OGH 3Ob100/11v

OGH3Ob100/11v9.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johann Eder und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unzulässigkeit der Exekution (§ 36 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 10. März 2011, GZ 53 R 342/10s-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 10. August 2010, GZ 31 C 1039/09y-10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Sowohl die beklagte Partei als auch die klagende Partei vertreiben Gurtsysteme im Nischenmarkt für Bus- und Nutzfahrzeuge, wobei sie die Gurtsysteme den individuellen Kundenwünschen anpassen. Die beklagte Partei produziert und gestaltet ihre Gurtsysteme selbst, wobei sie ihre Produkte an jene des Unternehmens T***** annähert, ohne in geschützte Rechte dieses Unternehmens einzugreifen. Der Geschäftsführer der klagenden Partei war zuvor Vertriebsleiter der beklagten Partei, ehe er sich mit der klagenden Gesellschaft selbständig machte. Die klagende Partei verfolgt eine Strategie, die zuvor auch die beklagte Partei eingeschlagen hatte: Sie kauft fast alle benötigten Komponenten der Gurtsysteme am Markt, insbesondere vom Unternehmen T*****, um sie dann den individuellen Kundenwünschen anzupassen. Die Unternehmensstrategien bedingen die relative Ähnlichkeit der Gurtsysteme der Streitteile. Wenngleich eine gewisse Ähnlichkeit von Gurtsystemen aufgrund zahlreicher technischer und rechtlicher Rahmenbedingungen unvermeidlich ist, wäre es dennoch möglich, eine größere Unterscheidungsfähigkeit zwischen den Gurtsystemen der Streitteile herzustellen. Insbesondere gelänge dies durch die optische Gestaltung der Gurtsysteme. Tatsächlich unterscheiden sich die Produkte der Streitteile „eher in Details“. Laien können bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit die Gurtsysteme der Streitteile nur schwer unterscheiden. Die Händler von Sicherheitsgurtsystemen und Fahrzeugsitzhersteller als Kunden der Streitteile können bei aufmerksamer Betrachtung die detaillierten Unterschiede zwischen den Gurtsystemen der Streitteile erkennen, wobei auch bei ihnen der Eindruck entsteht, dass die Produkte der Streitteile „relativ ähnlich sind“.

In dem im Verfahren 2 Cg 195/06k des Landesgerichts Salzburg geschlossenen Vergleich hat sich die klagende Partei (unter anderem) verpflichtet, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Sicherheitsgurtsysteme und Bauteile solcher Gurtsysteme herzustellen und in den geschäftlichen Verkehr zu bringen, die den von der dort klagenden (hier beklagten) Partei erzeugten Sicherheitsgurtsystemen und Bauteilen solcher Gurtsysteme verwechslungsfähig ähnlich sind, ausgenommen, wenn dies durch rechtliche Vorschriften oder technische Erfordernisse bedingt ist.

Auf Grundlage dieses Vergleichs wurde der beklagten Partei gegen die klagende Partei mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 11. 3. 2009, AZ 7 E 910/09g, die Unterlassungsexekution - rechtskräftig - bewilligt und über die klagende Partei eine Geldstrafe von 5.000 EUR verhängt. Die klagende Partei habe in der vierten Jännerwoche 2008 Gurtenschlösser, Steckzungen und Gurtenbänder, die in ihren optischen und technischen Ausführungen denen der beklagten Partei verwechslungsfähig ähnlich seien, in Sicherheitsgurte der Firma S***** eingebaut und (unter anderem) am österreichischen Markt in den Verkehr gebracht, ohne dass diese Ähnlichkeit durch rechtliche oder technische Erfordernisse bedingt gewesen wäre.

In ihrer Stellungnahme zur Strafhöhe hatte die klagende Partei den im Exekutionsantrag behaupteten Sachverhalt über die Ausgestaltung und Inverkehrbringung der Gurte nicht bestritten.

Mit ihrer Impugnationsklage begehrt die klagende Partei die Exekution für unzulässig zu erklären, weil sie nicht gegen das Unterlassungsgebot verstoßen habe. Es gebe ins Auge fallende Unterschiede, insbesondere betreffend die Schlösser, Steckzungen und Gurtbänder. An einem allfälligen Verstoß treffe sie kein Verschulden, weil sie sämtliche Komponenten nicht selbst produziere und daher auf die Erzeugung keinen Einfluss habe. Aufgrund technischer Vorgaben sei eine gewisse Gestaltung vorgegeben.

Das Erstgericht gab der Klage mit der Begründung, dass kein Titelverstoß vorliege, statt. Zumindest für die Fachkreise, die die Kunden der klagenden Partei seien, liege vor dem Hintergrund einer Gewöhnung an relativ ähnliche Produkte aufgrund der (engen) technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen eine gerade noch ausreichende Unterscheidungsfähigkeit vor. Im Titelprozess sei es vordergründig um die Unterlassung der Werbung mit Prospekten, die Produkte der beklagten Partei abgebildet hätten, gegangen. Dem Umstand, dass sich die beklagte Partei selbst an die T*****-Produkte anlehne, komme entscheidende Bedeutung zu, zumal die beklagte Partei selbst darauf hinweise, nicht in Rechte des Unternehmens T***** einzugreifen.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der beklagten Partei das erstinstanzliche Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Die klagende Partei habe keinen ausreichenden Abstand zu den Produkten der beklagten Partei eingehalten. Ihr habe bei Abschluss des Vergleichs bekannt sein müssen, dass sich die beklagte Partei an die Produkte des Marktführers T***** annähere; damit sei es für die klagende Partei klar gewesen, dass ihre Produkte bei weiterem Bezug der Komponenten von T***** in die Nähe jener der beklagten Partei kommen könnten und sie sich somit allenfalls titelwidrig verhalten könnte.

Die Revision sei zulässig, weil es um die über den Einzelfall hinaus bedeutende Sonderkonstellation gehe, dass sich die klagende Partei selbst in einem Unterlassungsvergleich zur Unterlassung sittenwidriger Nachahmung verpflichtet habe, dessen Auswirkungen bisher nicht im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung beurteilt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der klagenden Partei ist mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) unzulässig.

1. Bestreitet die verpflichtete Partei, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, kann sie - neben einem Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung - auch Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO gegen den Strafbeschluss erheben (RIS-Justiz RS0123123).

2. Im vorliegenden Fall bestreitet die klagende Partei, dass die von ihr in Verkehr gebrachten Gurtensysteme mit jenen der beklagten Partei „verwechslungsfähig ähnlich“ seien. Die Frage, ob nach den im konkret gegebenen Umständen Verwechslungsfähigkeit in diesem Sinn besteht, hat unabhängig davon, ob es sich beim Titel um einen Vergleich oder um ein Urteil handelt - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und wirft daher - von grober Fehlbeurteilung abgesehen - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf (zB RIS-Justiz RS0044208 [T13 und T15]).

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Verwechslungsfähigkeit der Gurtsysteme zu bejahen sei, ist angesichts des im Detail beschriebenen Gesamteindrucks durchaus vertretbar. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die Revision der beklagten Partei daher zurückzuweisen.

3. Da die klagende Partei auch inhaltlich nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, war ihre Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich, weshalb die Kosten nicht zu ersetzen sind.

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