OGH 13Os95/11m

OGH13Os95/11m17.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred W***** und eine Angeklagte wegen Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2 (Abs 5 Z 3, 4 und 5) iVm § 161 Abs 1 erster Satz StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Manfred W***** und Renata W***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Februar 2011, GZ 161 Hv 48/09y-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten jeweils (richtig:) mehrerer Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2 (Abs 5 Z 3, 4 und 5) iVm § 161 Abs 1 erster Satz StGB schuldig erkannt.

Danach haben (in zum besseren Verständnis durch den Obersten Gerichtshof klargestellter [vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 622 ff] Form des Referats der entscheidenden Tatsachen [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO]) in Wien und an anderen Orten Renata W***** als handelsrechtliche Geschäftsführerin und Manfred W***** als faktischer Geschäftsführer der R***** GmbH, mithin als leitende Angestellte einer juristischen Person (§ 161 Abs 1 erster Satz StGB),

(I) bis zum 30. November 2008 grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der genannten Gesellschaft durch kridaträchtiges Handeln, nämlich dadurch herbeigeführt, dass sie (§ 159 Abs 5 Z 4 StGB) Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterließen oder so führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft erheblich erschwert wurde, indem sie die Buchhaltung zumindest ab dem zweiten Halbjahr 2008 nicht zeitnah führten, Darlehen nicht in den Sach- und Personenkonten des Jahres 2008 erfassten und nicht für jeden der Betriebe ein eigenes Kassakonto führten sowie dadurch, dass sie (§ 159 Abs 5 Z 5 StGB) Jahresabschlüsse ab dem Jahr 2006, zu deren Erstellung sie verpflichtet waren, zu erstellen unterlassen haben;

(II) von 30. November 2008 bis 17. Februar 2009 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der R***** GmbH grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines deren Gläubiger dadurch zumindest geschmälert, dass sie kridaträchtig handelten, indem sie durch Eingehen neuer Verbindlichkeiten von 27.000 Euro für die Übernahme weiterer Betriebsstätten übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dieser Gesellschaft in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieben (§ 159 Abs 5 Z 3 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten, Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (inhaltlich Z 5 erster Fall) weist auf mehrere Passagen der Entscheidungsgründe hin, wo statt von der im Zusammenhang mit dem Schuldspruch gegenständlichen R***** GmbH (irrtümlich) von der - nur für den Freispruch relevanten - „E*****“ ***** GmbH die Rede ist (US 18 f). Nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht, ist jedoch bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (vgl auch US 20 und 34 ff) für die relevanten Urteilsadressaten keineswegs zweifelhaft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419), dass das Erstgericht die gerügten Feststellungen in Bezug auf die erstgenannte Gesellschaft getroffen hat.

Der Einwand (Z 5 zweiter Fall), die Tatrichter hätten sich mit bestimmten Ausführungen des Sachverständigen (ON 72 S 13 ff und ON 88 S 9 ff) nicht auseinandergesetzt, geht ins Leere, weil diese sich ausschließlich auf den vom Freispruch erfassten Sachverhalt beziehen und daher kein im Zusammenhang mit dem Schuldspruch erhebliches, mithin erörterungsbedürftiges Beweisergebnis enthalten.

Der Vorwurf, das Erstgericht habe Beweisergebnisse ignoriert (Z 5 zweiter Fall), wonach im Jahr 2005 „beträchtliche Zuschüsse“ der Familie der Angeklagten Renata W***** für den Geschäftsbetrieb der R***** GmbH verwendet worden seien, ist schon deshalb verfehlt, weil die Angeklagte in der von der Beschwerde angesprochenen Aussagepassage zwar deponierte, 179.000 Euro - persönlich - erhalten zu haben, zur Verwendung dieses Betrags aber keine Angaben machte (ON 88 S 41).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die konstatierte Zahlungsunfähigkeit als bloße „Zahlungsstockungen“ bezeichnet, die Kausalität der im Sinn des § 159 Abs 5 Z 4 und 5 StGB kridaträchtigen Handlungen für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in Abrede stellt und behauptet, bei der danach erfolgten Übernahme weiterer Betriebsstätten habe es sich nicht um übermäßigen Aufwand (§ 159 Abs 5 Z 3 StGB), sondern lediglich „um eine Sanierungsmaßnahme“ gehandelt, bekämpft sie die gegenteiligen Feststellungen (vgl insbesondere US 18 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Weshalb der Einschätzung der Tatrichter entgegenstehen soll, dass durch die zuletzt genannte Maßnahme der Umsatz gesteigert worden sei, bleibt unklar, weil dieser allein über den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nichts aussagt (vgl US 15 f).

Die Behauptung fehlender Feststellungen im Zusammenhang mit den Tatbestandselementen grober Fahrlässigkeit und einer durch die inkriminierten Handlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bewirkten Schmälerung der Gläubigerbefriedigung ignoriert die dazu getroffenen Konstatierungen (US 20 f iVm 36 f und 40).

Soweit die Rüge das Fehlen kridaträchtiger Handlungen im Sinn des § 159 Abs 5 Z 4 und 5 StGB auch in Bezug auf das Vergehen nach § 159 Abs 2 StGB einwendet, verkennt sie, dass die in Abs 5 genannten Handlungen rechtlich gleichwertige Begehungsformen darstellen, deren eine (hier Z 3) für den Schuldspruch bereits ausreicht (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 159 Rz 111; vgl RIS-Justiz RS0120172).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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