Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.540,44 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 256,74 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Beide Streitteile vertreiben in Österreich unter anderem kosmetische Produkte, Parfums, Nahrungsergänzungsmittel und Aloe-Veraprodukte.
Die Beklagte präsentiert sich und ihre Waren unter anderem im Internet. Sie vertreibt ihre Produkte über „Partner“. Sie wirbt unter anderem mit „Schnellstarterprämien“, die die als „Partner“ bezeichneten, im Rahmen des Direktvertriebs angeworbenen selbständigen Handelsvertreter erlangen können, wenn sie innerhalb eines Monats bestimmte Umsatzziele erreichen. Die anzuwerbenden Geschäftspartner könnten bereits bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung zur Beklagten die bei Erreichung der genannten Umsatzziele gratis zu erlangenden Gegenstände wählen (Navigationsgerät, DVD-Player, Parfumprobenset, Digitalkamera oder Camcorder).
Darüber hinaus erläutert die Beklagte in ihrem Internetauftritt die Vertragsgestaltung zu den anzuwerbenden Handelsvertretern, erläutert die Geschäftsabwicklung und bewirbt die von ihr angestrebte Partnerschaft mit „grenzenlosen Möglichkeiten ohne Risiko“, „keine monatlichen Mindestumsätze“ und „Beendigung der Partnerschaft jederzeit möglich“.
Die Klägerin begehrte, die Beklagte im geschäftlichen Verkehr in Österreich zur Unterlassung zu verpflichten, in Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, insbesondere in ihren Partneranträgen mit freier Produktwahl und/oder mit Aloe-Vera und Colostrum-Abo, anzukündigen, dass sie Verbrauchern und/oder Unternehmern neben Waren, insbesondere neben bestimmten näher genannten Produkten, unentgeltliche Prämien, insbesondere bestimmte Elektrogeräte gewähre, in eventu eine Schnellstarterprämie mit der Angabe zu bewerben, dass ein bestimmtes Elektrogerät bereits gratis für den Verbraucher reserviert sei; ihre Abos mit einjähriger Laufzeit und vierteljährlicher Lieferung in einer bestimmten Gestaltung der Preisinformation zu bewerben, in eventu ihre Abos mit einjähriger Laufzeit und vierteljährlicher Lieferung mit der Angabe „pro Quartal“ Verbrauchern gegenüber zu bewerben, ohne unmissverständlich darauf hinzuweisen, worauf sich die Angabe „pro Quartal“ bezieht, in eventu ihre Abos mit einjähriger Laufzeit und vierteljährlicher Lieferung ohne Angabe des (Gesamt-)Preises Verbrauchern gegenüber zu bewerben und eine Partnerschaft mit der Beklagten mit der Angabe zu bewerben, dass keine monatlichen Mindestumsätze erforderlich seien und/oder eine Beendigung der Partnerschaft jederzeit möglich sei. Weiters erhob die Klägerin ein Beseitigungsbegehren bezogen auf die unter die Unterlassungsgebote fallenden Partneranträge und Broschüren und ein Veröffentlichungsbegehren. Die Beklagte wende sich sowohl an Verbraucher, weil sie auch den Warenbezug für den Eigenbedarf ermögliche, als auch an Unternehmer (selbständige Handelsvertreter). Die angebotenen Elektronikgeräte seien unzulässige Zugaben iSd § 9 Abs 1 UWG. Die Ankündigung sei auch irreführend, weil die nähere Aufklärung nicht ausreiche, die durch die blickfangartige Ankündigung hervorgerufenen Erwartungen zu berichtigen. Darüber hinaus werde ein falscher Eindruck vom Umfang des Warenangebots und des hierfür zu leistenden Gesamtpreises vermittelt, das Preisauszeichnungsgesetz und das Konsumentenschutzgesetz würden verletzt. Darüber hinaus informiere die Beklagte irreführend über monatliche Mindestumsätze und die Kündigungsmöglichkeit (sofortige Beendigung möglich).
Die Beklagte wendete ein, die Klägerin sei mangels nachgewiesener Vertriebstätigkeit nicht aktiv legitimiert, die Beklagte werbe nur für neue Vertriebspartner, richte sich also nicht an Verbraucher, sondern nur an Wiederverkäufer. Die Information der angesprochenen Partner sei ausreichend und nicht irreführend. Die ausgelobten Elektrogeräte seien Erfolgsprämien, es liege keine unzulässige Zugabe vor. Überdies sei eine Differenzierung der Zugaberegel gegenüber Verbrauchern und Unternehmern unzulässig, der umfassendere Schutz für Unternehmer sei gleichheitswidrig.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren in Ansehung gegenüber Unternehmern angekündigter Prämien, des verschleierten Gesamtkaufpreises gegenüber Verbrauchern und insofern statt, als eine Beendigung der Partnerschaft als jederzeit möglich angekündigt werde; ebenso den bezüglichen Beseitigungsbegehren. Das darüber hinausgehende Unterlassungsbegehren der Klägerin, das darauf bezughabende Beseitigungsbegehren und das Veröffentlichungsbegehren wies das Erstgericht hingegen ab. Es bejahte das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses und beurteilte die angekündigten Sachprämien als gegenüber Unternehmern gemäß § 9a Abs 1 Z 2 UWG unzulässige Zugaben. Soweit diese Ankündigungen Verbraucher betreffen seien sie hingegen mangels Irreführung nach § 2 Abs 1 UWG zulässig. Zwar sei der Hinweis „pro Quartal“ keine Irreführung nach § 2 Abs 1 Z 4 UWG, soweit er aber Verbraucher betreffe, was für Abo-Bestellungen anzunehmen sei, liege mangels Angabe eines Gesamtpreises ein Verstoß gegen §§ 9 f PreisauszeichnungsG vor. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sei zwar kein Mindestumsatz erforderlich, § 21 Abs 1 HVG sehe aber - je nach Vertragsdauer - eine ein- oder zweimonatige Kündigungsfrist vor, sodass die Verträge entgegen der Werbeaussage nicht jederzeit kündbar wären. Das Veröffentlichungsbegehren sei mangels Aufklärungseignung nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Klägerin, die das Veröffentlichungsbegehren weiter verfolgte, und der Beklagten, die die gänzliche Klageabweisung anstrebte, das Ersturteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, die ordentliche Revision aber mangels über den Einzelfall hinausgehender Rechtsfragen nicht zulässig sei. Die Beklagte habe sich in ihrem Internetauftritt sowohl an Wiederverkäufer als auch Verbraucher gerichtet. Dass es sich bei den beworbenen „Schnellstarterprämien“ nicht um Erfolgsprämien, sondern um unzulässige Zugaben nach § 9a Abs 1 Z 2 UWG handle, habe die Beklagte unbekämpft gelassen. Im Übrigen gehe die Berufung der Beklagten nicht vom erstgerichtlich festgestellten Sachverhalt aus.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten, mit der sie (weiterhin) die gänzliche Klageabweisung anstrebt, ist mangels Rechtsprechung zu an Unternehmer gerichteten Zugabenankündigungen nach der UWG-Novelle 2007 zulässig, aber nicht berechtigt.
Zwar beantragt die Beklagte in ihrer Revision die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, inhaltlich richtet sie sich jedoch ausschließlich gegen das auf § 9a Abs 1 Z 2 UWG gestützte, ausschließlich Unternehmer betreffende Unterlassungsgebot (und den damit im Zusammenhang stehenden Beseitigungsanspruch). Es ist daher nur mehr dazu Stellung zu nehmen.
Die Beklagte vertritt den Standpunkt, das unternehmerschützende Zugabenverbot des § 9a Abs 1 Z 2 UWG sei nach Inkrafttreten der Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken europarechtswidrig und darüber hinaus mangels sachlicher Rechtfertigung für einen gegenüber Verbrauchern weitergehenden Schutz von Unternehmern verfassungswidrig, weshalb eine Anfechtung dieser Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof angeregt werde. Darüber hinaus dürfe sie nicht angewendet werden, wenn ein Großunternehmen seinen Handelsvertretern umsatzabhängige Erfolgsprämien oder Zugaben gewähre, weil hier nicht der Zweck zu verfolgen sei, Großunternehmen davon abzuhalten, ihre Marktmacht zur Erlangung von Zugaben zu missbrauchen.
Das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben gegenüber Verbrauchern ist aufgrund richtlinienkonformer Auslegung von § 9a Abs 1 Z 1 UWG nur dann unzulässig, wenn es im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist (4 Ob 208/10g - Fußballer des Jahres IV ua; RIS-Justiz RS0126589). Die das Verhältnis Unternehmer-Verbraucher abschließend regelnde Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) erfasst das gegenüber Unternehmern geltende Zugabenverbot des § 9a Abs 1 Z 2 UWG, wonach das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren unentgeltlicher Zugaben (Prämien) generell untersagt wird, nicht. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung widerspricht das Zugabenverbot gegenüber Unternehmern der europarechtlichen Regelung unlauterer Geschäftspraktiken nicht (Haberkamm/Kühne, Zugabe, Zugabe! Ist nach dem „Fußballer - des Jahres“ - Urteil bald alles erlaubt?, ÖBl 2011, 52 ff [55]; Heidinger, Zugabenverbot, quo vadis, MR 2009, 45).
Dass das im Verhältnis zu Verbrauchern normierte Zugabenverbot des § 9a Abs 1 Z 1 UWG zufolge richtlinienkonformer Auslegung auf die Fälle konkret irreführender oder aggressiver Geschäftspraktiken eingeschränkt ist, gegenüber Unternehmern nach § 9a Abs 1 Z 2 UWG jedoch allgemein gilt, begründet nach Auffassung des erkennenden Senats keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung, weshalb kein Anlass zu der von der Beklagten angeregten Anfechtung besteht.
Mit Erkenntnis vom 28. September 1995, G 208/94, G 14/95 wies der Verfassungsgerichtshof Anträge des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Linz auf Aufhebung des § 9a Abs 1 Z 2 UWG wegen Verstoßes gegen die durch Art 6 StGG gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig ab. Entgegen den damals vorgetragenen Bedenken erachtete der Verfassungsgerichtshof das Zugabenverbot auch gegenüber Unternehmern als im öffentlichen Interesse gelegenen, gerechtfertigten und daher zulässigen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit, der überdies weder gleichheitswidrig noch unverhältnismäßig sei. Dass der Gesetzgeber nur bestimmte Zugabenformen zulasse und andere nicht, sei innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums gelegen. Auch der Vorwurf, die bekämpfte Regelung sei deshalb gleichheitswidrig, weil sie zwischen Verbrauchern und Unternehmern differenziere, treffe nicht zu. Es liege keine unsachliche und daher verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor. Der Verfassungsgerichtshof erachtete auch die Bedenken, die bekämpfte Regelung sei zur Zielerreichung von vornherein ungeeignet, als nicht zutreffend.
Das Zugabenverbot nach § 9a Abs 1 Z 2 UWG soll nach dem Willen des Gesetzgebers (ErlBem 338 der Beilagen XVIII. GP, 6) insbesondere dem Schutz jener Unternehmen dienen, von denen Zugaben gefordert werden (nicht wie im Fall der Z 1 dem Verbraucher- und Mitbewerberschutz). Es richtet sich gegen (starke) Unternehmen der Marktgegenseite. Die Regelung soll es den Adressaten des Verbots ermöglichen, sich Zugabenwünschen der Marktgegenseite durch den Hinweis auf das Verbot entgegenzustellen. Überdies könnten Unternehmen, die Zugaben verlangen, als Anstifter betrachtet und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Für die Erreichung dieses Ziels hat der Gesetzgeber eine - zur Vermeidung von Anwendungsschwierigkeiten generell zulässige - typisierende Betrachtungsweise gewählt; es kommt also nicht darauf an, ob im Einzelfall tatsächlich ein Marktmachtmissbrauch der Marktgegenseite vorliegt. Die Aufklärung der tatsächlichen Marktverhältnisse könnte großen Schwierigkeiten begegnen. Damit versagt aber auch das Argument der Beklagten, in diesem Fall fehle den angesprochenen Unternehmen (Handelsvertreter für die Produkte der Beklagten) Marktmacht. Im Hinblick auf die typisierende Betrachtungsweise des Gesetzgebers sind die tatsächlichen Marktverhältnisse im Einzelfall nicht zu prüfen.
Da die Rechtfertigung des Zugabengebots gegenüber Unternehmern - zumindest vorwiegend - nicht in der Verhinderung von Preisverschleierungen oder unsachlicher Beeinflussung der Kaufentscheidung liegt, ändert die Einschränkung des Zugabenverbots gegenüber Verbrauchern (auf konkrete Irreführungseignung und aggressive Praktiken) nichts an der sachlichen Rechtfertigung der Regelung gegenüber Unternehmern.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gegenüber Unternehmern in § 9a Abs 1 Z 2 UWG geregelte Zugabenverbot durch die gegenüber Verbrauchern anzuwendenden Einschränkungen nicht berührt wird.
Der unberechtigten Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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