OGH 10Ob102/11i

OGH10Ob102/11i20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Y*****, geboren am *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie-Rechtsvertretung für den 10. Bezirk, 1100 Wien, Van-der-Nüll-Gasse 20), infolge Revisionsrekurses des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. August 2010, GZ 43 R 471/10y-53, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 19. März 2009, GZ 35 P 29/06m-U-25, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zur Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag zurückgestellt.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 19. 3. 2009, GZ 35 P 29/06m-U-25 wies das Erstgericht den Unterhaltsvorschussantrag ab.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass der Minderjährigen vom 1. 4. 2009 bis einschließlich 31. 3. 2012 monatlich 101,74 EUR an Unterhaltsvorschuss zu gewähren seien, jedoch höchstens bis zur Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es sei keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Qualität der Prüfung der Anspannung im Titelverfahren vorhanden.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde dem in Bolivien wohnhaften Vater der Minderjährigen am 10. 6. 2011 persönlich zugestellt.

(Im Akt erliegt zwar der Nachweis eines Zustellversuchs mittels internationalen Rückscheins, doch trägt dieser weder die Unterschrift eines Empfängers, noch das Datum der Zustellung, sondern lediglich Stempel von zwei unterschiedlichen Postämtern in Bolivien. Eine wirksame Zustellung vor dem 10. 6. 2011 ist daher nicht ausgewiesen). Am 28. 6. 2011 langte beim Erstgericht ein mit 9. 6. 2011 datiertes, in spanischer Sprache verfasstes Schreiben des Vaters ein (ON 72). Im Akt findet sich ein in Bolivien zur Post gegebenes Kuvert, auf dem als Absender der Name des Vaters der Minderjährigen aufscheint und das einen Poststempel trägt, aus dem die Worte „Valores Postales Sucre-Bolivia“ sowie das Datum 10. 6. 2011 ersichtlich sind.

Die Übersetzung des Schreibens in die deutsche Sprache erbrachte, dass der Vater erklärt, gegen die Entscheidung des Rekursgerichts Rechtsmittel einzulegen; gleichzeitig beantragt er die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines Rechtsmittels. Zum Nachweis seiner wirtschaftliche Lage legte der Vater seiner Eingabe verschiedene Bestätigungen bei.

Das Erstgericht forderte den Vater auf, binnen 14 Tagen das unter einem beigelegte Vermögensverzeichnis auszufüllen (ON 80, AS 247). Eine Zustellung bzw ein Zustellnachweis über diesen Verbesserungsauftrag ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich; eine Verbesserung langte nicht ein.

Mit Vorlagebericht vom 10. 11. 2011 legte das Erstgericht die Eingabe des Vaters dem Obersten Gerichtshof als ordentlichen Revisionsrekurs zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorlage ist verfrüht:

Die Verfahrenshilfenormen der ZPO gelten sinngemäß auch für das Verfahren außer Streitsachen (§ 7 Abs 1 AußStrG). Beantragt eine Partei innerhalb einer verfahrensrechtlichen Notfrist die Beigebung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenshilfe, so beginnt für sie die Frist von Neuem zu laufen (§ 7 Abs 2 AußStrG; Rechberger, AußStrG, § 7 Rz 4).

Im vorliegenden Fall hat der Vater der Minderjährigen einen ausdrücklichen Antrag auf Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung des Rechtsmittels gestellt, den er - wie sich aus der Aktenlage ableiten lässt - noch am Tag der Zustellung der Rechtsmittelentscheidung, somit jedenfalls rechtzeitig zur Post gegeben hat. Über diesen Verfahrenshilfeantrag wird das Erstgericht vorerst abzusprechen haben.

Erst nach Vorliegen einer Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag wird der Akt gegebenenfalls dem Obersten Gerichtshof wiederum vorzulegen sein.

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