Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aleksandar A***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (I./) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien - soweit für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof von Relevanz - von 6. Juli bis „etwa Mitte August 2010“ (ON 61 S 5) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin (mit durchschnittlichem Wirkstoffgehalt von zumindest 15 % Heroinbase und 0,5 % Monoacetylmorphinbase) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in zahlreichen Angriffen in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das 25-fache übersteigenden Menge, nämlich mindestens 560 Gramm Heroin unbekannt gebliebenen Abnehmern durch gewinnbringenden Verkauf überlassen.
Nur gegen den Schuldspruch I. richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO stützt.
Nach Einlangen der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (und der Berufung) fasste die Vorsitzende des Schöffengerichts am 6. Juli 2011 von Amts wegen einen Beschluss auf Berichtigung des Protokolls der Hauptverhandlung vom 15. April 2011. Der Deliktszeitraum des Urteilsspruchs habe richtig zu lauten „bis etwa Mitte August 2010“ (ON 82).
Der Angeklagte erhob fristgerecht Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss (ON 84) und erklärte nach neuerlicher Zustellung auch des Urteils gemäß § 271 Abs 7 letzter Satz StPO, die (ursprüngliche) Rechtsmittelausführung aufrecht zu halten (ON 83).
Jede von der Strafprozessordnung für zulässig erklärte Anfechtung eines nach § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO gefassten Beschlusses setzt diesen inhaltlich außer Kraft. Über das in der Hauptverhandlung tatsächlich Vorgefallene entscheidet das jeweils zur Entscheidung über die Urteilsanfechtung berufene Rechtsmittelgericht. Wäre nämlich aufgrund einer Beschwerde isoliert darüber zu befinden, ob ein als erheblich reklamierter Umstand oder Vorgang zum Erfolg der Urteilsanfechtung führen kann, könnte dem zur Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung berechtigten Verfahrensbeteiligten die Disposition über die Urteilsanfechtungsgründe genommen werden. Andererseits nähme das Beschwerdegericht die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung ohne Einhaltung des auf die Erledigung dieser Rechtsmittel bezogenen gesetzlichen Verfahrens in zirkulärer Weise vorweg.
Weil es aber allein dem Rechtsmittelwerber zusteht, darüber zu befinden, was als erheblicher Umstand oder Vorgang bei der Urteilsanfechtung geltend gemacht wird, scheidet die inhaltliche Erledigung der Beschwerde vor der Entscheidung über die Urteilsanfechtung aus (RIS-Justiz RS0126057).
Mit der Verfahrensrüge (Z 3) macht der Angeklagte geltend, dass die schriftliche Urteilsausfertigung im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO nicht dem mündlich verkündeten Urteil entspräche. In der schriftlichen Ausfertigung sei zum Schuldspruch I./ ein Deliktszeitraum vom 6. Juli 2010 bis etwa Mitte August 2010 angeführt (US 3 und 5), während nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 15. April 2011 Tathandlungen (nur) „bis Ende Juli 2010“ angelastet würden (ON 60 S 17). Nach Lage des Falls ergäbe sich daher eine erheblich geringere - die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht erreichende - Menge verkauften Suchtgifts.
Anzumerken ist, dass die Möglichkeiten zur Sachaufklärung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien ausgeschöpft wurden (vgl ON 77, 78, 80), sodass jene maßgeblichen Umstände oder Vorgänge, die der Beurteilung des in der Hauptverhandlung tatsächlich Vorgekommenen dienen können, bereits aufgeklärt sind (§ 285f StPO).
Die Vorsitzende des Schöffengerichts legte in ihrem Protokollberichtigungsbeschluss (ON 82) - insbesondere unter Hinweis auf die den Tatzeitraum betreffende Modifikation der Anklage (ON 38 S 27) - plausibel dar, dass der Deliktszeitraum zum Schuldspruch I./ im Protokoll der Hauptverhandlung unrichtig wiedergegeben worden war und der Urteilspruch so verkündet wurde, wie er der schriftlichen Urteilsausfertigung zu entnehmen ist.
Die behauptete Abweichung des schriftlichen vom verkündeten Urteil liegt daher nicht vor, womit auch die Beschwerde gegen den Beschluss vom 6. Juli 2011 erledigt ist.
Im Übrigen sind unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 3 StPO Unklarheiten über die Tatzeit - soweit diese (ebenso wie der Tatort) nicht ganz ausnahmsweise eine entscheidende Tatsache darstellt, was gegenständlich entgegen der Ansicht des Angeklagten nicht der Fall ist - nur dann beachtlich, wenn die Individualisierung der Tat betroffen ist (vgl hiezu RIS-Justiz RS0117498, RS0098557; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 14; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290), was hier - zu Recht - nicht einmal behauptet wird.
Damit geht aber auch die Mängelrüge (Z 5), die unter Behauptung einer Undeutlichkeit, eines inneren Widerspruchs sowie einer Aktenwidrigkeit ausschließlich mit der - nach Ansicht des Angeklagten - fehlenden Übereinstimmung zwischen verkündetem und schriftlichem Urteil argumentiert, fehl.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) beruft sich, nur zum Teil über die obgenannte Argumentation hinausgehend, in Bezug auf die vom Erstgericht angenommenen Suchtgiftquanten bloß auf den Zweifelsgrundsatz, dessen Anwendung aber nicht Gegenstand des formellen Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5a StPO sein kann (RIS-Justiz RS0102162).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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