Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurswerber zweifeln an der Vereinbarkeit der Offenlegungsverpflichtung gemäß §§ 277 ff UGB mit den Grund- und Menschenrechten und verweisen im Besonderen auf das Grund- und Menschenrecht „auf Datenschutz, auf Meinungsfreiheit, auf informationelle Selbstbestimmung, auf Privatsphäre, auf Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, auf Eigentum und auf Erwerbsfreiheit, auf Privatautonomie, auf Gleichbehandlung und auf Beachtung des Sachlichkeitsgebots.“
1. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht des deutschen Verfassungsrechts und ist daher im gegebenen Zusammenhang nicht weiter zu untersuchen. Außerdem hat das deutsche Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, dass mögliche Eingriffe in die Grundrechte, insbesondere jener aus Art 2 Abs 1 GG abgeleitete, durch die mit der Offenlegung in § 325 Abs 1 dHGB verfolgten, in erheblichem Allgemeininteresse liegenden Zwecke eines effektiven Schutzes des Wirtschaftsverkehrs durch Information der Marktteilnehmer und einer Kontrollmöglichkeit der betroffenen Gesellschaften vor dem Hintergrund deren nur beschränkter Haftung jedenfalls gerechtfertigt sind (vgl BVerfG 18. 4. 2011, 1 BvR 956/11 mwN). Aus denselben Erwägungen hegt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Offenlegungspflichten nach §§ 277 ff UGB.
2. Die weiteren genannten Grundrechte - ausgenommen das Recht auf Datenschutz - wirkten bereits vor Inkrafttreten der Grundrechte-Charta über die EMRK auf das Unionsrecht ein. Neuerungen ergeben sich für diese Grundrechte folglich durch das Inkrafttreten der Grundrechte-Charta nicht. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits festgehalten, dass die Offenlegungspflichten weder gegen die Bestimmungen der EMRK noch gegen die Grundwertungen des Unionsrechts verstoßen (6 Ob 101/01y).
3. Diese Rechtsprechung bedarf auch vor dem Hintergrund des nunmehr in Art 8 GR-Ch normierten Grundrechts auf Datenschutz keiner Korrektur:
Art 8 GR-Ch schützt personenbezogene Daten, wobei Art 8 Abs 2 GR-Ch normiert, dass personenbezogene Daten für festgelegte Zwecke nach Treu und Glauben und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden können. Ferner lässt Art 52 Abs 1 GR-Ch Einschränkungen der Ausübung der Rechte wie derjenigen zu, die in ihren Art 7 und 8 verankert sind, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Die in Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (PublizitätsRL 68/151/EWG sowie BilanzRL 78/660/EWG) ergangenen Bestimmungen des österreichischen Rechts (§§ 277 ff UGB) bilden ohne jeden Zweifel eine solche gesetzliche Grundlage. Eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist damit rechtmäßig, so sie einen legitimen Zweck verfolgt und verhältnismäßig ist (Calliess/Ruffert, EUV/AEUV4 [2011] Art 8 GR-Ch Rn 14).
Sekundärrechtsakte bringen den vom Gesetzgeber gefundenen Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen zum Ausdruck und bilden daher für die Beurteilung der Frage, ob eine staatliche Maßnahme ein Grundrecht in verhältnismäßiger Weise beschränkt, einen wichtigen Anhaltspunkt (Calliess/Ruffert, EUV/AEUV4 [2011] Art 8 GR-Ch Rn 14). Einen solchen Ausgleich gegenläufiger Interessen bringen auch die Publizitäts- und OffenlegungsRL zum Ausdruck. Dabei stehen einander das Interesse eines Unternehmens an Geheimhaltung seiner Kennzahlen und das Interesse des Staates und anderer Marktteilnehmer (Mitbewerber, Verbraucher) an Transparenz ebendieser Daten gegenüber (s EuGH 9. 11. 2010, verb Rs C-92/09 und C-93/09 [Volker und Markus Schecke GbR und Hartmut Eifert] Rz 87 f).
Das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten in Art 8 GR-Ch hat keine unbeschränkte Wirkung. Es ist nicht ersichtlich, warum die in der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie niedergelegte und ins österreichische Recht übernommene Offenlegungsverpflichtung nicht den Vorgaben von Art 8 Abs 2 GR-Ch entsprechen sollte. Die Offenlegungsverpflichtung bildet daher auch nach Inkrafttreten der Grundrechte-Charta keinen Verstoß gegen das Unions-(grund-)recht.
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