OGH 14Os117/11d

OGH14Os117/11d13.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard V***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. April 2011, GZ 17 Hv 179/10i-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard V***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 17. November 2010 (laut US 4 jedoch Anfang November 2009) als Bürgermeister der Gemeinde N*****, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, den Bund an seinem Recht auf Kundmachung nur solcher in § 43 StVO bezeichneter Verordnungen, die ordnungsgemäß zustande gekommen sind, und das Land Kärnten an seinen Kontroll- und Aufsichtsrechten über die von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu besorgenden Angelegenheiten aus dem Bereich der Landesvollziehung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde N***** als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er Gemeindemitarbeiter mit der Aufstellung zweier Vorschriftszeichen „Geschwindig-keitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 50 km/h“ (§ 52 Z 10a StVO) auf einer Gemeindestraße beauftragte, obwohl weder der Gemeinderat eine solche Verordnung beschlossen noch er selbst (als Bürgermeister) eine solche Verordnung erlassen hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die in der Mängelrüge als übergangen (Z 5 zweiter Fall) reklamierten Aussagen des Beschwerdeführers über ein erhöhtes Verkehrsaufkommen auf der L***** auch nach dem 23. Oktober 2009 und deren Bestätigung durch die Zeugin Erika P***** in der Hauptverhandlung sind nicht geeignet, die dem Gericht durch die Gesamtheit der Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen:

Der Angeklagte hat zu verantworten, in seiner Eigenschaft als Bürgermeister mit dem Vorsatz, einerseits den Bund an seinem Recht auf Kundmachung (richtig:) nur solcher Verordnungen, die aufgrund eines - zumindest ansatzweise - den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Verfahrens zustande gekommen sind (vgl Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch4 § 302 Rz 52), und andererseits das Land Kärnten an seinen (konkreten) Kontroll- und Aufsichtsrechten über die von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu besorgenden Angelegenheiten aus dem Bereich der Landesvollziehung zu schädigen (US 5, 7), die Anweisung erteilt zu haben, Verkehrszeichen über eine nicht durch eine Verordnung gedeckte Geschwindigkeitsbe-schränkung aufzustellen (US 4). Der strafrechtlich relevante Vorwurf liegt demnach allein in der Veranlassung der Kundmachung einer zum Tatzeitpunkt nicht vom Gemeinderat beschlossenen und auch nicht vom Bürgermeister gemäß § 12 Abs 2 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung (K-AGO) erlassenen - somit nicht existenten und deshalb (logisch) auch vom Land Kärnten als Aufsichtsbehörde gar nicht überprüfbaren - Verordnung. Die Frage, ob damals allenfalls rechtlich anerkannte Gründe für die Erlassung einer derartigen Verordnung vorgelegen sind, also ob bei objektiver Prüfung die materiellrechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Rechtsakt zu bejahen gewesen wären (vgl Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch4 § 302 Rz 52), ist demnach unerheblich, mit anderen Worten nicht geeignet, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, also eine für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage relevante Tatsachenfeststellung zu beeinflussen, weshalb darauf bezogene Verfahrensergebnisse nicht erörterungsbedürftig waren (RIS-Justiz RS0116877; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409, 421).

Dass (aufgrund übereinstimmender Anträge aller Gemeinderatsfraktionen) „in der Folge“ - laut Ersturteil im Dezember 2010, somit mehr als ein Jahr nach der Tat - eine Verordnung über eine entsprechende Geschwindigkeitsbe-schränkung erlassen wurde, hat das Erstgericht ohnedies als erwiesen angenommen (US 4).

Unter dem Blickwinkel fehlender Erheblichkeit konnte auch die Frage unerörtert bleiben, ob „zum Zeitpunkt der Aufstellung der Geschwindigkeitsbeschränkungstafeln am 17. November 2009 Vorarbeiten hinsichtlich der Erlassung einer Verordnung im Laufen waren“. Im Übrigen wird durch bloßen Verweis auf die „Aussagen des Zeugen Pl*****“ und „des Angeklagten selbst“ nicht ausreichend deutlich und bestimmt dargelegt, aus Anlass welcher konkreter Verfahrensergebnisse derartige Erwägungen anzustellen gewesen wären, weil die gesetzliche Verpflichtung zu einzelner und bestimmter Bezeichnung der Nichtigkeitsgründe (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) im Fall einer aus den Akten zu entwickelnden Nichtigkeit (hier Z 5 zweiter Fall) als logisch ersten Schritt voraussetzt, jene Fundstellen im Akt, aus welchen die Argumente der Rüge abzuleiten wären, durch Angabe der Aktenseiten deutlich zu bezeichnen (RIS-Justiz RS0124172).

Mit der Kritik, dem Angeklagten wäre „in rechtlicher Hinsicht kein Befugnismissbrauch in Form der wissentlichen Verletzung der Verpflichtung nach § 99 Abs 1 K-AGO zu unterstellen“ (inhaltlich Z 9 lit a), wird nicht auf Basis der Urteilsfeststellungen argumentiert, welchen zufolge der strafrechtlich relevante Vorwurf in der Veranlassung der Aufstellung von Verkehrszeichen über eine nicht durch eine Verordnung gedeckte Geschwindigkeitsbeschränkung - und demnach nicht in der Unterlassung der Vorlage einer (hier weder beschlossenen noch erlassenen) Verordnung an die Kärntner Landesregierung (vgl § 99 Abs 1 K-AGO) - zu erblicken ist (US 4), womit die Rüge den Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0099810, RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Ein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5a gestützter Einwand kann nur dann erfolgreich sein, wenn Feststellungen als Folge einer qualifiziert nahe liegenden Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung erheblichen Bedenken ausgesetzt sind (zum Anfechtungsrahmen einer Tatsachenrüge: RIS-Justiz RS0119583, RS0118780 uva). Durch die bloße Behauptung, die tatrichterlichen Erwägungen zur Wissentlichkeit des Angeklagten um seinen Befugnismissbrauch (die mängelfrei mit seiner langjährigen Tätigkeit als Polizeibeamter und als Bürgermeister begründet wurde; vgl US 6 f) seien nicht ausreichend, wird eine Überschreitung der diesem Nichtigkeitsgrund immanenten Erheblichkeitsschwelle nicht aufgezeigt.

An sich zutreffend ist der Einwand der Tatsachen- und der Rechtsrüge, der Schädigungsvorsatz könne nicht alleine aus einer (vom Erstgericht zur Begründung eines dolus eventualis in Ansehung der Schädigung des Bundes an seinem Recht auf Kundmachung nur ordnungsgemäß zustande gekommener Verordnungen herangezogenen; US 7) Aussage des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung (ON 18 S 6) abgeleitet werden, weil es auf den Schädigungsvorsatz zum Zeitpunkt des tatbildmäßigen Handelns ankomme (der Sache nach jeweils Z 5 vierter Fall). Solcherart bleiben aber weitere beweiswürdigende Erwägungen der Tatrichter zum Schädigungsvorsatz außer Acht (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394, 455), wonach dem Angeklagten schon „aus vorangegangenen Verordnungsvorgängen“ auch die Schädigung des Landes (Kärnten) an seinen Kontroll- und Aufsichtsrechten bewusst gewesen ist (US 7).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die den Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Befugnismissbrauch die Konstatierung bloßen Wissen-Müssens unterstellt, scheitert am erforderlichen Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem im Urteil festgestellten Sachverhalt (abermals RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Danach „wusste“ (§ 5 Abs 3 StGB) der Angeklagte nämlich, „dass Verordnungen in jedem Fall einer Schriftlichkeit bedürfen und der Einhaltung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens“ (US 5), weshalb der Schöffensenat dessen Handeln als „vom Wissen um den Befugnismissbrauch getragen“ erachtete (US 6).

Mit der unter diesem Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit a) erhobenen Kritik unzureichender Begründung der Urteilsannahmen zum Schädigungsvorsatz (inhaltlich Z 5 vierter Fall) übergeht die Rüge erneut die auch mit vorangegangenen Verordnungsvorgängen argumentierende Urteilsbegründung (US 7).

Indem aus den Urteilsfeststellungen im Übrigen andere - keineswegs „rechtliche“, sondern tatsächliche - Schlussfolgerungen gezogen werden, bekämpft die Rüge nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die dem erkennenden Senat vorbehaltene Beweiswürdigung.

Soweit die Rüge unter Verweis auf die gesamte „von Anfang an gewählte“ und in der Rechtsmittelschrift eigenständig interpretierte Verantwortung des Angeklagten - im Übrigen erneut ohne Angabe entsprechender Fundstellen im Akt (RIS-Justiz RS0124172) - Feststellungen darüber vermisst, ob er sich „allenfalls“ in einem Rechtsirrtum befunden habe (Z 9 lit b), verfehlt sie einmal mehr den gesetzlichen Anfechtungsrahmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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