OGH 13Os131/11f

OGH13Os131/11f17.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Danijel M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Danijel M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Juli 2011, GZ 71 Hv 82/11i-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Danijel M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Danijel M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB (A/I), „des Verbrechens“ des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (A/II) und „des Verbrechens“ des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (A/III) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien vorschriftswidrig Suchtgift

(A/I) in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich etwa 804 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von ca 602 Gramm,

1) eingeführt, nämlich am 3. November 2010 und am 28. Dezember 2010 jeweils rund 268 Gramm, und

2) einzuführen versucht, nämlich am 6. Jänner 2011 268 Gramm, die bei der Verladung am Flughafen Asuncion (Paraguay) sichergestellt wurden,

indem er die postalische Übersendung von Paraguay nach Österreich „organisierte“,

(A/II) am 2. Dezember 2010 in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge einem anderen angeboten, nämlich einem verdeckten Ermittler 200 bis 300 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von mindestens 154 Gramm, und

(A/III) in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, nämlich

1) am 2. Dezember 2010 einem verdeckten Ermittler 2 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von etwa 1,54 Gramm,

2) am 22. Februar 2011 einem verdeckten Ermittler 51,3 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von rund 38,4 Gramm,

3) Ende Dezember 2010 dem abgesondert verfolgten Bojan P***** 1 Gramm Kokain sowie

4) am 12. oder 13. Februar 2011 und am 18. oder 19. Februar 2011 Borivoje Pa***** insgesamt 5 Gramm Kokain.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Danijel M***** geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 93 S 85) des - im Übrigen nicht durch die gebotene Angabe der Fundstelle in den Akten (RIS-Justiz RS0124172) bezeichneten - Antrags auf Vernehmung des Joze A***** (ON 92 S 95) Verteidigungsrechte nicht verletzt:

Soweit der Beweisantrag auf den Nachweis zielte, „dass auch Art und Menge der Einfuhr, beziehungsweise des eingeführten Suchtgiftes, beziehungsweise Bestimmungen über die Verteilung und Preis nicht im Ermessen“ des Beschwerdeführers gelegen seien, bezog er sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände.

Entsprechendes gilt für das Beweisthema, der Beschwerdeführer sei „lediglich in untergeordneter Rolle an einem eventuellen Suchtgifthandel beteiligt“ gewesen, mit dem bloß ein Strafzumessungsgrund (§ 34 Abs 1 Z 6 StGB) angesprochen wird.

Das Beweisvorbringen, der Beschwerdeführer habe „jedenfalls keine organisatorischen Veranlassungen getroffen“ und er habe „die Einfuhr und Verteilung des in der Anklageschrift inkriminierten Suchtgiftes“ nicht „durchzuführen gehabt“, geht am diesbezüglichen Tatvorwurf (A/I), der Beschwerdeführer habe Personen akquiriert, die in Paraguay abgesendete Suchtgift-Lieferungen in Österreich in Empfang nahmen, deren Adressen an die Lieferanten weitergegeben und die Lieferungen seinerseits von den Empfängern übernommen (US 9), vorbei und spricht aus diesem Grund ebenfalls keine entscheidenden Tatsachen an.

Dass Joze A*****, der nach den Urteilsfeststellungen der (aus dem Ausland agierende) Auftraggeber des Beschwerdeführers gewesen ist (US 9), Wahrnehmungen über den tatsächlichen Ablauf des Verkaufs an Endabnehmer haben soll (A/II, A/III), wird (der Aktenlage entsprechend) nicht behauptet.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) entwickelt ihre Argumentation nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnissen und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei ergänzend festgehalten:

Durch die Aufnahme der Begehungsweise des „Anbietens“ in den Tatbestand des § 28a Abs 1 SMG mit der SMG-Novelle 2007 BGBl I 2007/110 verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, alle Verhaltensweisen, die dem Ziel, einem anderen Suchtgift zu übertragen, dienen, abschließend zu erfassen (vgl EBRV 301 BlgNR 23. GP 10). Hingegen zielte diese Novellierung nicht darauf, einen einzigen Übertragungsvorgang, der - wenn auch in nahtloser zeitlicher Abfolge - regelmäßig aus Anbot, Annahme und Übergabe besteht, doppelt zu pönalisieren. Demnach verdrängt ein „Überlassen oder Verschaffen“ ein zuvor erfolgtes „Anbieten“, soweit beide Vorgänge auf idente Quantitäten des selben Suchtgifts gerichtet sind und der Empfänger jene Person ist, der angeboten wurde (13 Os 67/11v). Das „Anbieten“ stellt nämlich solcherart in Relation zum „Überlassen oder Verschaffen“ eine selbständig strafbare Vorbereitungshandlung im technischen Sinn dar, die sich in der Vorbereitung des dann versuchten oder vollendeten Delikts erschöpft, womit insoweit der Scheinkonkurrenztypus der stillschweigenden Subsidiarität vorliegt (zum Begriff Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 [401] sowie Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 44; in diesem Sinn auch Litzka/Matzka/Zeder SMG² § 28a Rz 8; für Konsumtion Schwaighofer in WK² § 27 Rz 106).

Fallbezogen bedeutet dies, dass das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (A/II) in Bezug auf jene Menge, die dem verdeckten Ermittler in der Folge tatsächlich überlassen worden ist, vom Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (A/III/2) verdrängt wird. Anlass für ein amtswegiges Vorgehen bietet der diesbezügliche Rechtsfehler aber nicht, weil das Erstgericht den Beschwerdeführer zu A/II bloß eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG schuldig erkannt hat (US 5) und die Grenzmenge (§ 28b SMG) an Kokain-Reinsubstanz (15 Gramm) auch bei Subtraktion der vom Schuldspruch A/III/2 umfassten Quantität (154 Gramm - 38,4 Gramm = 115,6 Gramm) um ein Vielfaches überschritten wird.

Zum Schuldspruch A/III addierte das Erstgericht ersichtlich die in mehreren Angriffen übergebenen Suchtgiftmengen, ohne aber einen entsprechenden Additionsvorsatz festzustellen. Im Hinblick darauf, dass auch dieser Schuldspruch bloß wegen eines Verbrechens des Suchtgifthandels (nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) ergangen ist und dass der Beschwerdeführer schon allein am 22. Februar 2011 (vorsätzlich) mehr als das Doppelte der Grenzmenge übergab (A/III/2: 38,4 Gramm Kokain-Reinsubstanz), ist aber auch insoweit nicht amtswegig vorzugehen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Dabei wird dieses zu berücksichtigen haben, dass der Beschwerdeführer nach den - in Erledigung der Verfahrensrüge wiedergegebenen - Feststellungen zu den Tathandlungen nicht als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB), sondern als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall) anzusehen ist (vgl Schwaighofer in WK² § 27 SMG Rz 32).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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