Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin, die seit 1999 den Status einer begünstigten Behinderten hat, war von Oktober 2008 bis 8. 1. 2009 bei der Beklagten zunächst mit dem Schwerpunkt Software-Support und in der Folge als Technikerin außer Haus beschäftigt. Anfänglich arbeitete sie dienstags und donnerstags und legte für ihre Tätigkeiten Honorarnoten. Vom 1. bis 15. 12. 2008 arbeitete sie nur sporadisch für die Beklagte und verrechnete dafür nichts. Beginnend mit 15. 12. 2008 wurde mit ihr unter Vereinbarung eines Probemonats ein Dienstvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Am 18. 12. 2008 versandte ihr Vorgesetzter, T***** C*****, an acht männliche Mitarbeiter der Beklagten ein E‑Mail mit dem Begleittext „Wir haben eine neue Servicetechnikerin, kann sein, dass das Geschäft mit den Wartungsverträgen jetzt steil bergauf geht ...“ und einer beigefügten Videodatei, auf der eine Servicetechnikerin mit kurzem Rock und Strapsen bekleidet zu sehen ist, die unter dem Schreibtisch eines Arbeitskollegen hantiert und dabei Gesäß und Geschlechtsteile entblößt.
Die Klägerin begehrte mit ihrer am 25. 5. 2009 eingebrachten Klage die Zahlung von zuletzt 30.489,26 EUR brutto, davon 1.276,78 EUR brutto Sonderzahlungen von 1. 10. bis 14. 12. 2008, 9.903,73 EUR Kündigungsentschädigung von 9. 1. bis 31. 3. 2009, 2.090,37 EUR brutto abzüglich 281,72 EUR Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum 1. 10. 2008 bis 31. 3. 2009, 10.000 EUR Schadenersatz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) sowie 7.500 EUR immateriellen Schadenersatz nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG). Sie brachte zusammengefasst vor, bereits seit 1. 10. 2008 als technische Angestellte bei der Beklagten tätig gewesen zu sein. Im September 2008 habe dazu ein Gespräch mit dem de‑facto‑Geschäftsführer der Beklagten, T***** C*****, stattgefunden. Dieser habe alle wesentlichen Weisungen gegeben und Entscheidungen getroffen, sei von der Komplementärin der Beklagten mit sämtlichen Vollmachten ausgestattet gewesen und habe die Arbeitgeberrolle ausgeübt. Erst nachdem er in Erfahrung gebracht habe, dass es für die Anstellung behinderter Menschen Förderungen gebe, sei er bereit gewesen, die Klägerin ab Mitte Dezember 2008 anzustellen. Da bereits vor Unterzeichnung des Dienstvertrags ein Angestelltendienstverhältnis bestanden habe, sei die Vereinbarung des Probemonats nicht zulässig gewesen. Die Versendung des E‑Mails im Zusammenhang mit der Einstellung der Klägerin als Servicetechnikerin stelle eine schwere sexuelle Belästigung dar, zumal das mitgesandte Video auf die Klägerin gemünzt gewesen sei, von den Arbeitskollegen so verstanden worden sei und zu weiteren Belästigungen und anzüglichen Bemerkungen seitens der Arbeitskollegen gegenüber der Klägerin geführt habe. Die spätere Entschuldigung von T***** C***** gegenüber der Klägerin sei von den Arbeitskollegen nicht ernstgenommen worden, es habe weiterhin anzügliche Bemerkungen gegeben. Auch beim Schlichtungsversuch vor dem Bundessozialamt haben sich sowohl T***** C***** als auch die Komplementärin M***** W***** mehrfach diskriminierend gegenüber der Klägerin geäußert, indem sie deren Behinderung mit der Bemerkung in Abrede gestellt haben, dass die Klägerin ja nicht auf allen Vieren herumlaufe, man eine Behinderung gar nicht bemerke bzw die Klägerin eine „normalgebaute Frau“ sei. Ebenso habe M***** W***** gemeint, dass die Branche von Männern beherrscht werde und es bei Kunden ein Problem sei, wenn ein Servicetechniker eine Frau sei. Die Klägerin erstattete weiters Vorbringen zur Bemessung der Schadenersatzansprüche und gründete diese überdies auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten als Arbeitgeberin.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, dass mit der Klägerin erst mit 15. 12. 2008 ein unbefristetes Dienstverhältnis geschlossen worden sei. Davor sei sie als selbständige Gewerbetreibende auf Werkvertragsbasis für die Beklagte sowie für andere Unternehmen tätig gewesen. Die Klägerin habe das Dienstverhältnis noch innerhalb der Probezeit am 8. 1. 2009 aufgelöst. T***** C***** sei weder Komplementär oder Kommanditist der Beklagten noch deren „de‑facto‑Geschäftsführer“. Er habe die Klägerin weder diskriminiert noch sexuell belästigt. Er habe das inkriminierte E‑Mail von einem Freund erhalten und es an einige Mitarbeiter weitergeleitet, ohne dass irgendeine Anspielung oder ein Bezug zur Klägerin beabsichtigt gewesen sei. Er habe sich auch unverzüglich bei ihr entschuldigt und gegenüber den Kollegen klargestellt, dass seine Gedankenlosigkeit nicht auf die Klägerin gemünzt gewesen sei. Im Hinblick darauf habe seitens der Beklagten keine Veranlassung oder Notwendigkeit mehr bestanden, Abhilfe von einer allfälligen sexuellen Belästigung zu schaffen. Davor habe die Beklagte nichts von dem E‑Mail bzw dessen Weiterleitung gewusst und deshalb nicht darauf reagieren können. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht sei ihr daher nicht anzulasten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus fest, dass T***** C***** Mitarbeiter der Beklagten und Vorgesetzter der Klägerin sei. Ihre Beschäftigung bei der Beklagten ab Oktober 2008 sei auf Wunsch der Klägerin durch wirtschaftliche Selbständigkeit und fehlende persönliche Abhängigkeit der Klägerin zur Beklagten gekennzeichnet gewesen, da sonst ihre Tätigkeiten für die Firma Siemens und die Beklagte nicht vereinbar gewesen wären. Die Klägerin habe am 23. 12. 2008 das gegenständliche Mail von einem Kollegen weitergeleitet bekommen, der der Klägerin damit erklärt habe, warum Teile der Belegschaft ihr gegenüber ein seltsames Verhalten im Zuge der Weihnachtsfeier gezeigt haben. Die Klägerin habe sich vom 22. 12. 2008 bis 5. 1. 2009 im Krankenstand befunden. Nach Erhalt des E‑Mails habe sie der Komplementärin den Vorfall mitgeteilt. Diese habe ihr Entsetzen ausgedrückt und vorgeschlagen, die Sachlage am 5. 1. 2009, dem ersten Arbeitstag nach Ende des Krankenstands der Klägerin, zu besprechen. Der Vorschlag sei von der Klägerin beruhigt zur Kenntnis genommen worden. Am 5. 1. 2009 habe die Klägerin T***** C***** über den Eingriff in ihre Würde sowie negative Auswirkungen auf ihr Arbeitsklima informiert und Schritte durch die Gleichbehandlungskommission angekündigt. T***** C***** habe sofort der Komplementärin der Beklagten telefonisch mitgeteilt, dass sich die Klägerin durch das E‑Mail belästigt fühle. Nach Beendigung des Telefonats habe er sich, wie von der Komplementärin aufgetragen, bei der Klägerin entschuldigt und ihr gegenüber klargestellt, dass sich die „neue Servicetechnikerin“ nicht auf die Klägerin selbst, sondern auf die Dame im Video beziehe. Weiters habe er am 5. 1. 2009 die Belegschaft der Beklagten versammelt, auch dieser gegenüber die Sachlage klargestellt und das Missverständnis bedauert. Zusätzlich habe er auch ein diesbezüglich klarstellendes sowie entschuldigendes, ernstgemeintes E‑Mail an die Klägerin und alle Mitarbeiter versandt. Darüber hinaus habe die Klägerin Kontakt mit der Komplementärin aufgenommen, um sich zu vergewissern, dass ihr die Meldung des Vorfalls nicht zum Nachteil gereiche. Die Komplementärin habe daraufhin ein Schriftstück verfasst, um die Lage zu bereinigen und die Klägerin in ein fixes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Die Urkunde sei von der Klägerin nicht unterschrieben worden. Sie habe das Dienstverhältnis am Nachmittag des 8. 1. 2009 telefonisch gegenüber T***** C***** aufgelöst. Grund dafür sei der Umstand gewesen, dass die Klägerin aufgrund der Diskriminierung kein Dienstverhältnis mit der Beklagten habe fortführen wollen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Klägerin zunächst als Selbstständige auf Werkvertragsbasis für die Beklagte tätig gewesen sei, weshalb ihr kein Anspruch auf Sonderzahlungen, Urlaubsersatzleistung sowie Schadenersatz gemäß BEinstG zustehe. Die Videodatei erfülle zwar durchaus die Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung. Es sei jedoch aufgrund der Beweiserleichterung gemäß § 12 Abs 12 GlBG zumindest glaubhaft dargelegt worden, dass durch sofortige Maßnahmen der Komplementärin Abhilfe geschaffen worden sei. Es handle sich um eine ehrliche und reuige Aufklärung der Sachlage, womit die Maßnahme der Arbeitgeberin auch als geeignete Abhilfe angesehen werden könne. Ein schuldhaftes Unterlassen der Beklagten gemäß § 6 Abs 1 Z 2 GlBG sei nicht gegeben. Auch sei der Tatbestand des § 6 Abs 1 Z 1 GlBG nicht verwirklicht, weil T***** C***** nicht der Arbeitgeber der Klägerin, sondern lediglich ihr Vorgesetzter gewesen sei. Bei einer KG komme die Position des Dienstgebers den Komplementären bzw Kommanditisten zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, da es hinreichende Feststellungen zur Beurteilung, ob bereits ab 1. 10. 2008 ein Dienstverhältnis vorgelegen habe, sowie Feststellungen zur behaupteten Funktion von T***** C***** als Geschäftsleiter der Beklagten vermisste. Letztere hielt es zur Prüfung des aus § 12 Abs 11 iVm § 6 Abs 1 GlBG abgeleiteten Schadenersatzanspruchs mit der Begründung für erforderlich, dass das Einstehen einer Kommanditgesellschaft als Arbeitgeberin iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG nicht auf sexuelle Belästigungen durch ihre gemäß § 161 Abs 2, §§ 125, 126 UGB zur organschaftlichen Vertretung befugten Komplementäre einzuschränken sei, sondern auch sexuelle Belästigungen durch Personen zu umfassen habe, denen durch die Komplementäre die Arbeitgeberfunktionen in zumindest maßgeblichem Umfang übertragen worden sei. Dass gemäß § 12 Abs 11 GlBG im Falle einer sexuellen Belästigung neben dem Arbeitgeber auch der Belästiger selbst in Anspruch genommen werden könne, könne einer Zurechnung sexueller Belästigungen, die durch Gehilfen und Vertreter, denen sich der Arbeitgeber bei der Ausübung seiner Arbeitgeberpflichten zumindest maßgeblich bedient habe, nicht entgegenstehen. Würde man die Haftung einer Kommanditgesellschaft iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG auf das Verhalten der Komplementäre beschränken, könnte sich die Kommanditgesellschaft dieser Haftung durch vollständige Übertragung der Arbeitgeberpflichten an Dritte entledigen. Auch sei zu berücksichtigen, dass es für einen von einer sexuellen Belästigung durch eine mit maßgeblichen Arbeitgeberfunktionen betraute Person betroffenen Mitarbeiter faktisch schwer möglich sei, Abhilfe vom Arbeitgeber zu bekommen, wenn sich der Arbeitgeber bzw die gesetzlich vertretungsbefugten Personen faktisch aus der Wahrnehmung der Arbeitgeberpflichten zurückgezogen haben. Maßgeblich für eine Haftung der Beklagten für eine von T***** C***** begangene sexuelle Belästigung der Klägerin gemäß § 12 Abs 11 iVm § 6 Abs 1 Z 1 GlBG sei daher nicht, ob diesem eine gesetzliche Vertretungsbefugnis zukomme, sondern vielmehr, ob und inwieweit dieser mit der Wahrnehmung von Arbeitgeberrechten und ‑pflichten ausdrücklich oder stillschweigend betraut worden sei und die der Beklagten zur Last gelegte sexuelle Belästigung damit in Zusammenhang stehe.
Bei dem an acht männliche Arbeitskollegen versandten E‑Mail handle es sich jedenfalls um eine sexuelle Belästigung der Klägerin iSd § 6 Abs 2 GlBG. Die Versendung des E‑Mails beeinträchtige nicht nur die Würde der Klägerin und sei für sie unerwünscht und unangebracht, sondern schaffe für sie auch eine demütigende Arbeitsumwelt. Der durch die Belästigung verursachte immaterielle Schaden sei im Wege einer Globalbemessung auszumessen, weshalb bei Bejahung der Haftung der Beklagten auch Feststellungen zu den von der Klägerin behaupteten Reaktionen von Arbeitskollegen ihr gegenüber aus Anlass des E‑Mails zu treffen seien. Das Berufungsgericht vermisste schließlich Feststellungen zu den Äußerungen von T***** C***** und der Komplementärin im Zuge des Schlichtungsgesprächs vor dem Bundessozialamt, die für die Beurteilung des Schadenersatzanspruchs nach dem BEinstG, insbesondere zu einer Belästigung gemäß § 7d BEinstG wesentlich seien. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob dem Arbeitgeber durch mit Arbeitgeberfunktionen betrauten Personen begangene sexuelle Belästigungen zuzurechnen seien.
In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Beklagte die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.
1. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die getroffenen Feststellungen zur Beurteilung, ob bereits vor dem 15. 12. 2008 ein Vertragsverhältnis vorgelegen sei, ausreichten. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, der Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, nicht entgegentreten kann (RIS‑Justiz RS0042179).
2. Die Beklagte meint weiter, bei ihr handle es sich um eine Personengesellschaft, bei der nur die persönlich haftenden Gesellschafter, nicht aber Vorgesetzte als Arbeitgeber iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG anzusehen seien. Damit verkennt sie, dass das Berufungsgericht T***** C***** in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter der Klägerin nicht als Arbeitgeber ansah, sondern prüfte, ob seine Handlung der Beklagten als Arbeitgeberin derart zuzurechnen ist, dass im Ergebnis iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG von einer sexuellen Belästigung des Arbeitgebers selbst auszugehen ist.
Der Oberste Gerichtshof teilt in diesem Punkt die Ausführungen des Berufungsgerichts, sodass zunächst darauf verwiesen wird (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Gemäß § 6 Abs 1 GlBG liegt eine sexuelle Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch vor, wenn eine Person
1. vom/von der Arbeitgeber/in selbst sexuell belästigt wird,
2. durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrags angemessene Abhilfe zu schaffen,
3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder
4. durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 4) belästigt wird.
Gemäß § 12 Abs 11 erster Satz GlBG hat bei einer sexuellen Belästigung nach § 6 oder einer geschlechtsbezogenen Belästigung nach § 7 die betroffene Person gegenüber dem/der Belästiger/in und im Fall des § 6 Abs 1 Z 2 oder § 7 Abs 1 Z 2 auch gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens.
Im vorliegenden Fall ist die Beklagte eine Personengesellschaft (KG). Schon aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit (§ 105 iVm § 161 Abs 2 UGB) kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zweifelhaft sein, dass ihr auch die Funktion des Arbeitgebers der Klägerin zukommt.
Bei der Kommanditgesellschaft sind nach dem Prinzip der Selbstorganschaft die unbeschränkt haftenden Gesellschafter für die Geschäftsführung verantwortlich (§§ 164, 114 ff iVm § 161 Abs 2 UGB) und zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt (§§ 170, 125 ff iVm § 161 Abs 2 UGB). Unstrittig ist, dass der Belästiger kein Komplementär der Gesellschaft ist und daher keine einem vertretungsbefugten Organ gleichzuhaltende Stellung innehat. Nach dem Vorbringen der Klägerin führt er aber de facto die Geschäfte der Beklagten und ist auch für Personalagenden zuständig, sodass zu prüfen ist, ob er ungeachtet des Fehlens einer Organstellung der Beklagten iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG zuzurechnen ist.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 9 ObA 18/08z bereits ausführlich zur Zurechnung eines Vertretungsorgans an eine juristische Person Stellung bezogen und diese zusammengefasst mit folgender Begründung bejaht:
Beim Verbot der sexuellen Belästigung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber handelt es sich um eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht und um die ausdrückliche Sanktionierung ihrer Verletzung (§ 6 Abs 1 iVm § 12 Abs 11 GlBG). Nach § 12 Abs 11 GlBG wird der Arbeitgeber dann schadenersatzpflichtig, wenn er den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin entweder selbst belästigt (§ 6 Abs 1 Z 1 GlBG) oder einer allfälligen Belästigung durch Dritte nicht auf angemessene Weise abhilft (§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG). In beiden Fällen verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht durch eigenes Verhalten. Dass eine juristische Person als Arbeitgeber ihre Fürsorgepflicht nicht selbst wahrnehmen kann, heißt nicht, dass sie keine Fürsorgepflicht trifft. Trifft sie aber eine diesbezügliche Pflicht, dann kann sie diese auch verletzen. Dabei sind die von ihr mit der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht betrauten natürlichen Personen als Erfüllungsgehilfen anzusehen. Ein Vertretungsorgan (dort: Geschäftsführer einer GmbH) muss jedoch nicht besonders mit der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht betraut werden. Der Geschäftsführer handelt damit als Belästiger nicht nur deliktisch, sondern verletzt durch sein Tun auch die vertragliche Fürsorgepflicht der von ihm vertretenen GmbH, also des Arbeitgebers.
In der Lehre werden zur Zurechnung sexueller Belästigungen von Gehilfen an juristische Personen unterschiedliche Positionen vertreten, die schon aufgrund der Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften auch auf diese übertragbar sind:
Rebhahn in Rebhahn, GlBG § 3 Rz 13 und Kletečka in Rebhahn, aaO § 12 Rz 13 ff, befürworten zwar grundsätzlich die durch sinngemäße Anwendung des § 1313a ABGB bewirkte Zurechnung fremden Verhaltens an den Arbeitgeber. Die sexuelle Belästigung stelle jedoch einen Sonderfall dar, bei dem ‑ so Kletečka ‑ die Zurechnung von Gehilfen und Vertreter nicht in Betracht komme, weil dort der Belästiger selbst hafte und das Gesetz ausdrücklich bestimme, dass der Arbeitgeber nur dann in Anspruch genommen werden könne, wenn er es schuldhaft unterlassen habe, eine angemessene Abhilfe zu schaffen.
Majoros, Mobbing [2010], S 186 ff, bejaht die Zurechnung von Organen und Repräsentanten, die eine leitende Stellung mit selbstständigem Wirkungsbereich innehaben, an juristische Personen. Eine darüber hinausgehende Erfüllungsgehilfenhaftung sei insoweit gegeben, als es sich um die Übertragung von den Arbeitgeber selbst treffenden Pflichten wie etwa die Fürsorgepflicht handle, was idR nur bei Vorgesetzten der Fall sein werde. Abzugrenzen seien aber Schädigungen „bei“ von jenen „gelegentlich“ der Erfüllung der Fürsorgepflicht. Eine Erfüllungsgehilfenhaftung bei etwa von Vorgesetzten begangenen, jedenfalls vorsätzlichen Belästigungshandlungen sei daher idR nicht anzunehmen.
Nach Reischauer in Rummel³, ABGB § 1328 Rz 25, kommt eine Deliktshaftung von Organen und Machthabern der juristischen Personen nur in Frage, wenn das Delikt in einem inneren Zusammenhang mit der zu verrichtenden Tätigkeit stehe, was bei sexueller Belästigung zu verneinen sei. Allerdings bejaht er die Zurechnung unter dem Aspekt der Verletzung der vertraglichen Fürsorgepflicht: Die juristische Person habe für Belästigungen durch Gehilfen dann einzustehen, wenn es zu ihrem Aufgabenkreis zähle, vor Übergriffen zu schützen (idR Abteilungs‑ oder Werkstättenleiter). Wo der Täter an sich dazu berufen wäre, Abhilfe gegen sexuelle Übergriffe zu schaffen, die Belästigung aber selbst begehe, habe er schon deswegen zu haften. Mit seinem belästigenden Verhalten unterlasse er gleichsam die Abhilfe.
Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG [2009] § 12 Rz 115, führen ‑ allerdings zur Abhilfeverpflichtung iSd § 6 Abs 1 Z 2 GlBG ‑ aus, es bleibe dem Arbeitgeber zwar unbenommen, diese aus der allgemeinen arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht abzuleitende Pflicht zu delegieren. Dadurch könne er sich aber nicht einer allfälligen Haftung für die unterlassene Abhilfe „entledigen“. Werde die Abhilfeverpflichtung von einem/einer mit der Fürsorge/Abhilfe betrauten Gehilfen/Gehilfin verletzt, sei von einem Schaden „durch die Erfüllung“ und nicht bloß „anlässlich der Erfüllung“ auszugehen, für den der Arbeitgeber gemäß § 1313a ABGB iVm § 12 Abs 11 GlBG einzustehen habe (s auch Krömer, Anm zu 9 ObA 18/08z, RdA 2009/45).
Der erkennende Senat ist dazu folgender Ansicht: Dass auch eine juristische Person als Arbeitgeber vertragliche Fürsorgepflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern treffen und diese von ihr auch verletzt werden können, wurde bereits zu 9 ObA 18/08z dargelegt. Nimmt sie diese nicht (nur) durch ihre Organe wahr, sondern überträgt sie die Erfüllung dieser Pflichten ‑ gleich, ob ausdrücklich oder stillschweigend ‑ auf Gehilfen, so sind jene Handlungen von Gehilfen, die in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Fürsorgepflicht stehen, dem Arbeitgeber gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen. Das trifft zweifellos auf die Verletzung der Pflicht, bei sexueller Belästigung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin Abhilfe zu schaffen (Z 2), zu.
Die Frage, inwieweit dem Arbeitgeber auch die sexuelle Belästigung selbst (Z 1) zurechenbar ist, wenn sie von einer vom Arbeitgeber oder von Vertretungsorganen einer juristischen Person verschiedenen Person vorgenommen wird, wurde in der Entscheidung 9 ObA 18/08z offen gelassen. Dazu kann allerdings die Rechtsprechung zu § 26 Z 4 AngG fruchtbar gemacht werden. Nach dieser Bestimmung ist ein Angestellter ua dann zum vorzeitigen Austritt berechtigt, wenn sich der Dienstgeber Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Angestellten oder dessen Angehörige zuschulden kommen lässt oder es verweigert, den Angestellten gegen solche Handlungen eines Mitbediensteten oder eines Angehörigen des Dienstgebers zu schützen. Auch hier wird sohin zwischen einer Tätlichkeit, Sittlichkeits‑ oder Ehrverletzung durch den Dienstgeber selbst und der Verletzung seiner Schutzpflichten bei solchen Handlungen unterschieden. Als Dienstgeber im Sinne dieser Bestimmung gilt grundsätzlich nur der Geschäftsinhaber (bei juristischen Personen die vertretungsbefugten Organe), also derjenige, der die Verantwortung für das gesamte Unternehmen trägt und in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen und weitere Ehrverletzungen in Zukunft zu verhindern. Ihm gleichgestellt sind aber jene Personen, die Kraft ihrer Befugnisse und ihrer Stellung gegenüber den anderen Dienstnehmern als zur selbständigen Geschäftsführung berufene Stellvertreter anzusehen sind, also nur solche Personen, die zur selbständigen Ausübung von Unternehmer- und insbesondere Arbeitgeberfunktionen berechtigt sind (RIS‑Justiz RS0029091). Es besteht kein Anlass, den Kreis der der Gesellschaft zuzurechnenden Personen im Rahmen des § 6 Abs 1 Z 1 GlBG enger zu ziehen (idS auch Krömer, aaO 292).
Anders als die Beklagte meint, wird mit diesem Verständnis § 6 Abs 1 Z 2 und 3 GlBG auch nicht beinahe jeglicher Anwendungsbereich entzogen. Denn als Dritte iSd § 6 Abs 1 Z 2 und 3 leg cit kommen keineswegs nur mit der selbständigen Ausübung von Arbeitgeberfunktionen betraute Personen einer Gesellschaft, sondern generell vom Arbeitgeber und dem/der Belästigten verschiedene Personen wie Vorgesetzte auf anderen Organisationsstufen, Arbeitskollegen, Geschäftspartner oder Kunden des Arbeitgebers in Betracht (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, aaO § 6 Rz 9).
Jedenfalls im vorliegenden Fall scheitert eine Zurechnung der sexuellen Belästigung an die Beklagte auch nicht am Fehlen eines inneren Zusammenhangs zwischen den von T***** C***** zu erbringenden Tätigkeiten und der inkriminierten Handlung, weil das E-Mail zeitnah mit dem Abschluss des Dienstvertrags acht Mitarbeitern eine „neue Servicetechnikerin“ ankündigte.
Das Berufungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Haftung der Beklagten nicht bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil T***** C***** keine Organstellung und keine gesetzliche Vertretungsbefugnis zukommt. Maßgeblich ist vielmehr, ob und inwieweit dieser im dargelegten Sinn zur selbständigen Ausübung von Unternehmer- und insbesondere Arbeitgeberfunktionen berechtigt war und die sexuelle Belästigung damit in einem inneren Zusammenhang stand. Zutreffend vermisste das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen.
3. Auch seiner Beurteilung, dass die Versendung des E-Mails eine sexuelle Belästigung darstellt, ist entgegen der Ansicht der Beklagten beizupflichten:
Gemäß § 6 Abs 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft. Das inkriminierte E-Mail erfüllt diese Voraussetzungen zweifellos, da es einen objektiv herabwürdigenden und geschlechtsdiskriminierenden pornografischen Inhalt hatte, einen von T***** C***** verfassten, auf die Position der Klägerin Bezug nehmenden Begleittext enthielt („Wir haben eine neue Servicetechnikerin“), von der Klägerin herabwürdigend und diskriminierend empfunden wurde, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der formalen Anstellung der Klägerin stand und in der Folge auch zu einem ‑ noch näher festzustellenden ‑ „seltsamen Verhalten“ von Teilen der Belegschaft gegenüber der Klägerin führte.
4. Die Beklagte erachtet schließlich die vom Berufungsgericht vermissten Feststellungen zum Vorbringen der Klägerin, es habe in Bezug auf ihre Behinderung diskriminierende Äußerungen von T***** C***** und der Komplementärin vor dem Bundessozialamt gegeben, für unerheblich, weil das Schlichtungsgespräch vor dem Bundessozialamt am 6. 4. 2009, somit nach Beendigung des Dienstverhältnisses stattgefunden habe (wobei die Einleitung des Schlichtungsverfahrens durch die Klägerin am 27. 2. 2009 bereits aus der von ihr selbst vorgelegten Urkunde Beil ./A hervorgeht) und daher allfällige diskriminierende Äußerungen für das gegenständliche Verfahren irrelevant seien.
Richtig ist, dass der Anwendungsbereich des § 7a Abs 1 Z 1 BEinstG privatrechtlich begründete „Dienstverhältnisse“ erfasst, ein solches aber zum Zeitpunkt der inkriminierten Handlung (diskriminierende Äußerungen vor der Schlichtungsstelle) schon definitiv beendet war. Wie § 7b Abs 1 BEinstG zeigt, ist hier allerdings nicht auf den formal aufrechten Bestand eines Dienstverhältnisses, sondern auf eine Diskriminierung „im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis“ abzustellen, sodass die Phase der Begründung eines Dienstverhältnisses (Z 1) ‑ in der ein solches definitionsgemäß noch nicht besteht ‑ ebenso erfasst wird wie die Phase „bei der Beendigung des Dienstverhältnisses“ (Z 7). In diesem Sinne wurde zu den insofern vergleichbaren Bestimmungen der §§ 1 Abs 1 Z 1 und 3 Z 1 GlBG der Bereich des Schutzes gegen sexuelle Belästigung auch auf die vorvertragliche Begründungsphase erstreckt (9 ObA 18/08z). Es ist folglich nicht ausgeschlossen, dass den Arbeitgeber auch nachvertraglich Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer treffen können, wenn sie noch „im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis“ stehen. Ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Er ist daher bei einem nachvertraglichen behördlichen Schlichtungsverfahren, das gerade wegen einer vermeintlichen Diskriminierung im Dienstverhältnis angestrengt wird, nicht schon von vornherein zu verneinen.
Ungeachtet der behaupteten Aussagen von T***** C***** und der Komplementärin vor dem Bundessozialamt hat die Klägerin eine Diskriminierung wegen ihrer Behinderung aber auch auf mehrere Umstände bei ihrer Einstellung und im aufrechten Dienstverhältnis gestützt (zB Aussage von T***** C*****, die Klägerin müsse froh sein, als Behinderte überhaupt eine Anstellung gefunden zu haben, und solle „spuren“). Auch dazu fehlen die bereits in der Berufung monierten Feststellungen.
5. Nach all dem hat das Berufungsgericht zutreffend das Ersturteil wegen der genannten Feststellungsmängel aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Dem Rekurs der Beklagten ist sohin ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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