Spruch:
Der Akt 12 Cg 14/11a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz wird diesem zurückgestellt.
Text
Begründung
Der Kläger stützt die von ihm erhobenen Amtshaftungsansprüche auf seine rechtswidrige Inhaftierung. Vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz habe im Verfahren 10 Hv 124/08a am 16. 12. 2008 die Hauptverhandlung stattgefunden, zu der er als Zeuge geladen gewesen sei. In dieser Verhandlung sei über ihn aus den Haftgründen der Flucht- und Verdunkelungsgefahr die Untersuchungshaft verhängt worden. Das Oberlandesgericht Graz habe seiner Haftbeschwerde mit Beschluss vom 30. 12. 2008 Folge gegeben und seine Enthaftung angeordnet.
Die Beklagte beantragte, den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 9 Abs 4 AHG vorzulegen, weil jener Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung vom 16. 12. 2008 den Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft über den Kläger gestellt habe, zwischenzeitig zum Richter des Oberlandesgerichts Graz ernannt worden sei. Zwar sei § 9 Abs 4 AHG nicht direkt anwendbar, doch erscheine die Delegierung aus Gründen der Objektivität geboten.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz legte den Akt entsprechend diesem Antrag dem Obersten Gerichtshof iSd § 9 Abs 4 AHG zur Bestimmung eines anderen Gerichts vor.
Die Voraussetzungen für eine Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG sind nicht erfüllt:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch unter anderem aus der Entscheidung eines Gerichtshofs abgeleitet wird, der nach den Bestimmungen des AHG unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wäre. Zweck dieser Form einer notwendigen, der Parteiendisposition entzogenen Delegierung ist, alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über den Anspruch auszuschließen, damit nicht Richter eines Gerichtshofs über das Verhalten anderer Richter desselben Gerichtshofs abzusprechen haben (1 Nc 3/10x; 1 Nc 41/11m).
Der Delegierungstatbestand ist nach der ständigen Judikatur des erkennenden Senats zwar auch anzuwenden, wenn jener Richter, dem ein amtshaftungsbegründendes Verhalten vorgeworfen wird, nunmehr bei einem Gerichtshof tätig ist, der über eine Amtshaftungsklage - als Erstgericht oder als Rechtsmittelgericht - zu entscheiden hätte (RIS-Justiz RS0119894). Notwendige Voraussetzung der Delegierung gemäß § 9 Abs 4 AHG ist aber in jedem Fall, dass der Amtshaftungsanspruch aus einer Entscheidung (Verfügung, Beschluss) abgeleitet wird. Ohne Vorliegen einer solchen Entscheidung darf, soweit § 9 Abs 4 AHG auch nicht sinngemäß anzuwenden ist, kein Richter und kein Gericht von der Entscheidung über Amtshaftungsansprüche ausgeschlossen werden. Es hat dann bei der Geltung der allgemeinen Grundsätze über die Befangenheit zu verbleiben (Schragel, AHG³ Rz 257; RIS-Justiz RS0117635).
Der Kläger leitet seine Amtshaftungsansprüche aus dem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16. 12. 2008 ab, mit dem über ihn die Untersuchungshaft verhängt worden ist. Dieser und nicht der Antrag des Sitzungsvertreters in der Hauptverhandlung vom 16. 12. 2008 begründet die für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 9 Abs 4 AHG maßgebliche Entscheidung. Die zwischenzeitige Ernennung des Staatsanwalts zum Richter des im Instanzenzug übergeordneten Oberlandesgerichts begründet keinen Delegierungstatbestand und kann daher auch nicht in sinngemäßer Anwendung des § 9 Abs 4 AHG zu einer Delegierung der Rechtssache an ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz durch den Obersten Gerichtshof führen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)