestimmungen:

„2. Senioritätsdatum

2.1. Jeder unbefristet beschäftigte Flugbegleiter erhält ein Senioritätsdatum, das für seine Einreihung im Rahmen der Senioritätsregelung maßgeblich ist. Grundlage für das Senioritätsdatum ist das Datum des Beginnes der Anstellung im Kollektivvertrag-Bord. Jeder Flugbegleiter, der in einem auf zumindest sechs Monate befristeten Dienstverhältnis beschäftigt ist, erhält ein vorläufiges Senioritätsdatum, das bei einer Umwandlung vom befristeten zu einem unbefristeten Dienstverhältnis beibehalten wird.

2.2. Flugbegleiter, die ihr Dienstverhältnis gemäß Pkt. 7 beendet haben, können bei einem eventuellen Wiedereintritt ihre Vordienstzeiten als Flugbegleiter gemäß KV-Bord ganz oder teilweise auf das Senioritätsdatum angerechnet werden. Die Entscheidung hierüber trifft die Leiterin/der Leiter Cabin Operations im Einvernehmen mit den Betriebsräten Bord. ...

2.3 Zeiten von Karenzurlauben einschließlich Mutterschutzkarenzurlaub bis zum Höchstausmaß von drei Monaten, … haben keinen Einfluss auf das Senioritätsdatum.

2.4. Bei Karenzurlauben … die drei Monate ... übersteigen, wird bei Wiederantritt des Dienstes ein neues Senioritätsdatum ermittelt. Dazu wird zum ursprünglichen Datum die Zahl der Abwesenheitstage über drei Monate hinzugerechnet … .“

„3. Senioritätsliste

3.2. Die Einreihung der Flugbegleiter in die Senioritätsliste erfolgt in aufsteigender Reihenfolge der Senioritätsdaten gemäß Pkt 2.

…“

„7. Erlöschen des Senioritätsdatums

und lautet:

„7.1. Bei Auflösung des Dienstverhältnisses infolge Zeitablauf, Kündigung oder Austritt durch die Dienstnehmerin/den Dienstnehmer, bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses, sowie bei rechtswirksamer Auflösung des Dienstverhältnisses infolge Kündigung oder Entlassung durch den Dienstgeber aus anderen Gründen als Personalüberschuss erlischt das Senioritätsdatum.

7.2. Im Falle einer Wiedereinstellung von Flugbegleitern, deren Senioritätdatum gemäß Pkt. 7.1. erloschen ist, erfolgt seit dem 1. 1. 1995 ausschließlich für die Bestimmung des neuen Senioritätsdatums ab Stichtag 1. 1. 1997 eine Anrechnung der Vordienstzeit oder eines Teils davon nach folgender Formel:

Beträgt die Zeit zwischen Beendigung des früheren und Beginn des neuen Flugbegleiter-Dienstverhältnisses mit Austrian Airlines oder Lauda Air ('Abwesenheitszeit') ein Jahr oder weniger, so wird die volle Zeit des früheren Flugbegleiterdienstverhältnisses angerechnet. Beträgt die 'Abwesenheitszeit' mehr als ein Jahr, so wird die gesamte 'Abwesenheitszeit' von der anzurechnenden Dienstzeit abgezogen.“

Den Ausführungen der Klägerin, wonach doch zumindest die kurzen befristeten Dienstverhältnisse im Jahr 2004 mit zu berücksichtigen seien und sich daraus das Senioritätsdatum 18. 6. 2004 errechne, ist der Verweis auf den Ausschluss von kurzen befristeten Dienstverhältnissen für die Berechnung des Senioritätsanspruchs entgegenzuhalten. Inwieweit es zulässig ist, kurze befristete Dienstverhältnisse hintereinander abzuschließen, wird hier nicht weiter problematisiert. Jedenfalls ist aber aus der grundsätzlichen Regelung des Pkt 2.1. über die Dienstverhältnisse, für die ein Senioritätsdatum zu bestimmen ist (länger als sechs Monate) und daraus, dass die Anrechnungsregelung des Pkt 7.2. nur in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, davon auszugehen, dass von der Anrechnungsregelung nur solche Dienstverhältnisse erfasst sein sollen, für die überhaupt ein Senioritätsdatum zu bestimmen war. Bestimmt doch Pkt 2.2., wann die Anrechnungsregel des Pkt 7. zum Tragen kommt und verweist dabei auch auf Pkt 7.1., der das „Erlöschen des Senioritätsdatums“ regelt und damit aber auch voraussetzt, dass für dieses Dienstverhältnis überhaupt ein Senioritätsdatum zu bestimmen war. Genau das trifft aber auf die kurzen befristeten Dienstverhältnisse, deren Berücksichtigung hier die Klägerin begehrt, nicht zu.

Insgesamt ist daher der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.

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