OGH 13Os104/11k

OGH13Os104/11k13.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Manfred S*****, Björn L***** und Franz A***** sowie die Berufungen der Angeklagten Manfred S***** und Franz A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. April 2011, GZ 9 Hv 133/10w-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten Manfred S*****, Björn L***** und Franz A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Manfred S***** des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II) und des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (I), Björn L***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (III) und Franz A***** des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben

(I) Manfred S***** im Oktober 2009 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Gertrude K***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, für ihren Pkw VW Golf sei als Erlös nur mehr ein Schrottwert von 100 Euro erzielbar, zum Verkauf dieses Fahrzeugs um den genannten Betrag verleitet und sie dadurch mit zumindest 100 Euro am Vermögen geschädigt,

(II) Manfred S***** und Franz A***** im Spätherbst 2009 in St. Georgen im einverständlichen Zusammenwirken mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Gernot R***** durch die Drohung, gegen ihn Anzeige wegen der Erstattung eines falschen Kfz-Gutachtens (§ 57a KFG) zu erstatten, genötigt, den von Gertrude K***** um 100 Euro erworbenen Pkw VW Golf (I) um 800 Euro zu kaufen, und ihn dadurch mit einem nicht mehr exakt feststellbaren Betrag am Vermögen geschädigt,

(III) Björn L***** am 12. August 2009 und am 19. Oktober 2009 in zwei Fällen als gemäß § 57a Abs 2 KFG zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen Ermächtigter mit dem Vorsatz, dadurch den Staat in seinem Recht auf Zulassung nur verkehrs- und betriebssicherer Fahrzeuge zum Verkehr zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Begutachtungen von Fahrzeugen nach § 57a KFG vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er unrichtige Kfz-Gutachten (§ 57a Abs 4 KFG) erstellte und entsprechende Begutachtungsplaketten (§ 57a Abs 5 KFG) ausfolgte, obwohl er wusste, dass die jeweiligen Fahrzeuge nicht verkehrs- und betriebssicher waren.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil meldeten Manfred S*****, Björn L***** und Franz A***** Nichtigkeitsbeschwerde an.

Da Björn L***** keine Ausführung seiner Beschwerdegründe (§ 285 Abs 1 erster Satz StPO) überreichte und auch bei der Anmeldung die Nichtigkeitsgründe nicht einzeln und bestimmt bezeichnete, war seine Beschwerde gemäß § 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die gemeinsam ausgeführten, auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Manfred S***** und Franz A***** gehen fehl.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) legt das Erstgericht in eingehender Beweiswürdigung dar, aufgrund welcher Beweisergebnisse es anhand welcher Überlegungen die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführer als widerlegt erachtet (US 10 bis 13).

Hievon ausgehend waren die Tatrichter unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, den gesamten Inhalt der Aussagen der Beschwerdeführer in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen zu erörtern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Nach den Feststellungen zum Schuldspruch II haben die Beschwerdeführer Gernot R***** durch die sinngemäße Drohung, widrigenfalls Anzeige gegen ihn zu erstatten, zum Kauf des Pkw VW Golf genötigt (US 7 f). Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass Gernot R***** diesbezüglich im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung von einer Anzeige „bei der Landesregierung“ (ON 29 S 29) sprach, in der Hauptverhandlung hingegen angab, die Beschwerdeführer hätten nicht gesagt, an welche Stelle sie die Anzeige richten wollten (ON 47 S 33), bezieht sie sich nicht auf entscheidende Tatsachen. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass Gernot R***** nach der Aktenlage diese Divergenz im Rahmen der Hauptverhandlung ohnedies aufklärte (ON 47 S 33).

Aus welchem Grund die Deposition des Zeugen R*****, er habe sich nicht „bedroht gefühlt“ (ON 47 S 37), den Urteilskonstatierungen erörterungsbedürftig entgegenstehen soll, wird nicht klar. Sofern dieses Vorbringen auf den Kausalitätszusammenhang zwischen der Androhung der Anzeige und der Vermögensverfügung zielt, sei darauf hingewiesen, dass Gernot R***** diesen nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung ausdrücklich bestätigte (ON 47 S 35). Indem die Beschwerde dies übergeht und aus einer anderen Passage der Aussage dieses Zeugen für die Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Der Einwand, Gertrude K***** sei in der Hauptverhandlung von ihrer Deposition im Verfahren AZ 6 C 17/10a des Bezirksgerichts Leibnitz, wonach sie zugestimmt habe, dass ihr Pkw VW Golf verschrottet werde, abgegangen, entfernt sich von der Aktenlage (ON 47 S 5).

Auch diese Aussage steht im Übrigen keineswegs im Widerspruch zu den Feststellungen des Erstgerichts, wonach die Täuschungshandlung des Manfred S***** (I) ja gerade darin bestand, Gertrude K***** vorgespiegelt zu haben, für ihren Pkw sei nur mehr ein Schrottpreis erzielbar, und die Genannte - erst - hierauf mit der Verschrottung einverstanden war (US 6, 7).

Das weitwendige Vorbringen zu den Ausführungen des Sachverständigen Ing. V***** über den Wert des Pkw VW Golf (zum Teil nominell verfehlt auch Z 9 lit a) setzt sich darüber hinweg, dass der Sachverständige das Fahrzeug aufgrund des zwischenzeitigen Weiterverkaufs nicht besichtigen konnte und nicht feststellbar ist, ob die von den Beschwerdeführern vorgelegten Lichtbilder tatsächlich von diesem Fahrzeug stammen (US 11), der Sachverständige also bloß allgemeine Aussagen über den Wert gleichartiger Fahrzeuge traf und festhielt, der von Gernot R***** genannte Weiterverkaufspreis von 450 Euro erscheine ihm mit Blick auf den von diesem Zeugen beschriebenen Zustand im Zeitpunkt des Weiterverkaufs plausibel (ON 55 S 5). Die diesbezüglichen Darlegungen des Sachverständigen fanden auch Eingang in die Beweiswürdigung der Tatrichter (US 11, 12).

Die Beschwerdebehauptung, aus der Einschätzung des Sachverständigen, der Wert der von Gernot R***** an dem Pkw VW Golf nach dessen Aussage durchgeführten Reparaturen sei mit etwa 100 Euro anzusetzen (ON 55 S 5), ergebe sich, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Verkaufs durch Gertrude K***** nur 100 Euro wert gewesen und der Genannten demnach kein Schaden entstanden sei, trifft nicht zu. Die Schätzung des Fahrzeugwerts mit 200 Euro bezieht sich nämlich auf die Aussage des Zeugen R*****, die Beschwerdeführer hätten ihm den Typenschein vorenthalten (ON 55 S 7).

Ebenso entfernt sich das Vorbringen, das Sachverständigengutachten veranschlage den Wert mit 800 bis 1.200 Euro, womit zum Schuldspruch II das Tatbestandsmerkmal der Vermögensschädigung fehle, vom Akteninhalt, weil sich die diesbezügliche Aussage des Sachverständigen nicht auf den gegenständlichen Pkw, sondern auf vergleichbare Fahrzeuge in technisch einwandfreiem Zustand bezog (ON 55 S 5).

Aus welchem Grund Feststellungen zum Wissen des Manfred S***** über den exakten Zeitwert des Pkw schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollen (der Sache nach Z 9 lit a), legt die Beschwerde nicht dar.

Entgegen der Rüge und der insoweit inhaltlich gleichlautenden Stellungnahme der Generalprokuratur ist der Schluss vom unmittelbaren Nachtatverhalten auf die subjektive Tatseite, konkret vom Umstand, dass Manfred S***** den Pkw VW Golf, nachdem er Gertrude K***** mitgeteilt hatte, dass dieser bloß (gegen einen Erlös von 100 Euro) verschrottet werden könne, (um 800 Euro) verkaufte, auf den betrügerischen Vorsatz (US 12) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Indem die Beschwerde Erörterungen zur Beteiligungsform (§ 12 StGB) einfordert, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 646).

Ein Urteil ist aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall), wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431), was in den Beschwerdeausführungen zu diesem Nichtigkeitsgrund nicht behauptet wird.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet hinsichtlich des Schuldspruchs I fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere auch zum Zeitpunkt der betrügerischen Willensbildung, ein, übergeht dabei aber die Konstatierungen des Erstgerichts, wonach Manfred S***** Gertrude K***** vorspiegelte, ihr Pkw könne bloß verschrottet werden, obwohl er beabsichtigte, diesen (als fahrtüchtig) zu verkaufen, dass er in diesem Zeitpunkt wusste, dass dieses Fahrzeug mehr als 100 Euro wert sei und dass die Täuschung, die unrechtmäßige Bereicherung sowie der Vermögensschaden der Gertrude K***** von seinem Vorsatz umfasst waren (US 6, 7).

In Bezug auf die Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der gefährlichen Drohung (Schuldspruch II) unterlässt die Beschwerde - ebenso wie insoweit die Generalprokuratur - die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584). Das Erstgericht konstatiert nämlich, dass die Beschwerdeführer Gernot R***** Schwierigkeiten und „dadurch“ - in Übereinstimmung mit der Aussage des als glaubwürdig erachteten Zeugen R***** (ON 47 S 33) - die Erstattung einer Anzeige in Aussicht stellten und dass dies vom Tatvorsatz umfasst war (US 7, 8).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass die Androhung einer Anzeige (unabhängig von deren inhaltlicher Richtigkeit) dem Tatbestandsmerkmal der „gefährlichen Drohung“ im Sinn des § 144 Abs 1 StGB entspricht (Eder-Rieder in WK² § 144 Rz 14; Jerabek in WK² § 74 Rz 31; Hintersteininger, SbgK § 144 Rz 20, 21).

Die Beschwerdeforderung nach Konstatierungen zum „tatsächlichen Zeitwert“ des Pkw VW Golf bleibt unklar: Das Erstgericht stellte den Vermögensschaden der Gertrude K***** (I) mit zumindest 100 Euro (und solcherart den Fahrzeugwert mit mindestens 200 Euro) fest (US 7) und ging davon aus, dass nach Durchführung der erforderlichen Reparaturen ein Weiterverkaufserlös von 450 Euro erzielbar war (US 12). Demgegenüber nötigten die Beschwerdeführer Gernot R***** nach den Urteilskonstatierungen, den - in diesem Zeitpunkt noch nicht reparierten - Pkw um 800 Euro zu kaufen (II). Welche darüber hinausgehenden Feststellungen zum Fahrzeugwert schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollen, sagt die Beschwerde nicht.

Die Behauptung, die Beschwerdeführer wären wegen des „Vorliegens von negativen Tatbestandsvoraussetzungen“ freizusprechen gewesen, bleibt unbegründet.

Auch die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Manfred S***** und Franz A***** waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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