OGH 12Os52/11f

OGH12Os52/11f9.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Böhm als Schriftführer in der Strafsache gegen Senijad S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 16. November 2010, GZ 25 Hv 117/10p-40, sowie deren Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A./I./, A./II./ und B./ und im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung sowie im Abschöpfungsausspruch und demzufolge auch der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem auch einen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Senijad S***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (A./I./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (A./II./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften „nach § 27 Abs 4 Z 3 SMG“ - womit angesichts des Urteilsspruchs ersichtlich die Qualifikation nach § 27 Abs 4 Z 1 SMG gemeint war - (A./I./8./) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (B./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wels

A./ Suchtgift dadurch in einer die Grenzmenge überschreitenden Menge

I./ ein- und ausgeführt, dass er von etwa Anfang 2009 bis um den 19. Mai 2010 teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit gesondert verfolgten anderen Tätern insgesamt zumindest 1.300 g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 10 % von Tschechien nach Österreich und insgesamt zumindest etwa 160 bis 180 g Heroin mit unbekanntem Reinheitsgehalt von Bosnien aus- und (letztlich) nach Österreich einführte,

II./ anderen überlassen, dass er von etwa Anfang 2008 bis um den 29. Juli 2010

1./ insgesamt etwa 550 g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 10 % und etwa 50 g Heroin mit unbekanntem Reinheitsgehalt dem gesondert verfolgten Daniel D***** verkaufte;

2./ insgesamt etwa 200 bis 300 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 % und etwa 30 g Heroin mit unbekanntem Reinheitsgehalt dem gesondert verfolgten Stanislav O***** verkaufte;

3./ insgesamt etwa 50 g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 10 % der gesondert verfolgten Bianca R***** verkaufte und ihr insgesamt etwa 25 g Cannabiskraut unentgeltlich überließ;

4./ insgesamt etwa 50 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 % (US 4)

dem gesondert verfolgten Kerim A***** verkaufte;

5./ insgesamt etwa 60 bis 80 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 % und 5 g Heroin dem gesondert verfolgten Nikola P***** verkaufte;

6./ insgesamt etwa 50 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 % dem gesondert verfolgten Volkan C***** verkaufte;

7./ insgesamt etwa 40 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 % dem gesondert verfolgten Armin T***** überließ und

8./ etwa 4 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 % dem am 10. März 1993 geborenen Anis M***** verkaufte, wobei er volljährig und zwei Jahre älter war als dieser;

B./ Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, vom 29. Juni 2010 bis zum 29. Juli 2010 in wiederholten Angriffen erworben und besessen;

C./ im Sommer 2010 Marcel Mo***** durch Versetzen von zwei Faustschlägen und eines Fußtritts in das Gesicht, was eine Kiefer- und eine Nasenbeinprellung zur Folge hatte, am Körper verletzt.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft das Urteil in Ansehung der Schuldsprüche A./I./ und A./II./ und des Strafausspruchs mit einer auf Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zum Vorteil des Angeklagten, dass dem Urteil Nichtigkeit nach Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO - in anderer Hinsicht als von der Staatsanwaltschaft geltend gemacht - anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Den Feststellungen zu A./I./ zufolge führte der Angeklagte das Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 10 % in einer Reihe von Fahrten aus der Tschechischen Republik aus und nach Österreich ein, wobei er jeweils nur bis zu 100 g mit sich führte (US 7, 10 f).

Nicht konstatiert wurde allerdings, dass der Wille des Täters von vornherein eine kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Nur unter dieser Voraussetzung lassen sich allerdings die einzelnen Suchtgiftquanten zu einer die rechtliche Beurteilung nach § 28a SMG tragenden Menge zusammenrechnen (RIS-Justiz RS0124018, RS0117463, RS0112225, RS0088096; US 12).

Daher leidet das Urteil an einem Nichtigkeit nach Z 10 begründenden Rechtsfehler mangels Feststellungen, der zur Aufhebung des Schuldspruchs A./I./ führte.

Gleiches gilt - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - für den Schuldspruch A./II./. Die dazu getroffenen Konstatierungen (unklar insoweit auch US 7) bringen weder die Überlassung von für sich allein die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquanten noch einen Täterwillen in der zuvor angesprochenen Richtung zum Ausdruck (vgl US 6: „insgesamt“, ebenso US 2 f).

Daher war das Urteil aus demselben Nichtigkeitsgrund auch im Schuldspruch A./II./ aufzuheben.

Die erstgerichtliche Annahme der Qualifikation nach § 27 Abs 4 Z 1 SMG war bei einem Schuldspruch nach § 28a SMG zudem schon im Ansatz verfehlt.

Nichtigkeit nach Z 11 erster Fall haftet mangels konkreter Feststellungen (vgl US 16) über eine eingetretene Bereicherung dem Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 Abs 1 Z 1 StGB aF) an (11 Os 13/11p; Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 63).

Die Aufhebung der genannten Schuldsprüche zog jene des Schuldspruchs B./ (RIS-Justiz RS0119278) und des Strafausspruchs sowie des gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschlusses und die Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung nach sich.

Darauf war die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln zu verweisen.

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