OGH 12Os97/11y

OGH12Os97/11y20.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen Martin A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Thomson N***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. März 2011, GZ 65 Hv 98/10x-148, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Thomson N***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Thomson N***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1, zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach haben in Amsterdam und an anderen Orten

A./ Martin A*****, Linus I***** und Thomson N***** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter“ auch mit weiteren abgesondert verfolgten Beschuldigten zur vorschriftswidrigen Ausfuhr von Suchtgift in einer insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus den Niederlanden und zur anschließenden Einfuhr des Suchtgifts nach Österreich zumindest „beigetragen“, indem sie die Suchtgiftlieferungen organisierten, wobei Thomson N***** die Taten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde, und zwar

1./ Martin A***** und Thomson N***** im Oktober und November 2009 zur vorschriftswidrigen Ausfuhr von 5.253,3 Gramm Heroin mit zumindest 220 Gramm Reinsubstanz Heroin Base (73,33-fache Grenzmenge), 30,1 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin Base (3,01-fache Grenzmenge) und 21,6 Gramm Acetylcodein (0,72-fache Grenzmenge) aus den Niederlanden und der anschließenden Einfuhr des Suchtgifts über Deutschland nach Österreich durch den abgesondert verfolgten Suchtgiftkurier Fernando P*****;

2./ Martin A*****, Linus I***** und Thomson N***** im April 2010 zur vorschriftswidrigen Ausfuhr von ca 980 Gramm Suchtgift (Heroin mit zumindest 3 % Heroinbase oder Kokain mit zumindest 20 % Cocain HCL Reinsubstanz) aus den Niederlanden und der anschließenden Einfuhr des Suchtgifts über Belgien, Deutschland, die Tschechische Republik und die Slowakei nach Österreich durch den abgesondert verfolgten Suchtgiftkurier Chinonso J*****;

3./ Martin A*****, Linus I***** und Thomson N***** im April 2010 zur vorschriftswidrigen Ausfuhr von 1.145 Gramm Kokain mit zumindest 249 Gramm Reinsubstanz Cocain HCL (mithin die 16,6-fache Grenzmenge) aus den Niederlanden und der anschließenden Einfuhr des Suchtgifts über Belgien, Deutschland, die Tschechische Republik und die Slowakei nach Österreich durch den abgesondert verfolgten Suchtgiftkurier Chinonso J*****.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen nominell aus Z 5 und 10, inhaltlich auch aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomson N***** kommt keine Berechtigung zu.

Betreffend Punkt A./I./ des Schuldspruchs führt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) aus, das Schöffengericht hätte nicht begründet, warum es zu der Annahme gelangte, Thomson N***** sei gemeinsam mit Martin A***** zu einem Organisator gegangen, um einen Kurier zu engagieren, spricht damit aber angesichts der Konstatierung, wonach der Tatbeitrag des Nichtigkeitswerbers weiters in der „Organisation“ des Geldes (US 11) bestand, keine entscheidende Tatsache an (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399). Ebenso wenig ist entscheidend, wann, wo und wieviel Geld der Angeklagte Thomson N***** für den Suchtgiftkauf organisiert hat.

Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt dann vor, wenn über den Ausspruch über entscheidende Tatsachen entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0108609).

In diesem Sinn blieben die Feststellungen der Tatbeiträge des Angeklagten Thomson N***** betreffend die Urteilspunkte A./2./ und A./3./ nicht offenbar unzureichend begründet.

Das Schöffengericht verwies nämlich - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keineswegs bloß pauschal auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung, sondern zitierte konkrete Passagen aus dem Telefonüberwachungsprotokoll ON 42 (US 9 ff), begründete, warum der Drittangeklagte Thomson N***** als tatsächlicher Sprecher der belastenden Telefonate feststeht (US 18 f und 22), und stützte seine Konstatierungen überdies auf die Angaben des Angeklagten Linus I***** sowie des Zeugen Chinonso J***** (US 17 und 21).

Aus dem Umstand, dass das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung ausführte, dass Feststellungen aufgrund von Telefonüberwachungen häufig „Zweifel und Fragen offen lassen“, doch derartige Bedenken auf den gegenständlichen Fall nicht zugetroffen hätten (US 20) sowie es wäre „für den Senat nicht ganz einfach“ gewesen, aus den Telefonaten „einzelne konkrete Beitragshandlungen der Angeklagten herauszufiltern“ (US 17), kann entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) keineswegs auf eine offenbar unzureichende Begründung geschlossen werden.

Angesichts der Verurteilung des Nichtigkeitswerbers als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB kann ein vom Nichtigkeitswerber behaupteter Begründungsfehler der Feststellung, er habe „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit den Mitangeklagten gehandelt, auf sich beruhen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).

Zu Punkt A./I./ des Schuldspruchs macht der Nichtigkeitswerber das Fehlen von Feststellungen zur „Kausalität“ des Tatbeitrags geltend (inhaltlich Z 9 lit a), legt jedoch nicht dar, weshalb die konstatierte „Organisation“ des Geldes für den Suchtgiftankauf (US 11) nicht bis zur vollendeten Ausfuhr und Einfuhr des Suchtgifts wirksam gewesen sein sollte (vgl RIS-Justiz RS0089832).

Der Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider wurde die vermisste Feststellung, wonach der Angeklagte Thomson N***** die Tat in der Absicht beging, sich durch wiederkehrendes Ein- oder Ausführen jeweils in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, (wenngleich disloziert) sehr wohl getroffen (US 23), sodass der gerügte Rechtsfehler infolge fehlender Feststellungen nicht vorliegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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