OGH 11Ns3/12y

OGH11Ns3/12y19.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Michel in der Strafsache gegen Cone C***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, AZ 31 U 43/11t des Bezirksgerichts Fünfhaus über Anregung des Bezirksgerichts Fünfhaus auf Delegierung nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 Satz 2 OGH-Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Delegierungsanregung wird nicht gefolgt.

Die Akten werden dem Oberlandesgericht Wien zurückgestellt.

Text

Gründe:

Das Oberlandesgericht Wien legt den Akt AZ 31 U 43/11t des Bezirksgerichts Fünfhaus zur Entscheidung über den „Antrag des Angeklagten“ auf Zuweisung der Strafsache an das Bezirksgericht Linz vor.

Die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Fünfhaus nahm die Missachtung der gerichtlichen Ladung zur Hauptverhandlung zum Anlass, im Wege des Stadtpolizeikommando Linz abzuklären, ob der Angeklagte aus „Zweckmäßigkeitsgründen“ die Delegierung an das Bezirksgericht Linz beantrage und gegebenenfalls auch mit der Verlesung der Aussagen auswärtiger Zeugen einverstanden sei (ON 1 S 5).

Der Vernehmung des Angeklagten lässt sich zwar eine Zustimmung zur Verlesung und zu einem Vorgehen nach § 39 Abs 1 StPO, aber kein auf Zuweisung des Verfahrens an das Bezirksgericht Linz gerichteter Antrag des Cone C***** entnehmen (ON 12), weshalb die dennoch unter diesem Aspekt erfolgte Vorlage als Anregung des Gerichts zu werten ist.

Die zuständige Richterin erachtet eine Abnahme der Strafsache für zweckmäßig, weil der Angeklagte im Sprengel des Bezirksgerichts Linz seinen Wohnsitz habe und eine Anreise nach Wien mit „unzumutbaren Kosten und Zeitaufwand“ verbunden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Zu einem Vorgehen nach § 39 Abs 1 StPO besteht kein Anlass.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Bestimmung des § 39 Abs 1 StPO nicht nur mit Blick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG), sondern auch aufgrund deren Ausnahmecharakters einer restriktiven Auslegung bedarf (vgl RIS-Justiz RS0053538 [T3]; Nordmeyer, WK-StPO § 28 Rz 2; Lässig, WK-StPO Vor §§ 43-47 Rz 3). Demgemäß vermag der außerhalb des Sprengels des Bezirksgerichts Fünfhaus gelegene Wohnort des Angeklagten allein die Zulässigkeit eines Vorgehens nach § 39 Abs 1 StPO nicht zu begründen. In Bezug auf die Erklärung des Angeklagten, mit der Verlesung von (ihn belastenden) Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung einverstanden zu sein, übersieht das Bezirksgericht Fünfhaus, dass Protokolle über die Vernehmung von (ua) Zeugen gemäß § 252 Abs 1 erster Satz StPO (hier iVm § 447 StPO) - bei sonstiger Nichtigkeit - nur in den in § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO angeführten Fällen verlesen werden dürfen, nach der Aktenlage aber keiner dieser Ausnahmetatbestände indiziert ist. Insbesondere ist hinsichtlich der Verlesung kein Einverständnis der Staatsanwaltschaft zu erwarten (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO). Hinzu kommt, dass es mit Blick auf § 258 Abs 2 StPO (iVm § 447 StPO) aufgrund der leugnenden Verantwortung des Angeklagten (ON 2 S 9) für das erkennende Gericht wohl unumgänglich sein wird, sich einen persönlichen Eindruck (auch) von der Belastungszeugin zu verschaffen, sodass deren unmittelbare Vernehmung (§ 258 Abs 1 StPO [iVm § 447 StPO]) schon unter dem Aspekt der Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) geboten sein wird.

Davon ausgehend wäre im Fall einer Delegierung eine mit erheblichen Kosten und Zeitaufwand verbundene Anreise der Belastungszeugin nach Linz erforderlich.

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