OGH 15Os87/11z

OGH15Os87/11z21.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert F***** wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 17 Hv 158/09z des Landesgerichts Klagenfurt, über den Antrag der Generalprokuratur gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 17 Hv 158/09z des Landesgerichts Klagenfurt insoweit verfügt, als Herbert F***** mit Urteil vom 2. Dezember 2009 (ON 10) zu I./ des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB schuldig erkannt wurde.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der zu I./ getroffenen Annahme, Herbert F***** habe als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren falsch ausgesagt, und in der darauf gegründeten rechtlichen Beurteilung der Tat als das Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB ersatzlos und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur Strafneubemessung für die Herbert F***** nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zu II./ weiterhin zur Last liegenden Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB an den Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt verwiesen.

Text

Gründe:

Im Zuge von Ermittlungen wegen strafbarer Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz wurde Herbert F***** am 29. Juni 2009 durch das Bezirkspolizeikommando Klagenfurt unter Beachtung der Förmlichkeiten des § 164 StPO als Beschuldigter („Betreff: Suchtmittelgesetz § 28 Abs 1“) vernommen (S 13 ff in ON 2).

Er schilderte unter anderem, wiederholt Cannabiskraut von einem gewissen Kurt K***** gekauft zu haben, wobei dieser in einem Fall in Gesellschaft zweier Männer namens Fr***** und D***** gewesen sei. Die von F***** bezeichneten Personen wurden von der Polizei als Kurt K*****, Franko C***** und Patrick Do***** ermittelt (S 3 f in ON 2).

In der Folge gab Herbert F***** am 13. Juli 2009 gegenüber Polizeibeamten an, seine Aussagen vom 29. Juni 2009 hätten nicht der Wahrheit entsprochen (S 29 erster Absatz in ON 2), worauf er am 14. Juli 2009 durch das Landespolizeikommando für Kärnten förmlich als Beschuldigter („Betreff: Verleumdung“) vernommen wurde (S 25 ff in ON 2). Er verantwortete sich geständig.

Kurt K***** wurde am 16. Juli 2009 durch das Landespolizeikommando für Kärnten als Beschuldigter vernommen, wobei er nur die Erzeugung von Cannabis zugestand, einen Verkauf jedoch bestritt (S 35 ff in ON 2).

Mit Strafantrag vom 16. September 2009 legte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt Herbert F***** zu AZ 17 St 244/09v das „Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 4 StGB“ (I./) und die Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (II./) zur Last (ON 3).

Mit - gekürzt ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 2. Dezember 2009, GZ 17 Hv 158/09z-10, wurde Herbert F***** strafantragskonform des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 4 StGB (gemeint: des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB; I./) und der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt und über ihn nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verhängt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von neun Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Den unbedingten Strafteil von drei Monaten verbüßte Herbert F***** bis 7. Mai 2010 (ON 15).

Nach dem Schuldspruch hat er

I./ am 29. Juni 2009 in K***** als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren gegenüber vernehmenden Beamten des Landeskriminalamts für Kärnten bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, von Kurt K***** (recte: K*****) insgesamt 250 Gramm Cannabiskraut gekauft zu haben, wobei bei der zweiten Übergabe von 200 Gramm auch Franko C***** und Silvio Do***** dabei gewesen seien, falsch ausgesagt;

II./ durch die zu I./ beschriebene Tat Kurt K*****, Franko C***** und Silvio Do***** einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung falsch verdächtigt, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch waren, und zwar

„1./ Kurt K***** des Verbrechens nach § 28a Abs 1 und 2 Z 1 SMG;

2./ Franko C***** und Silvio Do***** der Beteiligung (§ 12 StGB) an einem Vergehen nach § 27 Abs 3 SMG“ (gemeint wohl: jeweils des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 achter Fall und Abs 3 SMG).

Mit weiterem rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. November 2010, AZ 12 Hv 207/10w, wurde Herbert F***** des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt und über ihn unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das vorbezeichnete Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 2. Dezember 2009 eine Zusatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt, wobei ein Strafteil von fünf Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (ON 17; ON 44 des Akts 12 Hv 207/10w des Landesgerichts Klagenfurt).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrem Antrag zutreffend aufzeigt, ergeben sich bei der Prüfung der Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch I./ zu Grunde gelegten Tatsache der Vernehmung des Herbert F***** als Zeugen.

Zeugen sind vom Beschuldigten im Strafverfahren verschiedene physische Personen, die vor Gericht bzw im Ermittlungsverfahren vor der Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft unter Wahrheitspflicht Wahrnehmungen über Tatsachen angeben. Maßgebend für die Zeugenstellung ist allein die formelle prozessuale Position des Vernommenen (Plöchl/Seidl in WK² § 288 Rz 15).

Die inkriminierte Aussage legte Herbert F***** nicht als Zeuge, sondern als Beschuldigter ab (S 13 ff in ON 2), sodass er als Tatsubjekt des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB nicht in Betracht kommt, zumal er nach der Aktenlage auch zu keinem anderen Zeitpunkt als Zeuge vernommen wurde.

Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (iSd §§ 281 Abs 1 Z 5a, 345 Abs 1 Z 10a StPO) sind Gegenstand der Antragstellung nach § 362 Abs 1 Z 2 StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 17; RIS-Justiz RS0117085, vgl auch RS0123668).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens im außerordentlichen Weg war daher insoweit zu verfügen, als Herbert F***** mit Urteil vom 2. Dezember 2009 (ON 10) zu I./ des „Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 4 StGB“ (gemeint: des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB) schuldig erkannt wurde.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war gemäß § 362 Abs 2 StPO in der zu I./ getroffenen Annahme, Herbert F***** habe als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren falsch ausgesagt, und in der darauf gegründeten rechtlichen Unterstellung der Tat unter das Vergehen der falschen Beweisaussage nach§ 288 Abs 1 und Abs 4 StGB ersatzlos und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur Strafneubemessung für die Herbert F***** nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zu II./, der zusammen mit dem Verweis auf die in I./ geschilderten Tathandlungen die subsumtionsrelevanten Tatsachen enthält, weiterhin zur Last liegenden Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB an den Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt zu verweisen.

Anlässlich der Strafneubemessung wird zu berücksichtigen sein, dass zwar grundsätzlich auch auf in der Zwischenzeit ergangene weitere rechtskräftige Urteile gemäß § 31 Abs 1 StGB Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0090646). Im vorliegenden Fall erfolgte jedoch der zu AZ 12 Hv 207/10w des Landesgerichts Klagenfurt ergangene Schuldspruch seinerseits bereits unter Bedachtnahme auf das nunmehr aufgehobene Urteil, sodass sich eine neuerliche Bedachtnahme auf eben dieses Urteil unzulässig zum Vorteil des Angeklagten auswirkte, will die Gesetzesbestimmung des § 31 StGB doch nur eine in der getrennten Verfahrensführung bestehende Benachteiligung des Täters vermeiden (vgl Ratz in WK2 § 31 Rz 1).

Da das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 2. Dezember 2009 bereits in Rechtskraft erwachsen und damit die Probezeit in Gang gesetzt worden war, wird der Beginn der Probezeit (mit lediglich deklarativer Wirkung, siehe Ratz, WK-StPO § 290 Rz 55) mit dem Eintritt der Rechtskraft des ursprünglichen Urteils festzuhalten sein (vgl RIS-Justiz RS0092039).

Stichworte