OGH 13Os132/11b

OGH13Os132/11b15.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Adolf S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Sandor C***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 14. Juli 2011, GZ 25 Hv 43/11i-95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der den Schuldsprüchen I/A/1/a und b sowie I/A/2/a und b zu Grunde liegenden Taten nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG und in den zu diesen Schuldsprüchen gebildeten Subsumtionseinheiten, weiters in den Schuldsprüchen I/A/2/c und I/C zur Gänze, demzufolge in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung bei Sandor C*****) und im Monika H***** betreffenden Kostenausspruch sowie der hinsichtlich Adolf S***** gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Sandor C***** auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.

Ihm fallen auch die durch die Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde entstandenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden alle Angeklagten mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels und zwar Adolf S*****, Adolf G***** (jeweils I/A/1/c) und Sandor C***** (I/A/1/a und b) nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, weiters Sandor C***** nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I/A/2/a und b), Adolf S***** und Adolf G***** nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (jeweils I/A/2/c) sowie Monika H***** nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (I/C), die Angeklagten Adolf S*****, Adolf G***** und Sandor C***** überdies der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften, und zwar die beiden Erstgenannten nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (I/D) und die beiden Letztgenannten nach § 27 Abs 1 Z 1 siebenter Fall und Abs 3 SMG (I/B/1 und 2) schuldig erkannt.

Danach haben (I) von 2001 bis zum 22. September 2010 an mehreren Orten vorschriftswidrig Suchtgift

(A) in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) - in Punkt I/A/2/c die Grenzmenge - übersteigenden Menge als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung

1) anderen überlassen, und zwar

a) Sandor C***** von Oktober 2008 bis 4. Juni 2010, indem er Adolf S***** und Adolf G***** 60.000 Stück Ecstasy-Tabletten (mit einer nicht festgestellten Menge der Reinsubstanz MDMA), 3.000 Gramm Kokain (1.340 Gramm Reinsubstanz), 1.000 Gramm Amphetamin (11,90 Gramm Reinsubstanz) und 24 Kilogramm Cannabiskraut (480 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC) verkaufte (aa) sowie am 14. Juli 2010 durch Übergabe von 18 Gramm Kokain (8,04 Gramm Reinsubstanz) an abgesondert verfolgte Täter mit dem Auftrag, das Suchtgift an einen verdeckten Ermittler zu übergeben (bb);

b) Sandor C***** mit einem abgesondert verfolgten Mittäter am 17. (aa) und am 22. (bb) September 2010 in Graz insgesamt 2.034,60 Gramm Amphetamin (26,76 Gramm Reinsubstanz) jeweils einem verdeckten Ermittler;

c) Adolf S***** und Adolf G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter 5.500 Kilogramm Kokain (2.450 Gramm Reinsubstanz), 23 Kilogramm Cannabiskraut (460 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC), 120.000 Stück Ecstasy-Tabletten (mit einer nicht festgestellten Menge der Reinsubstanz MDMA) und 1.000 Gramm Amphetamin (11,90 Gramm Reinsubstanz) zahlreichen, im Urteil teils namentlich genannten Abnehmern;

2) aus Ungarn aus- und nach Österreich eingeführt, und zwar

a) Sandor C***** „einen nicht mehr genau feststellbaren, die 25-fache Grenzmenge übersteigenden Teil“ der zu I/A/1/a/aa genannten Suchtgiftmengen;

b) Sandor C***** mit einem abgesondert verfolgten Mittäter am 17. (aa) und am 22. (bb) September 2010 insgesamt 2.134,60 Gramm Amphetamin (33,03 Gramm Reinsubstanz);

c) Adolf S***** und Adolf G***** mit einem abgesondert verfolgten Mittäter „einen nicht mehr feststellbaren Teil“ der zu I/A/1/c genannten Suchtgiftmengen, „welcher die Grenzmenge jedenfalls deutlich überschritt“;

(B) gewerbsmäßig anderen angeboten, und zwar

1) Sandor C***** Anfang Juli 2010 mit einem abgesondert verfolgten Mittäter telefonisch 200 Gramm Amphetamin einem verdeckten Ermittler;

2) Adolf G***** von 2008 bis 2010 wiederholt Ecstasy-Tabletten Simon T***** und Helmut Si*****;

(C) „Monika H***** dadurch zu einigen der unter I/A/1/c genannten strafbaren Handlungen hinsichtlich einer die Grenzmenge deutlich, jedoch nicht das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge an Suchtgift beigetragen, dass sie die genannten Drogen aus einem Zimmer im Nachtlokal in N*****, in welchem sie verwahrt waren, holte und dem Adolf S***** brachte, sowie dem Genannten die Waage für das Einwiegen der zum Verkauf bestimmten Drogen brachte;“

D) ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, nämlich Adolf S*****, Adolf G***** wiederholt Cannabiskraut, Amphetamine und Ecstasy-Tabletten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche I/A/1/a/aa und I/A/2/a richtet sich die aus den Gründen der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sandor C*****, der Berechtigung zukommt.

Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach Z 5 vierter Fall) auf, dass das angefochtene Urteil in Ansehung der Schuldsprüche I/A/1/a/aa und I/A/2/a keine Begründung zum jeweils (implizit) angenommenen Reinheitsgehalt und den daraus abgeleiteten - durch Verweis auf den Urteilsspruch festgestellten (vgl zur Zulässigkeit eines derartigen Verweises: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 579) - Reinsubstanz-mengen der überlassenen Suchtgifte enthält. Dies hat die Aufhebung der Subsumtion der den (angefochtenen) Schuldsprüchen I/A/1/a und b sowie I/A/2/a und b zugrunde liegenden Taten nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG und der zu diesen Schuldsprüchen gebildeten Subsumtionseinheiten zur Folge.

Das weitere Vorbringen der schon aus diesem Grund erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde bedarf somit keiner Erörterung.

Da die Nichtigkeitsbeschwerde nur die Schuldsprüche I/A/1/a/aa und I/A/2/a bekämpft, das zu diesen inkriminierte Verhalten mit jenem zu den - andere Suchtgiftmengen betreffenden - Punkten I/A/1/a/bb und I/A/1/b sowie I/A/2/b (mit Blick auf die Feststellungen zum Vorliegen einer auch den mit der kontinuierlichen Tatbegehung verbundenen Additionseffekt umfassenden Willensausrichtung [US 10]) in tatbestandlicher Handlungseinheit gesetzt wurde, bleiben die Schuldsprüche zu I/A/1/a und b in der Subsumtion nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG sowie zu I/A/2/a und b in der Subsumtion nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 2 Z 2 SMG bestehen, weil allein schon die von I/A/1/b und I/A/2/b erfassten Suchtgiftquanten (mehrfach) die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dieselben Gründe, auf denen die Verfügung zu Gunsten des Beschwerdeführers beruht, auch den Angeklagten Adolf S***** und Adolf G***** zustatten kommen, die keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen haben. Der Schuldspruch I/A/2/c, der (im Gegensatz übrigens zu I/A/1/c) ausschließlich einen Teil der zu I/A/1/a/aa gegenständlichen Suchtgiftmenge betrifft (US 11), war daher von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO) aufzuheben (13 Os 168/08t).

Weiters enthalten die Entscheidungsgründe zum Schuldspruch I/C keine Konstatierungen, die eine verlässliche Beurteilung des Überschreitens der Grenzmenge (§ 28b SMG) erlauben würden. Die (ohne Sachverhaltsbezug bleibende) Formulierung, wonach Monika H***** die ihr vorgeworfenen Beitragshandlungen hinsichtlich „einer nicht mehr feststellbaren, die Grenzmenge jedoch deutlich übersteigenden Menge“ gesetzt habe, lässt - insbesondere weil das Urteil auch keinerlei Ausführungen dazu enthält, in welchem Zeitraum und wie oft die Angeklagte in der inkriminierten Weise tätig geworden sein soll - Rückschlüsse auf die gesamte, von ihrem Beitrag umfasste Suchtgiftmenge (bezogen auf die Reinsubstanz des jeweiligen Wirkstoffs der zum Schuldspruch I/A/1/c genannten Suchtgifte) nicht zu (vgl 12 Os 153/09f). Zudem fehlt es an Feststellungen zu einem auf das (durch kontinuierliche Begehung verwirklichte) Überschreiten der Grenzmenge bezogenen Vorsatz dieser Angeklagten (vgl US 11 f). Dieser Rechtsfehler (Z 10) war in Wahrnehmung der dem Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO zukommenden Befugnis durch Kassation des davon betroffenen Schuldspruchs von Amts wegen wahrzunehmen. Urteilsannahmen, die in Ansehung der Angeklagten Monika H***** einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG allenfalls zu tragen vermögen, können nicht bestehen bleiben (RIS-Justiz RS0115884).

Die Aufhebung der Strafaussprüche war Folge der (zumindest teilweisen) Aufhebung der Schuldsprüche in Betreff sämtlicher Angeklagter.

Der gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefasste, von der Rechtskraft des Urteils abhängige Beschluss war zugleich mit dem Adolf S***** betreffenden Strafausspruch aufzuheben (RIS-Justiz RS0101886).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Sandor C***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Seine Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie bezieht sich nicht auf das amtswegige Vorgehen (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

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