OGH 3Ob67/11s

OGH3Ob67/11s11.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** D*****, vertreten durch Dr. Robert Gamsjäger, Rechtsanwalt in Bad Goisern, gegen die beklagte Partei F***** Immobiliengesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO, Streitwert 24.750 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Streitwert 3.849,75 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 13. Oktober 2010, GZ 22 R 276/10k-26, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 27. Juli 2010, GZ 2 C 119/09t-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.106,54 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin 414,92 EUR USt und 617 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Notariatsakt vom 30. April 2003 bestätigte die Klägerin, von der Beklagten ein Darlehen von 24.750 EUR zugezählt erhalten zu haben. Festgehalten wurde weiters, dass das Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt und ab sofort mit 6 % jährlich zu verzinsen sei (Zinsenfälligkeit vierteljährlich, jeweils zum Quartalsende, erstmals jedoch am 30. September 2003). Im Verzugsfall sollten von den jeweils offenen Beträgen jeweils 10 % Verzugs- und Zinseszinsen zur Zahlung fällig sein. Das Darlehen selbst samt eventuellen Zinsen, Zinseszinsen oder Verzugszinsen sollte zur Gänze gegen dreimonatige Kündigung zu jedem Quartalsletzten zur Zahlung fällig sein. Zur Besicherung dieses Darlehens räumte die Klägerin der Beklagten ein Simultanpfandrecht auf mehreren Liegenschaften (Anteilen) ein.

Am 30. Juni 2008 bewilligte das Erstgericht der Beklagten als Betreibenden gegen die Klägerin als Verpflichtete aufgrund des genannten vollstreckbaren Notariatsakts zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 24.750 EUR samt 6 % Zinsen seit 1. Mai 2003 und der Kosten des Exekutionsantrags von 893,37 EUR die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft der Verpflichteten.

Am 23. August 2005 beauftragte die Klägerin ihren damaligen Rechtsvertreter mit der Abwicklung des Verkaufs einzelner Grundstücke aus der für die erwähnte Darlehensschuld (mit-)haftenden Liegenschaft, auf der im Sinn der seinerzeitigen Vereinbarung der Streitteile das Pfandrecht über 24.750 EUR samt 6 % Zinsen und 10 % Verzugs- und Zinseszinsen sowie eine Nebengebührensicherstellung von 4.950 EUR für die Beklagte einverleibt und die Vollstreckbarkeit gemäß § 3 NO sowie die Simultanhaftung mit weiteren Liegenschaften angemerkt war. Die Klägerin beabsichtigte mit dem Verkaufserlös insbesondere die Tilgung des einverleibten Pfandrechts der Beklagten. Der Anwalt der Klägerin erhielt am 17. November 2005 die Zusage, dass ihm nach Zahlung von 30.000 EUR eine für die Verkaufsabwicklung erforderliche Freilassungserklärung betreffend die Pfandliegenschaft übermittelt werden würde. Ob im Zuge dieser Gespräche auch eine Widmung der bevorstehenden Zahlung vereinbart wurde, kann nicht festgestellt werden. Der Anwalt der Klägerin teilte am 18. November 2005 dem Vertreter der Beklagten mit, dass er die vereinbarte Teilzahlung von 30.000 EUR auf das vom Vertreter des Beklagten bekannt gegebene Anderkonto überweisen werde und die Weiterleitung dieses Betrags an die Beklagte erst nach beglaubigter Unterfertigung der Freilassungserklärung erfolgen dürfe, wobei er darauf hinwies, dass der überwiesene Betrag zur Teilabdeckung der eingangs erwähnten Darlehensforderungen gewidmet sei.

Am 22. November 2005 überwies der Vertreter der Klägerin die vereinbarten 30.000 EUR auf das ihm bekannt gegebene Konto, wobei er als Verwendungszweck der Überweisung nur den Kontonamen anführte. Eine Widmung der Zahlung im Zuge der Überweisung erfolgte nicht. Weder in einem E-Mail vom 22. November 2005 noch in einem späteren vom 14. Dezember 2005 widersprach der Vertreter der Beklagten der im Schreiben des Klagevertreters vom 18. November 2005 erfolgten Widmung. Auch ein weiterer zeitnaher Widerspruch kann nicht festgestellt werden. Während die Klägerin davon ausging, mit den überwiesenen 30.000 EUR die gesamten Zinsen- und Kapitalforderungen der Beklagten das eingangs erwähnte Darlehen betreffend beglichen zu haben, ging ihr Rechtsanwalt infolge ihm gegenüber nie bekannt gegebener genauer Höhe dieser Forderung von einer allfälligen bloßen Teilabdeckung, die Beklagte hingegen von einer bloßen Akontozahlung auf ihre Zinsenforderungen betreffend aller an die Klägerin zugezählter Darlehen aus. Im November 2005 hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin mehrere Kapital- und Zinsenforderungen aus weiteren über die eingangs erwähnte Darlehensgewährung hinaus an die Klägerin gewährten Darlehen.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 21. Oktober 2008 zu Protokoll gegebenen Oppositionsklage die Feststellung, dass der Anspruch der Beklagten aus dem Notariatsakt vom 30. April 2003 erloschen sei und das Zwangsversteigerungsverfahren eingestellt werde. Der in Exekution gezogene Anspruch habe zum Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung nicht mehr bestanden, weil er durch die Zahlung der Klägerin an die Beklagte von 30.000 EUR am 22. November 2005 erloschen sei. Damals habe die Forderung aus dem Notariatsakt nur 29.672,09 EUR betragen. Die Zahlung sei ausdrücklich der Abdeckung der Forderung aus dem Notariatsakt gewidmet gewesen.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe insgesamt 418.943,44 EUR geschuldet. Da über die mehreren Darlehenszuzählungen nur hinsichtlich des Betrags von 24.750 EUR eine Titelurkunde errichtet worden sei, seien die Streitteile übereingekommen, über den Gesambetrag eine weitere Titelurkunde zu unterfertigen, was die Beklagte jedoch in der Folge verweigert habe. Bei der Überweisung von 30.000 EUR habe es sich um eine vereinbarungsgemäß auf Zinsen gewidmete Zahlung gehandelt. Weiters ergebe sich aus der von der Beklagten erstellten Schuldenabrechnung, dass selbst unter der Annahme, die 30.000 EUR wären für den Notariatsakt gewidmet, nach wie vor ein Rückstand von 6.238,31 EUR bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und erklärte die aus dem Notariatsakt vom 30. April 2003 resultierende Forderung auf Zahlung von 24.750 EUR sA, zu deren Hereinbringung das Liegenschaftsversteigerungsverfahren bewilligt wurde, für erloschen. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch die Feststellung, dass die im Notariatsakt vereinbarten Zinsen und Verzugszinsen betreffend das Darlehen über 24.750 EUR sich für den Zeitraum 30. April 2003 bis 22. November 2005 auf insgesamt 9.099,75 EUR beliefen und ging rechtlich davon aus, dass die Widmung der Zahlung dem Vertreter der Beklagten zugegangen sei, sodass die Zahlung den betriebenen Anspruch im Hinblick auf das einverleibte Pfandrecht samt Nebengebührensicherstellung zur Gänze abgedeckt habe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil über Berufung der Beklagten teilweise ab und erklärte den betriebenen Anspruch unter Abweisung des Mehrbegehrens nur in einem Teilbetrag von 20.900,25 EUR für erloschen. Eine unwidersprochene Tilgungserklärung der Klägerin liege vor, es habe sich aber nicht um eine Vollzahlung gehandelt, weil die Summe der aushaftenden Kapital- und Zinsenforderung 33.849,75 EUR betragen habe. Entsprechend der gesetzlichen Tilgungsregel sei die Zahlung zunächst auf die Zinsen- und Verzugszinsenforderung mit einem Betrag von 9.099,75 EUR anzurechnen (6 % Zinsen aus 24.750 EUR vom 30. April 2003 bis 30. September 2003 und 10 % Verzugszinsen vom 1. Oktober 2003 bis 22. November 2005) und mit einem Differenzbetrag von 20.900,25 EUR auf die offene Kapitalforderung von 24.750 EUR anzurechnen.

Über Abänderungsantrag der Klägerin sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision (doch) zulässig sei, weil das Berufungsgericht in Ansehung der per 22. November 2005 fälligen Zinsen und Verzugszinsen - in Verkennung eines tatsächlich vorliegenden sekundären Feststellungsmangels unrichtig - von einem abschließend erledigten Streitpunkt ausgegangen sei, tatsächlich aber weder vom Erstgericht festgestellt worden sei, noch den Beweisergebnissen entnommen werden könne, dass der Darlehensvertrag von der Beklagten zum 30. September 2003 gekündigt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt, ist zulässig und berechtigt.

Gegenstand des Oppositionsverfahrens ist nur derjenige Anspruch, welcher der Exekutionsbewilligung zugrundeliegt (3 Ob 184/94 = SZ 67/221 ua; RIS-Justiz RS0032964; Jakusch in Angst 2 § 35 EO Rz 14). Hier wurde die Exekution zur Hereinbringung des Darlehensbetrags von 24.750 EUR samt 6 % Zinsen seit 1. Mai 2003 bewilligt. Allfällige der Vereinbarung entspringende Verzugszinsen sind nicht Gegenstand der Exekutionsbewilligung und daher nicht Gegenstand des Oppositionsverfahrens.

Die Klägerin behauptet die Tilgung des betriebenen Anspruchs durch Zahlung am 22. November 2005. In dritter Instanz unstrittig ist, dass die Zahlung im Sinn der festgestellten klägerischen Widmung auf die betriebene Forderung anzurechnen ist. Strittig ist hingegen, ob die Klägerin im Zahlungszeitpunkt am 22. November 2005 - im Sinn ihres Standpunkts - bloß einen 30.000 EUR nicht übersteigenden Betrag aus der im Notariatsakt vom 30. April 2003 niedergelegten Darlehensvereinbarung schuldete oder - dem Standpunkt der Beklagten entsprechend - die sich aus dem Notariatsakt ergebende Darlehensschuld insgesamt 36.238,31 EUR betrug.

Die zur Höhe der Darlehensschuld getroffene erstgerichtliche Feststellung, die im Notariatsakt vereinbarten Zinsen und Verzugszinsen betreffend das Darlehen beliefen sich für den Zeitraum 30. April 2003 bis 22. November 2005 auf insgesamt 9.099,75 EUR, enthält in Wahrheit nicht bloß Tatsachenfeststellungen zu den Zinsenbeträgen, sondern eine rechtliche Beurteilung der sich aus dem Notariatsakt vom 30. April 2003 ergebenden Verpflichtung der Klägerin, für das Darlehen Zinsen und allenfalls Verzugszinsen zu bezahlen.

Das Erstgericht legte den Notariatsakt - ohne dies offen zu legen - so aus, dass die Klägerin im besagten Zeitraum nicht nur die jeweils vierteljährlich fälligen Zinsen und hiefür Verzugszinsen, sondern auch sowohl von den geschuldeten Zinsenbeträgen als auch vom Kapital selbst Verzugszinsen zu zahlen hatte. Diese rechtliche Beurteilung legte auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Diese hält der Überprüfung im Revisionsverfahren aber nicht stand.

Die Auslegung des Notariatsakts vom 30. April 2003 ergibt - mangels abweichend behaupteter Parteienabsicht unter Zugrundelegung des Wortlauts - eindeutig, dass die Klägerin abgesehen von den unstrittigen Zinsen von 4 % jährlich, vierteljährlich zu berechnen und zum Quartalsende fällig, erstmals jedoch am 30. September 2003, zusätzlich 10 % Verzugszinsen von den jeweils offenen Beträgen, also fälligen und nicht bezahlten Zinsen oder aber vom zur Zahlung fälligen Kapitalbetrag zu leisten hat. Da das Darlehen selbst auf unbestimmte Zeit gewährt wurde und bloß eine Kündigungsmöglichkeit zu jedem Quartalsletzten unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist vereinbart wurde, setzt das von der Beklagten ihrer Zinsenberechnung zugrundegelegte Verzugszinsenbegehren in Ansehung des Kapitalbetrags von 24.750 EUR eine vertragskonforme Kündigung des Darlehens (Fälligstellung) voraus. Eine solche behauptete die Beklagte nicht, sie ergibt sich auch nicht aus den Verfahrensergebnissen.

Zum Zeitpunkt der Zahlung der Klägerin am 22. November 2005 waren daher abgesehen vom zugezählten Darlehensbetrag von 24.750 EUR nur die vierteljährlich zum Quartalsende zu leistenden 6 % Zinsen sowie die 10%igen Verzugszinsen aus den jeweiligen fälligen Zinsenbeträgen zur Zahlung fällig. Das diese Zinsenbeträge samt dem offenen Kapitalbetrag von 24.750 EUR 30.000 EUR übersteigen, ist rechnerisch nicht nachvollziehbar.

Die Zahlung der Klägerin von 30.000 EUR am 22. November 2005 bewirkte daher die Tilgung des sich aus dem Notariatsakt vom 30. April 2003 ergebenden Anspruchs der Beklagten, der Gegenstand des später von der Beklagten eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens und der hier zu beurteilenden Oppositionsklage ist. Das im Ergebnis zutreffende Ersturteil war daher wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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