OGH 12Os99/11t

OGH12Os99/11t9.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Böhm als Schriftführer in der Strafsache gegen Erhan T***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Februar 2011, GZ 16 Hv 106/10a-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erhan T***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (1./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2./), des Vergehens (richtig: Verbrechens) der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (3./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (4./) schuldig erkannt.

Danach hat er seine Ehefrau Filiz T*****

1./ am 29. Mai 2009 in S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sich auf sie legte und durch sein Körpergewicht fixierte, ihre Unterhose beiseite schob und gegen ihren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;

2./ vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

a./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2006 in L***** durch Versetzen von Faustschlägen und Stößen sowie durch Bewerfen mit einem Glasaschenbecher;

b./ bei zwei Angriffen zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Jahr 2007 in L***** durch Versetzen von Schlägen und Tritten gegen den Körper;

c./ bei insgesamt acht Angriffen zwischen April 2008 und Dezember 2008 in S***** durch Versetzen von Schlägen gegen den Oberkörper, Tritten, Stößen und gewaltsames Erfassen an den Oberarmen;

d./ zwischen 11. Mai 2009 und 15. Mai 2009 in S***** durch Versetzen eines Tritts gegen die linke Körperhälfte;

e./ am 2. Juni 2009 in D***** durch Faustschläge in das Gesicht und gegen den Körper, Erfassen der Oberarme und Zubodendrücken;

wodurch sie im Urteil näher angeführte Verletzungen erlitt;

3./ am 4. Juni 2009 in S***** durch die Äußerung, sie solle auf keinen Fall auf die Idee kommen, die Kinder mitzunehmen, weil er sie dann auf jeden Fall umbringen werde, egal wohin sie gehe, er werde sie finden, mithin durch gefährliche Drohung, zu einer Unterlassung, die besonders wichtige Interessen der Filiz T***** verletzt, nämlich der Abstandnahme von der Mitnahme der beiden gemeinsamen Kinder, zu nötigen versucht;

4./ am 23. August 2009 in S***** durch die in türkischer Sprache getätigte Äußerung „Ich bring Dich um“ mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4 ff), bei sämtlichen den Schuldspruch zugrunde liegenden strafbaren Handlungen (1./ bis 4./) mit keinem Wort begründet sind. Dieser den angezogenen Nichtigkeitsgrund darstellende Mangel zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verweisung an das Erstgericht zur Neudurchführung des Verfahrens.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bemerkt wird, dass dem Urteil zu 2./e./ des Schuldspruchs (US 2) überdies ein vom Nichtigkeitswerber nicht aufgezeigter Rechtsfehler mangels Feststellungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605 und 611) anhaftet, weil zu diesem Faktum (US 5 f) Konstatierungen in Richtung eines bedingten Verletzungsvorsatzes des Angeklagten überhaupt fehlen. Die den Feststellungen zu den einzelnen Vorfällen vorangestellte allgemeine Einleitung, nach der Übersiedlung nach L***** im Frühjahr 2006 kam es zu wiederholten, von „zumindest bedingtem Verletzungsvorsatz getragenen“ Übergriffen des Angeklagten gegen seine Ehefrau (US 4 oben), stellt keine ausreichende Sachverhaltsbasis zur (rechtlichen) Beurteilung der subjektiven Tatseite dar.

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