OGH 11Os166/11p

OGH11Os166/11p16.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Krasa als Schriftführer, im Verfahren zur Unterbringung des Anton G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 12. September 2011, GZ 11 Hv 195/10f-81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Anton G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet, weil er in T***** unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer wahnhaften Störung, somit einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhte, Taten begangen hat, die ihm außerhalb dieses Zustands als die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wären, nämlich Dr. Alois J*****, mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1.) am 3. Februar 2010 mittelbar durch die gegenüber der Sekretärin Marianne K***** telefonisch gemachte Äußerung, sie solle Dr. J***** ausrichten, er möge sich endlich den Akt beim Bezirksgericht Mondsee über Kindesmissbrauch und Kinderhandel anschauen und dies nicht immer decken; wenn Dr. J***** nicht spure, sei er seines Lebens nicht mehr sicher und es gehe ihm wie dem H*****;

2.) am 3. Februar 2010 durch die telefonische Äußerung, er möge sich im Klaren sein, dass sein Leben in Gefahr sei, er solle sich einen schönen Sarg besorgen;

3.) am 9. Februar 2010 mittelbar durch die gegenüber der Sekretärin Brigitte Ku***** telefonisch gemachte Äußerung, sie möge Dr. J***** ausrichten, wenn nicht bald etwas geschehe, dann solle er sich in Acht nehmen, dass es ihm nicht so gehe wie H***** und Konsorten, weil dann könne er sich nämlich einen Sarg richten.

Rechtliche Beurteilung

Der Betroffene bekämpft dieses Urteil mit einer auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; diese verfehlt ihr Ziel.

Die Tatrichter gründeten die Feststellungen zur inneren Tatseite - der Mängelrüge zuwider logisch und empirisch einwandfrei - auf die vom Betroffenen verwendete Wortwahl, insbesondere auf dessen Verweis auf den in Österreich notorischen Tod von Dr. Jörg H***** sowie die Aufforderung an Dr. J*****, sich einen Sarg zu besorgen (US 6). Entgegen dem weiteren Vorbringen waren die von der Beschwerde - teils unvollständig wiedergegebenen (vgl ON 80 S 12 dritter Absatz) - Erwägungen des medizinischen Sachverständigen zur Schwierigkeit der Deutung und Beweisbarkeit verbaler Äußerungen im Nachhinein sowie zur für Dritte nicht nachvollziehbaren Zusammenfügung von Informationen im Rahmen einer paranoiden Realitätsverarbeitung (ON 80 S 12 oben) nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall), handelte es sich dabei doch um ganz allgemeine methodische Ausführungen und persönliche Einschätzungen des Sachverständigen, die zudem auch außerhalb seines Gutachtensauftrags lagen (ON 1 S 21; ON 74).

Die unter eigenständiger Interpretation der Telefongespräche angestellten Überlegungen der Mängelrüge zum Bedeutungsgehalt der Äußerungen des Betroffenen kritisieren bloß - in diesem Rahmen unzulässig - die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne eine ein Begründungsgebrechen im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzeigen zu können.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet sich gegen die vom Erstgericht bejahte Rechtsfrage (vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 34), wonach die von Anton G***** ausgesprochenen Drohungen geeignet gewesen seien, Dr. J***** in Furcht und Unruhe zu versetzen. Indem sie aber im Wege selbständiger, sich von den Urteilsannahmen entfernender Überlegungen zur Einschätzung gelangt, es liege bloß eine straflose Unmutsäußerung vor, entfernt sie sich von den tatrichterlichen Konstatierungen, somit dem vom Gesetz geforderten Bezugspunkt der Anfechtung. Soweit sie die vom Erstgericht festgestellten Äußerungen als bloße Warnungen darstellt, vernachlässigt sie gleichfalls die jeweils eine Drohung konstatierenden Urteilsannahmen (US 3) und verfehlt so die gebotene Orientierung am Verfahrensrecht (RIS-Justiz RS0099810).

Welcher zusätzlicher „Feststellungen zu den Begleitumständen der festgestellten Äußerungen“ („wie konkret das angedrohte Übel und wie realistisch seine Verwirklichung ist“) es konkret bedurft hätte, vermag die Nichtigkeitsbeschwerde ebenso wenig anzugeben (RIS-Justiz RS0118342) wie Beweisergebnisse, durch die solche zusätzlichen Feststellungen indiziert wären.

Zur subjektiven Tatseite vermisst das Rechtsmittel ebenfalls „wesentliche Feststellungen zu den Begleitumständen“ der festgestellten Äußerungen sowie dazu, „inwiefern der Betroffene die von ihm geschilderte Gefahrensituation als real wahrgenommen und erlebt hat“ und bestreitet überdies das Vorliegen der (vom Gesetz geforderten) Absicht, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen. Die hiezu angestellten Erwägungen gehen aber - entgegen den Urteilsannahmen - neuerlich von der Prämisse einer beabsichtigen bloßen Warnung aus, ergehen sich in beweiswürdigenden Überlegungen zum Bedeutungsgehalt der Äußerungen sowie in Spekulationen über beim Betroffenen vorliegende „Denkstörungen“ und dessen daraus resultierendes Verhalten. Damit verfehlen sie aber neuerlich den erforderlichen Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem im Urteil festgestellten Sachverhalt (erneut RIS-Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

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