Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bernhard G***** mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall, 15 StGB (1) und „der“ Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er am 8. März 2011 in N***** Gabriele B*****
(1) genötigt und zu nötigen versucht, und zwar:
(a) mit Gewalt, indem er sie an den Schultern auf einen Stuhl niederdrückte und durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch die Äußerung, sie könne es sich aussuchen, ob sie das Messer entweder an der Kehle haben wolle oder ob er ihr damit die Haare abschneide, wobei er mit einem Prozellanmesser aus unmittelbarer Nähe in Richtung ihrer Kehle „deutete“, zur Duldung des Abschneidens ihrer Haare;
(b) durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch die Äußerung: „Wenn du etwas sagst, dann bring ich dich um!“, zur Unterlassung, Anna G***** und Anna B***** von den vorangegangenen gewalttätigen Vorgängen zu erzählen, wobei es im zuletzt genannten Fall beim Versuch blieb;
(2) mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Vornahme und Duldung des Beischlafs sowie dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, und zwar:
(a) durch die Aussagen: „Entweder du schaffst es und wenn es fünf Stunden dauert oder ich bringe dich um, du Teufel!“ und „Du bist der Teufel, ich muss die Welt vom Teufel befreien - ich bring dich um!“ sowie dadurch, dass er ihr T-Shirt und Slip vom Leib riss, sie daraufhin von der Küche ins Wohnzimmer zog und stieß, unter Anwendung voller Körperkraft festhielt und auf das Sofa stieß, zur Vornahme eines Oralverkehrs an ihm;
(b) dadurch, dass er sie unter Abgabe der Äußerung: „Ich bringe dich um!“ in die Küche zerrte, ihr ein Fleischmesser an die Kehle hielt und sie auf das Sofa drängte, zur Duldung des Vaginal- und Analverkehrs, wobei er mit den Fingern abwechselnd in ihre Scheide und ihren After eindrang.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) erfolgte die Abweisung des in der Hauptverhandlung zum Beweis der Unwahrheit der Aussagen der Gabriele B***** (ON 43 S 7) gestellten Antrags auf Einholung eines „gerichtspsychologischen und psychiatrischen“ Gutachtens ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen, auf die der Beweisantrag gerichtet ist, ist eine Frage der allein dem erkennenden Gericht zukommenden Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0098297), bei der eine Hilfestellung durch einen Sachverständigen nur in Ausnahmefällen, wie etwa bei Vorliegen einer erheblichen, die Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit beeinträchtigenden psychischen Erkrankung, einer solchen Entwicklungsstörung oder eines sonstigen geistigen Defekts in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0120634; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 23; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 8). Derartige Umstände wurden mit dem Vorbringen, das Tatopfer habe sich nach eigenen Angaben zum Tatzeitpunkt „in einem Tunnel befunden“ und sei zuvor schon psychologisch behandelt worden, nicht aufgezeigt. Die dazu im Rechtsmittel nachgetragenen Gründe unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099117 und RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Im Hinblick darauf, dass Zeugen nicht verpflichtet sind, sich gegen ihren Willen untersuchen zu lassen, unterblieb aber auch die gebotene Darlegung, aus welchem Grund anzunehmen sei, dass sich Gabriele B*****, die übrigens anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung erklärt hatte, nicht nochmals vor Gericht aussagen zu wollen (ON 18 S 61), zur Befundaufnahme bereit finden werde (RIS-Justiz RS0118956 [T3, T4]).
Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft mit der unter Hinweis auf einen von Gabriele B***** mehrere Stunden vor den Tathandlungen über Aufforderung des Angeklagten an ihm durchgeführten Oralverkehr mit anschließender Ejakulation in den Mund der Zeugin, ihrer trotz der damit verbundenen Demütigung erfolgten Rückkehr ins gemeinsame Schlafzimmer und den Beobachtungen der Tochter des Tatopfers zu früher beim Geschlechtsverkehr gemachten „lauten und aggressiven“ Geräuschen abgeleiteten Schlussfolgerung, dass nur einverständlicher Geschlechtsverkehr in Form eines sexuellen „Rollenspiels“ stattgefunden habe, bloß die gegenteilige tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) musste sich das Erstgericht auch nicht mit den - aktenwidrig als Wahrscheinlichkeitsaussage dargestellten - Ausführungen des Sachverständigen, wonach es „keinesfalls auszuschließen ist, dass es sich tatsächlich um eine Art Rollenspiel gehandelt hat“ (ON 35 S 30), befassen.
Die Kritik an der konstatierten „übertrieben engen“ Beziehung des Angeklagten zu seinen Söhnen (US 4) spricht ebensowenig eine entscheidende Tatsache an wie die Betonung vorangegangener harmonischer Ehe- und Geschlechtsbeziehungen des Angeklagten zu anderen Frauen.
Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit stellt nichts anderes als eine erhebliche Tatsache dar, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Frage zu stellen auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431). Diesen Versuch unternimmt der Beschwerdeführer jedoch, indem er durch Verweis auf Verfahrensergebnisse zum Verhalten der Zeugin B***** gegenüber der Exgattin und einer früheren Freundin des Angeklagten samt daraus abgeleiteten Spekulationen über eine mögliche Falschbezichtigung aufgrund übertriebener Eifersucht den dem Tatopfer vom Schöffensenat aufgrund vernetzter Betrachtung der Verfahrensergebnisse zugebilligten Wahrheitsgehalt in Abrede stellt.
Der weiteren Rüge (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten - logisch und empirisch einwandfrei - aus dem objektiven Verhalten abgeleitet (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Aus welchem Grund diese Urteilsannahme durch die - anlässlich der gutachterlichen Untersuchung am 16. März 2011 aktuell festgestellte - fehlende Aggressionstendenz des Angeklagten (ON 15 S 13 f) und dessen eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit tangiert werden soll, erklärt die (formell auch auf Z 9 lit a gestützte) Beschwerde nicht.
Die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB gerichtete (auf Z 9 lit a - der Sache nach jedoch Z 10 gestützte) Subsumtionsrüge orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Urteilsannahmen, wonach die geäußerten Drohungen als hochgradig intensive Bedrohung mit dem Umbringen zu verstehen waren und vom Angeklagten auch in diesem Sinne eingesetzt wurden (US 7 f) und leitet ihre Behauptung, der Bedeutungsinhalt einer Drohung sei danach zu beurteilen, wie der Bedrohte konkret diese verstanden habe, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab. Damit verlässt sie den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen materiellen Nichtigkeitsgrundes (zu der die Tatsachenebene betreffenden Gesamtbetrachtung vgl jedoch RIS-Justiz RS0092588; Jerabek in WK2 § 74 Rz 34).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass nach dem Tatsachensubstrat des Urteils beide sexuellen Angriffe des Angeklagten (Urteilspunkt 2) eine von einheitlichem Vorsatz getragene tatbestandliche Handlungseinheit darstellen (vgl RIS-Justiz RS0120233, RS0117038; 13 Os 1/07g vS, EvBl 2007/114, 614; Ratz in WK2 Vor §§ 28 bis 31 Rz 89). Die demnach verfehlte Annahme zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB bietet jedoch für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keinen Anlass, weil auch der Wegfall eines Schuldspruchs nach § 201 Abs 1 StGB - mit Blick auf die weiteren, nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB beurteilten Tathandlungen - den vom Erstgericht angenommenen Erschwerungsgrund mehrerer Verbrechen (US 16) unberührt lässt und überdies der Umstand, dass der Angeklagte das Tatopfer zum Beischlaf und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt hat, als aggravierend zu werten gewesen wäre. An die insoweit fehlerhafte Subsumtion ist das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Berufungen nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 27a).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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