OGH 12Os146/11d

OGH12Os146/11d15.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alexander B***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Juli 2011 im Verfahren AZ 32 Hv 115/10d nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Alexander B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander B***** der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (A./), der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 4 zweiter Satz StGB (B./) und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A./ von 1. Dezember 2009 bis 14. März 2010 in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten Mittätern anderen Personen fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch in eine Wohnstätte wie im Urteil näher beschrieben (a./ bis c./) weggenommen;

B./ ab einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt bis zum 15. März 2010 Täter von mit Strafe bedrohten Handlungen gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt, Sachen, die diese dadurch, unter anderem durch Einbruchsdiebstähle, somit zumindest teilweise aus strafbaren Handlungen erlangt haben, die aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht sind, die fünf Jahre erreicht oder übersteigt, wobei er (US 6) die Umstände kannte, die diese Strafdrohung begründen, zu verheimlichen, indem er das im Urteil einzeln genannte Diebsgut (a./ bis k./) in einem 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert in einer Wohnung verwahrte;

C./ ab einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt bis zum 15. März 2010 „mit im Urteil genannten abgesondert verfolgten anderen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter“ sich als Mitglied an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen beteiligt, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Vermögen bedrohen (US 5), ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang und erheblichen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, nämlich an einer von den abgesondert verfolgten Lasha S***** und Khakhaber S***** international geführten, im Bundesgebiet durch die abgesondert verfolgten Zaali M***** (alias „G*****“) und Gochar A***** (alias „A*****“) repräsentierten Organisation der „Diebe im Gesetz“, die in Österreich insbesondere auf die Begehung von gewerbsmäßigen Diebstählen auch durch Einbruch ausgerichtet ist, indem er die unter A./ und B./ des Schuldspruchs angeführten strafbaren Handlungen beging, Zahlungen an die Organisation und insbesondere an Zaali M***** leistete, Informationen zu georgischen Straftätern einholte und austauschte, sich in die Organisationsstrukturen eingliederte, Anweisungen der führenden Organisationsmitglieder befolgte und sich Entscheidungen der „Diebe im Gesetz“ unterwarf.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (Z 4) stellt mit Bezugnahme auf den - prozessordnungswidrig ohne Fundstelle genannten (RIS-Justiz RS0124172) - Antrag auf Beischaffung der Sonagramme und Beilegung zum Akt, was zum Beweis dafür dienen sollte, ob sich Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten aus den grafischen Darstellungen ergeben, auf einen im Stadium der Hauptverhandlung nicht zulässigen Erkundungsbeweis ab (RIS-Justiz RS0118123).

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) lässt die von der durch das Gericht mit einer Stimmvergleichsanalyse beauftragten Sachverständigen gegebene Begründung ihres Gutachtens in der Hauptverhandlung außer Acht (S 2 ff des Protokolls vom 7. Juli 2011).

Eine durch den Verweis auf ein von den Tatrichtern als schlüssig beurteiltes Gutachten (US 9), dem - wie hier (s die genannten Aktenstellen) - eine zureichende Grundlage für die getroffene Urteilsfeststellung zu entnehmen ist, erfolgte Urteilsbegründung ist mängelfrei (RIS-Justiz RS0119301 [T1]).

Feststellungen - hier: zum Schuldspruch C./ - als „unrichtig“ zu bezeichnen, spricht keine der aus Z 5 eröffneten Anfechtungskategorien und auch keinen anderen Nichtigkeitsgrund an.

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn - nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, somit sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419, 421, 437 f, 444, 467).

Auf einen Begründungsmangel in der dargelegten Bedeutung ist das aus Z 5 erstattete Vorbringen betreffend den Schuldspruch C./ schon im Ansatz nicht gerichtet. Eine Sachverhaltskritik nach Art einer Schuldberufung (§ 464 Z 2 StPO) ist in Ansehung kollegialgerichtlicher Urteile in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich gegen Feststellungen zu den Schuldsprüchen A./ und B./. § 281 Abs 1 Z 5a StPO will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

Mit den vorgetragenen Erwägungen zum Ziel polizeilichen Vorgehens im Zug der Ermittlungen, zu einer „genetischen Teilspur“ und zu Angaben einer Zeugin über das Wiedererkennen des Angeklagten (betreffend Schuldspruch A./) sowie zu Aussagen über die Benützung der in Rede stehenden Wohnung (B./) und dem Hinweis auf das erwähnte Gutachten vermag die Tatsachenrüge keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach gemeint Z 9 lit a) hinsichtlich des Schuldspruchs B./ von rein passivem Verhalten des Angeklagten ausgeht, weicht sie von den Konstatierungen des Schöffengerichts ab, wonach er Diebsgut in einer Wohnung verwahrte (US 6; vgl RIS-Justiz RS0095392; Kirchbacher in WK2 § 164 Rz 19).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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