OGH 15Os142/11p

OGH15Os142/11p31.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael H***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, AZ 8 Hv 110/11g des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 15. September 2011, AZ 10 Bs 364/11x (ON 109 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Michael H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Michael H***** wurde beim Landesgericht für Strafsachen Graz ein Ermittlungsverfahren geführt. Mit der zwischenzeitig am 28. September 2011 bei diesem Gericht eingebrachten Anklageschrift (ON 113) legt ihm die Staatsanwaltschaft ein als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB beurteiltes Verhalten zur Last.

Der gegen die Verhängung der Untersuchungshaft über den Angeklagten mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 30. August 2011 (ON 103) aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 2 und Z 3 lit b StPO gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 15. September 2011, AZ 10 Bs 364/11x (ON 109), nicht Folge und setzte die Haft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fort.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss wendet sich die rechtzeitige Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten, die die Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr bekämpft. Sie ist nicht im Recht.

Nach den Sachverhaltsannahmen des angefochtenen Beschlusses ist Michael H***** dringend verdächtig, er habe in W***** und anderen Orten in der Zeit von 23. April bis 19. Mai 2010 als Geschäftsführer der J***** GmbH mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz die Berechtigten von im Einzelnen angeführten 18 Unternehmen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorgabe der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der J***** GmbH, zu Handlungen, nämlich zu Lieferungen und Leistungen verleitet, die die Genannten im Betrag von 297.703,05 Euro, sohin in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag schädigten, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Die rechtliche Annahme einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar („willkürlich“) angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).

Mit der unter anderem auf Entscheidungen zu den Voraussetzungen der Annahme des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 StPO idF vor dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1983 gestützten Behauptung, das Oberlandesgericht habe ohne Bezugnahme auf den aktuellen Einzelfall allein aus der aus der Strafregisterauskunft ersichtlichen Tatsache von Vorverurteilungen auf eine negative Charaktereigenschaft des Angeklagten geschlossen und daraus zu Unrecht das Vorliegen des angenommenen Haftgrundes abgeleitet, sowie mit dem Einwand, die Bezugnahme auf den nach wie vor bestehenden Kontakt zu den Mitbeschuldigten Martin M***** und Ursula S***** stelle lediglich eine Scheinbegründung der getroffenen Prognoseentscheidung dar, vermag der Beschwerdeführer eine solch willkürliche Annahme der Tatbegehungsgefahr nicht aufzuzeigen.

Denn das Oberlandesgericht hat seine Einschätzung, der Angeklagte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens strafbare Handlungen gegen fremdes Eigentum ähnlich den ihm nunmehr angelasteten fortgesetzten Handlungen begehen (BS 7), vor allem - und insoweit vom Beschwerdeführer unbeachtet - aus der Art der vom dringenden Tatverdacht umfassten Tathandlungen (massive in einem Zeitraum von knapp einem Monat begangene Betrugsdelinquenz mit einem Schadensbetrag von immerhin fast 300.000 Euro; BS 2 bis 4) und der daraus abzuleitenden hochgradigen Vernetzung des Beschuldigten mit seinen Mittätern mit dem Ziel der betrügerischen Schädigung von Geschäftspartnern zur eigenen oder zur Bereicherung Dritter erschlossen. Dabei hat es - im Rahmen verschränkter Betrachtung der Verfahrensergebnisse zulässig - auch das Fortbestehen eines geschäftlichen Kontakts zu Martin M***** und Ursula S***** sowie den aus den beiden aktenkundigen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden, im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Vorverurteilungen (zu jeweils bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen) aus dem Jahr 2009 wegen teils gewerbsmäßig begangenen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels abgeleiteten Hang zu illegaler Bereicherung mitberücksichtigt (BS 6 f). Damit wurden - entgegen dem Beschwerdevorbringen - zur Prognosebegründung bestimmte Tatsachen angeführt, die nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen geeignet sind, die daraus abgeleitete Befürchtung zu tragen.

Einzelne aus der Sicht des Beschwerdeführers erörterungsbedürftige Umstände, wie etwa die Beendigung der Tätigkeit des Angeklagten als Geschäftsführer der J***** GmbH und den seit der Tatbegehung verstrichenen, von Wohlverhalten geprägten Zeitraum, bei dieser Prognose nicht explizit erwähnt zu haben, kann der angefochtenen Entscheidung nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden (RIS-Justiz RS0117806 [T1]; vgl Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 49).

Michael H***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).

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