OGH 7Ob9/12t

OGH7Ob9/12t27.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Dr. Gitschthaler und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** W*****, vertreten durch Dr. Alois Autherith LL.M. und Mag. Rainer Samek, Rechtsanwälte in Krems, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs‑Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbH in Salzburg, wegen 25.321 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2011, GZ 5 R 150/11g‑28, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 7. März 2011, GZ 3 Cg 20/09t‑24, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.470,24 EUR (darin enthalten 245,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand am 24. 6. 2008 ein Versicherungsvertrag mit der Produktbezeichnung „A*****“ betreffend das Wohnhaus der Klägerin samt Garage in K*****. Versichert waren Schäden im Zusammenhang mit Elementarereignissen. Vereinbart war eine (wertangepasste) Versicherungssumme von 177.912 EUR.

Am Abend des 24. 6. 2008 trat der K*****fluss über die Ufer und es kam zu einer Überflutung der daran angrenzenden Liegenschaften. Dabei wurde auch das Wohnhaus der Klägerin teilweise unter Wasser gesetzt und erheblich beschädigt. Die Kosten für die Sanierung der durch die Überschwemmung bedingten Schäden am Gebäude der Klägerin betrugen gerundet 66.703 EUR.

Die Beklagte anerkannte auf Grund des aufrechten Versicherungsvertrags die Deckung für diesen Versicherungsfall. Sie leistete an die Klägerin 26.382 EUR.

Gemäß einer zwischen den Parteien vereinbarten besonderen Bedingung war unter anderem auch Überschwemmung eine versicherte Gefahr. Die Entschädigung daraus wurde mit insgesamt 50 % der Versicherungssumme begrenzt und ein Selbstbehalt von 300 EUR vereinbart.

Weiters bestand zwischen der Klägerin und der G***** Versicherung AG ein Versicherungsvertrag betreffend das erwähnte Gebäude. Die Versicherungssumme betrug im März 2008 wie auch zum Schadenszeitpunkt 284.850 EUR. Im Rahmen einer besonderen Bedingung wurden zusätzlich Schäden, verursacht unter anderem durch Überschwemmung und Hochwasser, versichert. Dabei wurde die Gesamtentschädigungsleistung mit dem in der Polizze angegebenen Betrag ‑ 7.500 EUR ‑ auf erstes Risiko pro Schadenfall begrenzt. Die Klägerin erhielt von diesem Versicherer aus dem vorliegenden Sachverhalt eine Leistung von 15.000 EUR.

Der Neubauwert des Wohnhauses der Klägerin beträgt 451.810 EUR.

Nicht festgestellt werden kann, ob der Mitarbeiter der Beklagten dem Vertreter der Klägerin empfahl, einen Vertrag mit einer Versicherungssumme von (damals) 150.000 EUR abzuschließen, und ob er der Klägerin bzw deren Vertreter zusicherte, dass mit der abgeschlossenen Versicherung ein ausreichender Versicherungsschutz gegen Hochwasserschäden gegeben sein wird. Auch kann nicht festgestellt werden, ob der Vertreter der Klägerin dem Mitarbeiter der Beklagten die Information gab, dass das Objekt bereits bei der G***** Versicherung AG gegen Hochwasser versichert ist.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten 25.321 EUR sA mit der Begründung, diese habe nicht die gesamten Sanierungskosten bezahlt. Dazu sei sie jedoch auf Grund des Versicherungsvertrags und infolge Doppelversicherung verpflichtet. Beim Deckungsumfang der Versicherung, die mit der G***** Versicherung AG abgeschlossen worden sei, handle es sich nur um eine Entschädigungsbeschränkung, nicht jedoch um eine Verringerung der Versicherungssumme. Der Versicherer habe daher nach Maßgabe seines Vertrags zu leisten und könne bei den übrigen Doppelversicherungen anteilig Rückgriff nehmen. Es liege auch keine Unterversicherung vor. Ein derartiger Einwand würde zudem gegen Treu und Glauben und die guten Sitten verstoßen. Die Versicherungssumme sei von der Beklagten bzw deren Mitarbeiter nach Besichtigung des Objekts unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Versicherung der G***** Versicherung AG unter ausdrücklicher Zusicherung eines ausreichenden Versicherungsschutzes genannt worden.

Die Beklagte wendete ein, sie sei zu keiner weiteren Zahlung verpflichtet. Eine Doppelversicherung liege nicht vor. Die Versicherungssummen würden den Versicherungswert nicht übersteigen. Aus der Versicherung mit der G***** Versicherung AG bestehe eine begrenzte Leistungspflicht mit „etwa 7.267 EUR“. Darüber hinaus liege eine Unterversicherung vor. Demgemäß hafte die Beklagte nur im Unterversicherungsverhältnis. Der Schadensbetrag sei somit um jenes Verhältnis zu kürzen, das dem Zurückbleiben der Versicherungssumme hinter dem Versicherungswert entspreche (somit um rund 60 %).

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Rechtlich führte es aus, der Klägerin sei nicht der Beweis gelungen, dass der Angestellte der Beklagten ausdrücklich einen ausreichenden Versicherungsschutz zugesichert habe. Damit habe sie auch nicht beweisen können, dass der Beklagten eine Verletzung der Beratungspflicht bei der Wahl der passenden Versicherungssumme zur Last falle. Der Einwand der Unterversicherung verstoße weder gegen Treu und Glauben noch gegen die guten Sitten. Das Klagebegehren sei daher ‑ den Rechtsausführungen des Berufungsgerichts im ersten Rechtsgang folgend ‑ abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Rechtlich argumentierte es, die erste Alternative des § 59 Abs 1 VersVG sei jene, dass die Summe der Versicherungssummen den Versicherungswert übersteige. Versicherungswert sei der Betrag von 451.810 EUR. Die Versicherungssumme aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag betrage 177.912 EUR. Die Versicherungssumme aus dem Vertrag zwischen der Klägerin und der G***** Versicherung AG von 284.850 EUR beziehe sich auf eine Versicherung betreffend die Sparten Feuer, Leitungswasser, Sturmschaden und Haftpflicht. Ergänzend dazu werde in der Versicherungspolizze festgehalten, es gelte für Schäden unter anderem durch Überschwemmungen und Hochwasser eine Versicherung auf erstes Risiko bis zu einer Höhe von 7.500 EUR. Bei der Versicherung auf erstes Risiko sei die Proportionalitätsregel ausgeschlossen. Die Bedeutung der Versicherungssumme reduziere sich auf die absolute Begrenzung der Entschädigung, sodass jeder Schaden bis zur Höhe der Versicherungssumme vollständig ersetzt werde. Die Klägerin habe mit der G***** Versicherung AG im Rahmen ihres Vertrags betreffend eine Eigenheimversicherung für Schäden, resultierend aus unter anderem Hochwasser und Überschwemmung, einen insoweit eigenständigen Vertrag auf erstes Risiko geschlossen, bei dem die Versicherungssumme und gleichzeitig die absolute Begrenzung der Entschädigung mit 7.500 EUR festgesetzt worden sei. Zur Versicherungssumme aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag sei als weitere, getrennte Versicherungssumme eine solche von 7.500 EUR hinzuzuzählen. Die zusammengerechnete Summe übersteige nicht den Versicherungswert von 451.810 EUR, weshalb die erste Variante des § 59 Abs 1 VersVG nicht vorliege.

Bei der zweiten Alternative des § 59 Abs 1 VersVG werde darauf abgestellt, ob die Summe der von den Versicherern nach ihrem jeweiligen Vertrag zu zahlenden Entschädigungen aus anderen Gründen den Gesamtschaden übersteige. Bei der Versicherung zwischen der Klägerin und der G***** Versicherung AG sei der maßgebliche Betrag 7.500 EUR. Die Versicherungssumme des Vertrags zwischen den Parteien betrage 177.912 EUR, der Neubauwert jedoch 451.810 EUR. Aus Sicht der Beklagten liege eine Unterversicherung vor. Dies sei bei der Berechnung des Entschädigungsbetrags, den die Beklagte auf Basis ihres Vertrags ohne Berücksichtigung eines weiteren Versicherers zu zahlen habe, zu Grunde zu legen. Wenn es sich bei einem oder mehreren der beteiligten Verträge um eine Unterversicherung handle, könne der Versicherungsnehmer gegenüber dem jeweiligen Versicherer nur den nach § 56 VersVG geminderten Betrag begehren. Der Versicherer schulde bei Doppel‑ und Unterversicherung den geringeren Betrag. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in 7 Ob 67/02g zur ersten Variante der Doppelversicherung (§ 59 Abs 1 erster Fall VersVG) ausgeführt, für eine Kürzung nach der Proportionalitätsregel bestehe bei der Mehrfachversicherung kein Anlass, jedoch könne ‑ jedenfalls bei der zweiten Variante des § 59 Abs 1 VersVG ‑ die Berechnung, welche Entschädigung die Versicherung auf Grund ihres Vertrags ohne Berücksichtigung der anderen Versicherung zu zahlen habe, nur sachgerecht erfolgen, wenn auf eine darin enthaltene Unterversicherung Bedacht genommen werde. Die Versicherungssumme von 177.912 EUR sei daher zum Neubauwert von 451.810 EUR ins Verhältnis zu setzen. Der erstgenannte Betrag entspreche gerundet 40 % des zweitangeführten Betrags. Damit bleibe die Versicherungssumme um 60 % hinter dem Versicherungswert zurück. Der Klägerin stehe daher aus diesem Vertragsverhältnis ein Anspruch auf 40 % des Schadens abzüglich des Selbstbehalts zu. 40 % der Schadenssumme von 66.703 EUR ergeben 26.681,20 EUR und abzüglich des Selbstbehalts von 300 EUR einen Betrag von 26.381,20 EUR. Addiere man zu diesem Betrag die Leistungspflicht der G***** Versicherung AG von 7.500 EUR, so resultiere daraus, dass auch die zweite Variante des § 59 Abs 1 VersVG nicht vorliege. Eine Doppelversicherung könne daher nicht angenommen werden. Den errechneten Betrag von 26.381,20 EUR, der auf die Beklagte entfalle, habe diese bereits bezahlt.

Der Klägerin sei der Beweis nicht gelungen, dass die Beklagte vor Vertragsabschluss ihr oder ihrem Vertreter durch Nennung einer Versicherungssumme in bestimmter Höhe einen ausreichenden Versicherungsschutz zugesagt habe. Der Beklagten könne damit keine Verletzung der Beratungspflicht betreffend die Wahl der passenden Versicherungssumme zur Last gelegt werden. Sie könne sich auf den Einwand der Unterversicherung berufen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Mit Ausnahme der Entscheidung 7 Ob 67/02g zur ersten Variante des § 59 Abs 1 VersVG, der zur hier maßgeblichen zweiten Variante des § 59 Abs 1 VersVG nicht gefolgt werde, fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Vorgangsweise bei der Berechnung nach § 59 Abs 1 iVm § 56 VersVG.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Prozessgegnerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die den Prozess entscheidende Frage lautet, ob für den konkreten Versicherungsfall eine Doppelversicherung vorliegt und ob die Mehrfachversicherung einen Einfluss auf den Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen seinen Versicherer bei Unterversicherung hat.

1. Die in § 59 Abs 1 VersVG definierte Doppelversicherung ist ein Sonderfall einer Neben‑ bzw Mehrfachversicherung nach § 58 VersVG. Eine Doppelversicherung setzt voraus, dass dasselbe Interesse gegen dieselbe Gefahr bei zwei Versicherern versichert ist. Ein zusätzlich erforderliches Merkmal ist, dass entweder (erste Alternative) die Summe der Versicherungssummen den Versicherungswert übersteigt oder (zweite Alternative) dass die Summe der von den Versicherern zu zahlenden Entschädigungen aus anderen Gründen den Gesamtschaden übersteigt.

Die Versicherer haften dem Versicherungsnehmer bei der Doppelversicherung im Sinn des § 890 ABGB zur gesamten Hand jeweils nach Maßgabe des Vertrags. Der Versicherungsnehmer kann also von jedem der Versicherer (ganz oder teilweise) die Entschädigung fordern, die ihm nach dem Vertrag gebührt. Jeder Versicherer ist daher genau in jenem Umfang zur Leistung verpflichtet, in dem er es auch ohne Doppelversicherung wäre. § 59 Abs 1 VersVG begrenzt den Anspruch allerdings insoweit, als der Versicherungsnehmer keinen höheren Anspruch hat, als der Betrag des Schadens insgesamt ausmacht. Um die subjektive Gefahr der bewussten oder unbewussten Herbeiführung des Versicherungsfalls zurückzudrängen, die mit der Doppelversicherung unter Aussicht auf eine doppelte Entschädigung verbunden ist, hat der Gesetzgeber die Entschädigung auf den Betrag des Schadens begrenzt (7 Ob 52/02a = SZ 2002/49 = ecolex 2004, 156 [ Ertl ]; 7 Ob 223/11m jeweils mwN).

2. Eine Doppelversicherung eines Interesses gegen dieselbe Gefahr im Sinn des § 59 Abs 1 VersVG liegt auch vor, wenn eine Einzel‑ und eine Inbegriffsversicherung (§ 54 VersVG) oder zwei Inbegriffsversicherungen zusammentreffen und die betroffene Sache jeweils Teil des versicherten Inbegriffs ist. Dieselbe Gefahr besteht auch dann, wenn in den einzelnen Verträgen mehrere Gefahrenkombinationen erfasst sind und die konkrete Gefahr, die zum Versicherungsfall geführt hat, in den jeweiligen Verträgen gedeckt ist (7 Ob 36/93 mwN: „Eigenheim‑Vollschutzversicherung“ und „Haushaltsversicherung“, denen jeweils die AHB zu Grunde lagen). Unstrittig ist, dass die konkrete Gefahr, die zum Versicherungsfall führte (Überschwemmung), sowohl im Versicherungsvertrag zwischen den Parteien als auch zwischen der Klägerin und der G***** Versicherung AG gedeckt ist. In beiden Versicherungsverträgen besteht zumindest teilweise Identität des versicherten Interesses (Schutz vor Schäden am Gebäude) und der versicherten Gefahr (Überschwemmung).

3. Zutreffend haben die Vorinstanzen ‑ wovon auch die Klägerin in der Revision ausgeht ‑ dargelegt, dass die erste Alternative des § 59 Abs 1 VersVG (Versicherungssummen übersteigen zusammen den Versicherungswert) nicht verwirklicht ist. Versicherungswert ist (unstrittig) der Neubauwert des versicherten Wohnhauses der Klägerin von 451.810 EUR. Im zwischen der Klägerin und der G***** Versicherung AG abgeschlossenen Versicherungsvertrag wurden zusätzlich Schäden, verursacht durch Überschwemmung und Hochwasser, versichert und diesbezüglich die Gesamtentschädigungsleistung mit 7.500 EUR auf erstes Risiko pro Schadenfall begrenzt. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich um eine Erstrisikoversicherung. Darin verpflichtet sich der Versicherer, einen Schaden im Rahmen der Versicherungssumme jedenfalls zu ersetzen, ohne dass das allfällige Vorliegen einer Unterversicherung geprüft würde ( Schauer , Versicherungsvertragsrecht³ 179). Bei einer Versicherung auf erstes Risiko entschädigt der Versicherer jeden Schaden bis zur Höhe der Versicherungssumme voll. Die Proportionalitätsregel des § 56 VersVG wird ausgeschaltet. Der Versicherer trägt hier bis zur Höhe der Versicherungssumme das „erste Risiko“ ohne Rücksicht auf den Versicherungswert. Soweit der Schaden die Versicherungssumme übersteigt, hat ihn der Versicherungsnehmer zu übernehmen; er trägt das „zweite Risiko“ selbst ( Möller in Bruck/Möller/Sieg , VVG 8 , § 56 Anm 58, 63; Kollhosser in Prölss/Martin , VVG 27 , § 56 Rn 19). Die Versicherungssumme der im vorliegenden Fall vereinbarten Erstrisikoversicherung von 7.500 EUR zusammen mit der Versicherungssumme des zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrags von 177.912 EUR übersteigt nicht den Versicherungswert von 451.810 EUR.

4. Nach der zweiten Alternative des § 59 Abs 1 VersVG liegt eine Doppelversicherung vor, wenn die Summe der Entschädigungen, die von jedem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wären, den Betrag des gesamten Schadens übersteigt. Das Merkmal „aus anderen Gründen“ dient der Kennzeichnung dieser Alternative als Auffangtatbestand ( Schauer in BK § 59 VVG aF Rn 6; Halbach in MünchKomm zum VVG [2010] § 78 nF Rn 10). Ob die Summe der Entschädigungen den Gesamtschaden übersteigt, kann erst regelmäßig beim Versicherungsfall auf Grund der dann vorliegenden Rechtsverhältnisse festgestellt werden; insoweit kann das Vorliegen einer Doppelversicherung erst im Zeitpunkt des Versicherungsfalls beurteilt werden ( Schauer in BK § 59 VVG Rn 10; 7 Ob 36/93). Unter die zweite Alternative fällt ‑ neben einer Mehrheit von Haftpflichtversicherungen (vgl 7 Ob 52/02a; 7 Ob 223/11m) ‑ auch das Zusammentreffen einer Erstrisikoversicherung mit einer weiteren Erstrisikoversicherung oder ‑ wie hier ‑ mit einer „normalen“ Versicherung. In diesen Fällen kann die Entschädigung, die nach den „mehreren“ Versicherungsverträgen zu zahlen wäre, höher sein als der Gesamtschaden, weil der Versicherer bei der Erstrisikoversicherung bis zur Versicherungssumme zahlt, egal ob Unterversicherung vorliegt oder nicht ( Römer in Römer/Langheid , VVG² § 59 Rn 6).

Zunächst muss festgestellt werden, welche Entschädigung jeder einzelne Versicherer in diesem Versicherungsfall vertragsgemäß zu zahlen hätte, wenn keine zweite Versicherung vorläge. Handelt es sich bei einem oder mehreren der beteiligten Verträge um eine Unterversicherung, so kann der Versicherungsnehmer gegenüber dem jeweiligen Versicherer ‑ sofern die Versicherung nicht auf erstes Risiko genommen wurde ‑ nur den nach § 56 VersVG geminderten Betrag begehren. Auch eine vereinbarte Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers (Selbstbehalt) ist zu berücksichtigen ( Kollhosser aaO § 59 Rn 8; Römer aaO § 59 Rn 6, 7; Schauer in BK § 59 VVG Rn 14; ders , Versicherungsvertragsrecht³ 183, 184 [Beispiele]; Möller aaO § 59 Anm 16).

Ist die Versicherungssumme (177.912 EUR) - wie im Fall der zwischen den Parteien abgeschlossenen Gebäudeversicherung - niedriger als der Versicherungswert (451.810 EUR) zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls (Unterversicherung), so haftet der Versicherer gemäß § 56 VersVG für den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert. Gemäß dieser Bestimmung erfolgt die Berechnung der Versicherungsleistung nach der Formel: Entschädigung = Versicherungssumme x Schaden, dividiert durch den Versicherungs‑(Ersatz‑)Wert (7 Ob 314/00b mwN). Zutreffend hat das Berufungsgericht die von der Beklagten geschuldete Versicherungsleistung entsprechend dieser Formel unter Berücksichtigung des Selbstbehalts mit 26.381,20 EUR errechnet. Zählt man zu diesem Betrag die Entschädigung der G***** Versicherung AG von 7.500 EUR dazu, zeigt sich, dass damit der Gesamtschaden von 66.703 EUR nicht erreicht wird, sodass auch die zweite Variante des § 59 Abs 1 VersVG nicht erfüllt ist.

5. Die Klägerin vertritt ‑ den Ausführungen in der Entscheidung 7 Ob 67/02g zu § 59 Abs 1 erster Fall VersVG folgend ‑ die Ansicht, bei einer Mehrfachversicherung bestehe in Bezug auf den Versicherungsvertrag mit der Beklagten für eine Kürzung nach der Proportionalitätsregel kein Anlass. Die weiters zitierte Literaturstelle sowie die Entscheidung 7 Ob 10/90 sind jedoch kein Beleg für ihre Rechtsansicht. 7 Ob 10/90 beschäftigt sich lediglich mit dem internen Regress von Doppelversicherern, nicht jedoch mit dem Verhältnis zwischen Doppel‑ und Unterversicherung.

In der Entscheidung 7 Ob 67/02g (GesRZ 2004, I [ Feil ] = ecolex 2004, 156 [ Ertl ]) sprach der Oberste Gerichtshof folgendes aus: Ist ein Interesse in mehreren Versicherungsverträgen versichert und übersteigen die Versicherungssummen insgesamt ‑ anders als hier ‑ den Versicherungswert (§ 59 Abs 1 erster Fall VersVG), so ist der Anspruch des Versicherungsnehmers aus einem dieser Verträge nicht proportional wegen Unterversicherung zu kürzen, auch wenn bei diesem Einzelvertrag die Versicherungssumme unter dem Versicherungswert liegt. Diese Auffassung beruht auf dem (in der Entscheidung nicht näher ausgeführten) Rechtsgedanken, die Kürzung der Haftung des zahlenden „Unterversicherers“ nicht schon im Außenverhältnis zum Versicherungsnehmer, sondern erst im Innenverhältnis zu den übrigen Versicherern zu verwirklichen. Zunächst sind die Versicherungssummen der übrigen Versicherungsverträge bei der Anwendung des § 56 VersVG zu berücksichtigen, wodurch es bei einer solchen Doppelversicherung zu keiner Kürzung des Entschädigungsanspruchs des Versicherungsnehmers kommt. Die proportionale Kürzung der Haftung des „Unterversicherers“ erfolgt auf „zweiter Ebene“ über den Regressanspruch im Innenverhältnis zu den übrigen Versicherern. Die Reduktion der Haftung wird dadurch erzielt, dass sich dessen Regressanspruch (§ 59 Abs 2 VersVG) erhöht.

§ 59 Abs 1 VersVG aE bestimmt aber, „dass dem Versicherungsnehmer jeder Versicherer für den Betrag haftet, dessen Zahlung ihm nach seinem Vertrag obliegt“. Die herrschende Lehre ( Ehrenzweig , Versicherungsvertragsrecht [1952] 256; Möller aaO § 59 Anm 16; Schauer in BK § 59 VVG Rn 14; ders , Versicherungsvertragsrecht³ 183; Römer aaO § 59 Rn 7; Rubin , OGH: Mehrfachversicherung schlägt Unterversicherung?, RdW 2003/469, 554 [556]) und auch die Rechtsprechung (7 Ob 52/02a; 7 Ob 223/11m) führen dazu aus, dass für die Ermittlung der Entschädigung, die jeder einzelne Versicherer dem Versicherungsnehmer zu leisten hat, jeder Vertrag für sich isoliert beurteilt wird. Besteht daher im betreffenden Vertrag Unterversicherung, ist die Proportionalitätsregel des § 56 VersVG ungeachtet der Existenz der anderen Versicherungsverträge anzuwenden. Das bedeutet, dass sich die proportionale Minderung der Entschädigungspflicht des jeweiligen Versicherers ausschließlich aus dem Verhältnis der Versicherungssumme des ihn betreffenden Vertrags zum Versicherungswert ergibt. § 56 VersVG ist also unverändert anwendbar, sodass nach dieser Norm dieselbe Leistungspflicht für jeden einzelnen Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber bei Doppelversicherung besteht wie im Fall der Alleinversicherung durch einen einzigen Versicherer. Zutreffend zeigt Rubin (aaO 557) auf, dass diese Lösung nicht nur dem Wortlaut des § 59 Abs 1 VersVG wie auch dem historischen Willen des Gesetzgebers entspricht, sondern sowohl teleologische (Schlechterstellung des Versicherers bei einem Regressanspruch gegenüber der unmittelbaren Minderung des Entschädigungsanspruchs des Versicherungsnehmers) als auch systematische (bei „schlichter“ - den Versicherungswert nicht übersteigender - Mehrfachversicherung müsste § 59 Abs 2 VersVG ohne planwidrige Gesetzeslücke analog angewendet werden) Argumente dafür sprechen.

Auf Grund dieser überzeugenden Ausführungen wird die vorstehend genannte (im Übrigen vereinzelt gebliebene) in 7 Ob 67/02g vertretene Rechtsansicht nicht aufrecht gehalten.

6. Wenn die Klägerin damit argumentiert, dass sie der Beklagten mehrere Jahre hindurch Versicherungsprämien gezahlt habe, dann aber ein Drittel der Sanierungskosten selbst zu tragen habe, übersieht sie, dass sich die von ihr bezahlte Prämie regelmäßig als Bruchteil der Versicherungssumme (177.912 EUR) bemisst. Der Versicherungswert (hier: 451.810 EUR) findet hingegen aus Gründen der Vereinfachung der Prämienkalkulation grundsätzlich keine Berücksichtigung. Dessen ungeachtet hat er dennoch Einfluss auf das versicherte Risiko. Denn unabhängig von der Versicherungssumme führt ein größerer Versicherungswert grundsätzlich auch zu einer Erhöhung des versicherten Risikos. Typischerweise treten Teilschäden häufiger als Folgeschäden auf. Ebenso sind im Verhältnis zum Sachwert niedrigere Teilschäden wahrscheinlicher als höhere. Dieses mit dem Steigen des Versicherungswerts einhergehende Wachsen des Risikos ist somit von der Höhe der Versicherungssumme unabhängig. Daher bleibt diese Risikoerhöhung bei der Prämienbemessung im Regelfall unberücksichtigt. Dadurch erscheint im Fall der Unterversicherung die Prämie im Verhältnis zum versicherten Risiko als zu gering bemessen. Ratio des § 56 VersVG ist es, im Fall eines Teilschadens diese Äquivalenzstörung auszugleichen ( Rubin aaO 554 mwN).

Der von der Beklagten erhobene Einwand der Unterversicherung widerspricht auch nicht Treu und Glauben. Der Klägerin ist der Beweis nicht gelungen, dass die Beklagte ihr oder ihrem Vertreter vor Vertragsabschluss durch Nennung einer Versicherungssumme in bestimmter Höhe einen ausreichenden Versicherungsschutz gegen Hochwasserschäden zusagte. Dass eine Doppelversicherung „extensiv ausgelegt“ werden und „letzten Endes positive Auswirkungen“ auf den Versicherungsnehmer haben soll, trifft im Fall der Unterversicherung nicht zu.

7. Die Vorinstanzen haben daher das Klagebegehren zu Recht abgewiesen, weshalb die Revision erfolglos bleiben muss.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte