OGH 12Os142/11s

OGH12Os142/11s15.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen Jörg K***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 16. März 2011, GZ 39 Hv 101/10k-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jörg K***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A./), des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (B./), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (C./) und des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (D./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ im Juni 2008 in L***** mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er der am 4. April 1997 geborenen, somit unmündigen Sophie H***** nach Befeuchten des Fingers mit Speichel einen Finger „grob und fest“ (US 5) in die Vagina einführte;

B./ durch die unter A./ genannte Handlung mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;

C./ zwischen 2003 und 2008 in Z***** und B***** in wiederholten Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er die am 4. April 1997 geborene Sophie H***** am Geschlechtsteil berührte, anfasste und streichelte;

D./ im Juni 2008 in L***** eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um dadurch sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er vor der am 4. April 1997 geborenen Sophie H***** Selbstbefriedigung betrieb.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die Möglichkeit einer unrichtigen Aussage der Sophie H***** auch unter Berücksichtigung des aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens - übrigens sehr eingehend - erörtert (US 7 ff). Die in der Beschwerde hervorgehobene Passage des Gutachtens bedurfte dabei keiner speziellen Betrachtung (RIS-Justiz RS0118316).

Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass aus dem schulischen Leistungsabfall des Mädchens auch andere Schlüsse gezogen werden konnten als im angefochtenen Urteil (US 12), zeigt keinen Begründungsmangel auf (RIS-Justiz RS0114524).

Gleiches gilt für nach den Worten der Tatrichter „schwer erfindbare Details“ des sexuellen Geschehens (US 12) und für Mitteilungen des Mädchens über die inkriminierten Vorfälle, vor allem an seine Mutter. Indem der Nichtigkeitswerber auch diesbezüglich die Möglichkeit anderer als der im Urteil enthaltenen Folgerungen hervorhebt, geht er abermals an den aus Z 5 eröffneten Anfechtungskategorien vorbei.

Nichts anderes trifft auf das der Sache nach den Zweifelsgrundsatz ansprechende Vorbringen zu (RIS-Justiz RS0117445).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit der Bezugnahme auf das Vorbringen aus Z 5 und den Hinweisen des Rechtsmittelwerbers auf seine Angaben zu Motiven der Sophie H***** sowie auf eine Passage aus der Befragung der Sachverständigen in der Hauptverhandlung werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts sei lebensfremd, lässt er die zur prozessordnungsgemäßen Ausführung der Tatsachenrüge (Z 5a) erforderliche Bezugnahme auf konkrete Aktenstücke vermissen (RIS-Justiz RS0119424).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte