Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 16. September 2010 wurde Franz W***** der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Gegenstand des Schuldspruchs war, dass Franz W***** im Landesklinikum W*****
1. am 25. Mai 2010 eine Stationsschwester und den diensthabenden Facharzt dadurch zur Abstandnahme von der Durchführung eines Alkoholtests nötigte, dass er eine drohende Körperhaltung einnahm, die Fäuste ballte und sich bis auf wenige Zentimeter dem Arzt näherte;
2. am 27. Mai 2010 einen Mitpatienten durch die Äußerung, wenn er ihn wiedersehe, werde er ihn umbringen, gefährlich mit dem Tod bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen und
3. am 30. Mai 2010 zwei Krankenpfleger durch die Ankündigung, er werde sonst hinausgehen, jemanden erschlagen und das Genick brechen, zur Ausfolgung eines Substitutionspräparats zu nötigen versuchte.
Gestützt auf das in der Hauptverhandlung ergänzte neurologisch-psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Dr. Richard B***** (ON 27 iVm S 35 ff in ON 42) gelangte das Erstgericht in Ansehung der Voraussetzungen für die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB zum Ergebnis, dass Franz W***** in naher Zukunft ähnliche Taten sowie andere Gewaltdelikte mit überaus großer Wahrscheinlichkeit befürchten lasse. Wegen der sehr tiefgreifenden Störung sei eine langwierige stationäre Behandlung zum Abbau der vorhandenen Fremdgefährlichkeit erforderlich, die nur intramural möglich sei (S 15 f in ON 43).
Mit Urteil vom 18. April 2011, AZ 19 Bs 395/10t (ON 60), gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung des Franz W***** nicht Folge. Seinem in der Berufungsverhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines ergänzenden neurologisch-psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte durch die bisher in der Untersuchungshaft absolvierte psychotherapeutische Behandlung seine Persönlichkeitsdefizite erkannt habe und sich dieser Einsicht gemäß einer weiteren Behandlung unterziehen werde, sodass die besondere, für die Anordnung der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB geforderte spezifische Gefährlichkeit keinesfalls mehr vorliege (S 3 in ON 59), kam das Berufungsgericht nicht nach und begründete dies im Urteil (vgl 15 Os 72/07p; RIS-Justiz RS0098111) ua damit, dass der Sachverständige Dr. B***** die Notwendigkeit einer über Jahre andauernden intramuralen Behandlung betont habe, sodass nicht davon auszugehen sei, dass eine neuerliche Begutachtung des Angeklagten zu dem Ergebnis führen werde, eine Abartigkeit höheren Grades sowie eine ungünstige Prognose lägen nicht länger vor (S 21 f in ON 60).
Rechtliche Beurteilung
In seinem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228) erblickt der Verurteilte darin eine Verletzung des Art 6 MRK, dass das Berufungsgericht seinem Antrag auf Ergänzung des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht entsprochen habe. Das Begehren erweist sich als nicht berechtigt.
Dass der Angeklagte durch die bisher in der Untersuchungshaft absolvierte psychotherapeutische Behandlung seine Persönlichkeitsdefizite bloß erkannt habe und sich dieser Einsicht gemäß einer weiteren Behandlung unterziehen werde, schließt die vom Berufungsgericht angenommene - auf das neurologisch-psychiatrische Gutachten, das von einer langjährigen Behandlungsbedürftigkeit ausging, gestützte - für die Anordnung der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB geforderte spezifische Gefährlichkeit keineswegs aus. Das Thema des in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrags betrifft somit keinen für die Prognoseentscheidung erheblichen Umstand, sodass durch dessen Abweisung weder Gesetze (vgl § 55 Abs 2 Z 1 StPO) noch Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist.
Die im Erneuerungsantrag vorgebrachten, über die ursprüngliche Antragstellung hinausgehenden weiteren Argumente erschöpfen sich einerseits der Sache nach in einer keineswegs zwingenden eigenständigen Interpretation des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens und gehen andererseits über das in der Berufungsverhandlung Vorgebrachte hinaus. Schon aus dem zuletzt genannten Grund fehlt es daher im Ergebnis an der - an einen nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag als subsidiärem Rechtsbehelf, für den alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und Abs 2 MRK sinngemäß Anwendung finden, gestellten - Voraussetzung der effektiven Inanspruchnahme aller innerstaatlich möglichen Rechtsbehelfe (vgl RIS-Justiz RS0122737).
Der Antrag war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Erneuerungswerbers bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).
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