OGH 6Nc25/11w

OGH6Nc25/11w9.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen B*****, geboren am 30. September 2002, und M*****, geboren am 14. Mai 2004, L*****, beide vertreten durch die Mutter Mag. S***** O*****, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. August 2011, GZ 1 Ps 145/10f-351, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Villach wird genehmigt.

Text

Begründung

Am 1. 7. 2011 teilte die für die beiden Minderjährigen obsorgeberechtigte Mutter dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit, sie sei mit den Kindern nach ***** verzogen, weshalb sie beantrage, den Pflegschaftsakt an das nunmehr zuständige Bezirksgericht Villach abzutreten. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien übertrug daraufhin mit Beschluss vom 16. 8. 2011 gemäß § 111 JN seine Zuständigkeit an das Bezirksgericht Villach; dieser Beschluss wurde vom Vater der beiden Minderjährigen nicht angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 19. 9. 2011 übermittelte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Pflegschaftsakt dem Bezirksgericht Villach unter Hinweis auf einen offenen Besuchsrechtsantrag des Vaters betreffend die Festlegung von Übernachtungen beim Vater und auf verschiedene Anträge des Vaters vom 9. 9. 2011, die sich ebenfalls auf Umfang und Ausgestaltung des Besuchsrechts beziehen.

Am 10. 10. und am 24. 11. 2011 langten weitere Anträge des Vaters beim Bezirkgericht Innere Stadt Wien ein, die sich wiederum auf Besuchsmodalitäten und die Einräumung der gemeinsamen Obsorge bezogen.

Am 12. 12. 2011 lehnte das Bezirksgericht Villach die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens ab und verwies auf die offenen Anträge; im Übrigen handle es sich um einen äußerst umfangreichen Akt, in welchem an die umfangreichen Ergebnisse des bisherigen Verfahrens angeknüpft werden müsse, weshalb es eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens bewirken würde, müssten sich ein nicht bereits in den Akt eingelesener Richter und ein neuer Sachverständiger mit der Pflegschaftssache befassen.

Am 23. 12. 2011 legte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt dem Obersten Gerichtshof vor, wobei es darauf verwies, dass für Stellungnahmen zu den Anträgen des Vaters nunmehr die Bezirkshauptmannschaft Villach zuständig sei, dass die Bestellung eines Sachverständigen aus dem Sprengel des Bezirksgerichts Villach angesichts des Wohnorts der Kinder nunmehr zweckmäßiger erscheine und dass die neu gestellten Anträge auch ohne lange Sachkenntnis des Aktes bearbeitet werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung ist berechtigt.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nach § 111 Abs 2 JN ist die Übertragung nur dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt oder im Falle der Weigerung des anderen Gerichts eine Genehmigung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht - hier der Oberste Gerichtshof - erfolgt.

Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074). Nach ständiger Rechtsprechung wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RIS-Justiz RS0047300 uva). Offene Anträge sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, sofern nicht dem übertragenden Gericht für die ausstehende Entscheidung besondere Sachkenntnis zukommt oder es jedenfalls in der Lage ist, sich diese Kenntnisse leichter zu verschaffen als das andere Gericht (RIS-Justiz RS0047032). Eine derartige „besondere Sachkenntnis“ des übertragenden Gerichts, die der Zuständigkeitsübertragung an das Gericht des Aufenthaltsorts der von noch offenen Anträgen betroffenen Kinder entgegenstehen würde, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu erkennen. Ebenso wenig kann angesichts der noch ausstehenden Erhebungen gesagt werden, dass sich das übertragende Gericht die notwendige Sachkenntnis leichter verschaffen könnte, als das Gericht des Aufenthaltsorts des Kindes. Damit ist aber die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht des Aufenthaltsorts der Kinder zu genehmigen.

Stichworte